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6. April 2013

Interview mit Nicole C. Vosseler

Category: Interviews – Darkstar – 10:55

In dieser ganz besonderen NachtDer vor wenigen Wochen erschienene Romantasy-Roman “In dieser ganz besonderen Nacht” war das erste Buch, das ich von der deutschen Bestseller-Autorin Nicole C. Vosseler gelesen habe. Die lebendige Schilderung ihrer Charaktere und die plastische Darstellung von San Francisco haben es mir sofort angtan, so dass ich mich gefreut habe, dass Frau Vosseler Lust auf ein Interview zum Buch hatte.

Neben zahlreichen Büchern für Erwachsene wie etwa “Unter dem Safranmond” oder “Sterne über Sansibar” hat die Autorin auch historische Romane für Jugendliche geschrieben, z. B. “Das Haus der Spione”. “In dieser ganz besonderen Nacht” ist ihr erster phantastischer Roman, eine romantische Geistergeschichte um Verlust, Trauer, aber auch über die Macht der Liebe.

Interview mit Nicole C. Vosseler

Welche drei Schlagworte beschreiben Ihren Roman am besten?

Zartberührendmelancholisch. Spooky. Witzigbunt.

Wie ist die Idee entstanden, “In dieser ganz besonderen Nacht” zu schreiben?

Nicole C. Vosseler (c) Jörg BrochhausenDie Idee zu diesem Roman hatte ich an einem Tag im Sommer 2010, einige Wochen, bevor mein Mann und ich für einen Monat in den Südwesten der USA aufbrachen – denn mit dem Auto durch Kalifornien zu gondeln, immer der Nase nach, das wollte ich schon immer mal machen.

Am Tag zuvor hatte ich mich impfen lassen, die letzte Spritze in Zusammenhang mit einer Fernreise im vorangegangen Jahr, und die bekam mir überhaupt nicht. Während ich matschig auf dem Sofa lag, durch das Fernsehprogramm zappte und schließlich bei einer Doppelfolge Navy CIS L.A. landete, dachte ich über Kalifornien nach. Über meinen Wunsch, nach zwei historischen Romanen für Jugendliche (und Junggebliebene) einen weiteren, vielleicht nicht-historischen All-Age-Roman zu schreiben – und darüber, dass Kalifornien ein geniales Setting wäre. Am besten mit einer Geschichte, die einen tollen Kontrast zu diesem Schauplatz bietet. Vielleicht etwas Paranormales, so was wie … Geister?

Das war der Augenblick, in dem es bei mir ‘klick’ machte und diese Idee mich am Haken hatte. Ich fand Geistergeschichten immer schon faszinierend, weil Geister einerseits ein sehr klassisches Motiv sind, dabei aber unglaublich facettenreich und vielschichtig. Und ich hatte schon sehr lange den Wunsch mit mir herumgetragen, einen Roman zu schreiben, der Verlust, Tod, Trauer und Neuanfang auf ähnliche Weise thematisiert wie “In dieser ganz besonderen Nacht”.

Innerhalb eines Wochenendes stand der komplette Grundriss für den Roman, mit dem ich dann in die USA flog, um dort nach Schauplätzen zu suchen und die Idee in ihren Details zu bebrüten, in San Francisco und ‘on the road’.

Persönlich war ich sehr begeistert von den lebendigen und charmanten Nebenfiguren des Buches. Weshalb war es Ihnen wichtig, Ihnen so viel Platz in der Handlung einzuräumen und sich nicht voll und ganz auf die Liebesgeschichte zwischen Amber und Nathaniel zu konzentrieren?

Aaah, danke! Ich freu mich immer ganz unglaublich, wenn jemand diese kunterbunte Bande genauso fest ins Herz schließt wie ich.

Kein Mensch ist eine Insel. Auch ein Liebespaar wie Amber und Nathaniel nicht.
Nur von den beiden zu erzählen, wäre mir zu eindimensional gewesen, gerade, weil das emotionale Band der beiden so stark ist. Für mich brauchte die Geschichte weitere Charaktere, die sowohl Konflikte als auch witzige Momente in die Geschichte einbringen. Die für Amber und Nathaniel Reibungspunkte bieten, aber auch Wegbegleiter sind.

Außerdem waren Matt, Holly, Abby und Shane von der ersten Stunde an einfach ‘da’ und hätten es mir sicher sehr übel genommen, hätte ich gar nicht über sie geschrieben oder sie einfach nur ganz am Rande auftauchen lassen. Romancharaktere sind ein bisschen wie Geister – sind sie einmal herbeigerufen, können sie heftigen Spuk veranstalten, wenn man sich ihnen nicht genügend widmet.

