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18. September 2016

Interview mit Mara Lang zu GIRL IN BLACK

Category: Interviews – Darkstar – 10:00

Girl in BlackMode, Mafia, Märchen – mit diesen Schlagworten bezeichne ich gern Mara Langs jüngsten Roman, Girl in Black, der im August erschienen ist. In meiner Rezension habe ich ja bereits begeistert geschwärmt, unter anderem davon, wie greifbar die Berlin-Atmosphäre gelungen ist.

Für das folgende Interview habe ich Mara deshalb u. a. gefragt, wie die Recherche zu ihrer modernen Märchenadaption aussah – und mit welchen Schlagworten bzw. Farben sie die Atmosphäre vom Mädchen in Schwarz bedenken würde …

Interview mit Mara Lang

Welche Farben spiegeln für dich die Atmosphäre deines jüngsten Romans wider?

Girl in Black hat zwar das Schwarz auf dem Cover, das Buch ist aber für mich vielfarbig und bunt, weil die Modewelt selbst, die im Roman eine große Rolle spielt, farbig und bunt ist.

Generell fangen die Coverfarben das Buch wunderbar ein:
das Schwarz, das für Lias Flucht steht, für den Thriller und für das Düstere in der Geschichte
das Pink für die schrille Modewelt
und das Gold für das Märchenhafte und den Glanz.

Witzigerweise assoziiere ich, wenn ich an die Geschichte denke, immer auch zusätzlich blau und grün, weil Berlin blau-grün-luftig ist.

Du steigst in die Geschichte ja gleich wahnsinnig actionhaft ein …

Es ist eine temporeiche Geschichte …

Merkt man das auch beim Schreiben? Schreibt sich eine temporeiche Geschichte schneller?

Ich merke das nicht, nein