Ist es Absicht, dass Ambers neue Freunde – von Shane einmal abgesehen – Außenseiter sind?

Das war für mich die natürliche Konsequenz aus dem, was Matt und Abby in ihren jungen Jahren bereits erlebt haben und aus den Folgen dieser Erlebnisse. Das ist etwas, das bei beiden tiefe Spuren hinterlassen und sie verändert hat – und das sie zwangsläufig von anderen Gleichaltrigen trennt.

Holly empfinde ich im Gegensatz dazu gar nicht mal so sehr als Außenseiterin; in all ihrer Flippigkeit ist sie trotzdem ziemlich typisch für den tatsächlich oft sehr bunten und ein bisschen verrückten Alltag in San Francisco.

Und für mich ist auch Shane tatsächlich so etwas wie ein Außenseiter – wenn auch ein heimlicher, dem niemand ansieht, was sich hinter seiner perfekten (und perfekt angepassten) Fassade verbirgt.

Verrate uns bitte etwas über die Hauptfiguren Deines Romans?

Vosseler - HimmelAmber, die ihre Geschichte selbst erzählt, ist eigentlich ein ganz normales Mädchen, das gerne liest und laute Musik mag. Ein bisschen schüchtern vielleicht, aber doch lebhaft, mit beiden Beinen fest auf der Erde und manchmal ein bisschen ruppig.

Oder vielmehr: sie WAR ganz normal. Denn das langsame Sterben ihrer Mutter hat nicht nur eine besondere Gabe zur Folge gehabt, sondern Amber auch in einer Gefühlsstarre zurückgelassen, hinter der Trauer und eine ungeheure Wut schwelen. Amber hat ihre Mutter, ihre Heimat und ihren Halt verloren – und auch sich selbst; sie reagiert bockig und zeitweise zynisch, ist zurückhaltend, ja verschlossen. Von dem Mädchen, das sie einmal war, scheint nichts übriggeblieben zu sein.

Erst durch die ruhige, ernsthafte und einfühlsame Art von Nathaniel, der mit seiner eigenen Erzählstimme seine Sichtweise der Geschichte beisteuert, taut sie langsam auf. In seiner Gegenwart kommen nach und nach wieder Ambers liebes, sensibles Wesen zum Vorschein, ihr Humor und ihr leidenschaftlich-fröhliches Temperament. Und trotzdem bleibt Nathaniel immer ein bisschen distanziert und rätselhaft. Denn er ist schon lange tot und geht seitdem als Geist umher. Ohne dass er weiß, weshalb; große Teile seiner Vergangenheit liegen im Dunkeln – und auch, warum und wie er starb.

Wieso spielt der Roman in San Francisco – und nicht etwa in Deutschland?

Diese Geschichte in Deutschland spielen zu lassen, war nie ein Thema. Ich fand Geister in den USA einfach spannender – noch dazu in Kalifornien, das ja nun gar kein typisches Setting für eine Geistergeschichte ist. Ganz abgesehen davon, dass die USA von jeher auf mich eine große Anziehungskraft ausgeübt haben und ich schon immer mal Szenen schreiben wollte, die an einer Highschool spielen. Da kommt wohl meine frühe Prägung durch amerikanische Serien, Filme und Bücher zum Tragen.

San Francisco als Schauplatz für diese Romanidee war ein Vorschlag meines Mannes, der vor unserer gemeinsamen Zeit schon einmal dort gewesen war. Und nachdem ich mich innerhalb einer Viertelstunde nach der Ankunft in SanFran bereits rettungslos in die Stadt verliebt hatte, wusste ich spätestens gegen Ende meines ersten Tages dort, wie sehr er damit Recht gehabt hatte – als nämlich nach einem sonnigen Nachmittag nach und nach dicker Nebel durch die Häuserschluchten hereinzog. Creepy!

San Francisco ist mal bunt-nostalgisch, mal modern-flippig und manchmal tatsächlich ein bisschen spooky. Kalifornisch lässig, eine Prise europäisch, ziemlich crazy, sehr lebendig und mit einer abenteuerlichen Vergangenheit – zusammen mit diesem dauernd wechselnden Mix aus Sonne, Wind, Wolken und Nebel konnte ich mir einfach keinen passenderen Schauplatz für eine Geistergeschichte vorstellen.

Gibt es Klischees, die Ihr Roman bewusst bedient, weil das Publikum sie liebt? Oder gab es ein Klischee, dass Sie um jeden Preis vermeiden wollten?

Vosseler - Das Haus der SpioneIch habe immer ein bisschen Mühe mit dem Konzept des Klischees – weil ich gerade über die Arbeit an den historischen Romanen gelernt habe, dass Klischees, die als solche wahrgenommen werden, oftmals einfach die Realität widerspiegeln. Außerdem empfinde ich das als etwas höchst Individuelles; was dem einen sein Klischee, ist dem anderen sein Leitmotiv.

Für mich muss eine Geschichte bestimmten Mustern folgen und bestimmte archetypische Elemente enthalten, damit sie funktioniert. Damit wir uns einfühlen und mitfühlen können. Damit die Geschichte, die Charaktere uns berühren und eine Saite in uns zum Klingen bringen. Denn was wären unsere Geschichten ohne den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, ohne ein ungleiches Liebespaar oder eines, das erst Hürden überwinden muss, um zusammenzukommen? Ohne Helden, ohne Bösewichter, ohne weise Lehrmeister? Um es mit Terry Pratchett zu sagen: “The reason that clichés become clichés is that they are the hammers and screwdrivers in the toolbox of communication.”
Meistens mache ich mir deshalb gar keine Gedanken darüber, ob etwas in meinen Büchern klischeehaft sein könnte oder nicht; ich schreibe die Geschichten so, wie sie für mich stimmig sind und wie ich sie als wahrhaftig empfinde.

Was hat Ihnen beim Schreiben von “In dieser ganz besonderen Nacht” die meisten Schwierigkeiten bereitet?

Nathaniels Vergangenheit. Es hat mich eine Menge Überwindung und Mut gekostet, mich da hineinfallen zu lassen. Mich auf das einzulassen, was zuvor zwar eine konkrete, aber doch recht abstrakte Vorstellung war, es mitzuerleben und dann in Worte zu fassen.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Geschichte?

Ich fand schon als Kind die Vorstellung faszinierend, dass es tatsächlich Menschen gibt, die all jene wunderbaren Geschichten schreiben, die sich zwischen Buchdeckeln befinden, und im Rückblick glaube ich, dass damals in mir der Wunsch geweckt wurde, ebenfalls Geschichten zu erzählen. Meine ersten eigenen Schreibversuche bestanden aus Gedichten und Kurzgeschichten, weil mir solche Texte zu verfassen anfangs leichter vorkam als einen ganzen Roman stemmen zu wollen.
Und ja, ich erinnere mich noch an meine beiden ersten Kurzgeschichten – und bin heilfroh, dass ich sie schon vor Jahren weggeworfen habe.

Mit welcher fiktiven Figur würden Sie gern mal einen Abend lang um die Häuser ziehen – und warum?

Robert Langdon. Ich liebe diese drei Romane von Dan Brown und kann den vierten kaum abwarten, weil sie intelligent gemacht sind und für mich weitaus mehr dahinter steckt als die effektvolle und spannende Schnitzeljagd an der Oberfläche. Ich habe mir sogar extra wegen Langdon letztes Jahr in Disneyland eine Armbanduhr mit Micky-Maus-Zifferblatt zugelegt …

Ich mag den Humor und den Intellekt von Robert Langdon und stelle es mir unglaublich faszinierend vor, im Laufe eines Abends stundenlang mit ihm über Symbole, Mystik, Mythologie und Archetypen zu diskutieren und zu philosophieren. Und wer weiß: vielleicht würden wir ja dann genau an diesem Abend in eine neue atemberaubende Schnitzeljagd geraten – und aus dem vergnüglichen Abend würde eine irrwitzige, abenteuerliche Nacht … Ja, definitiv Robert Langdon.

Solange er nicht tatsächlich Ähnlichkeit mit Tom Hanks hat.

Woran arbeiten Sie gerade?

Mein nächstes Buch wird wieder ein historisch-exotischer Schmöker für Goldmann sein, der mehrere Jahrzehnte um die Mitte des 19. Jahrhunderts umfasst und in derselben Ecke der Welt wie mein vorangegangener Roman “Das Herz der Feuerinsel” spielt, aber eine ganz andere Geschichte erzählt.

Und ein weiterer All-Age-Roman für cbj ist ebenfalls bereits in Planung.

Vielen Dank!

Zur Website von Nicole C. Vosseler: hier entlang!

Meine Rezension zu “In dieser ganz besonderen Nacht”: hier!

Der Video-Trailer zum Buch: hier!

(c) Foto Nicole C. Vosseler: Jörg Brochhausen

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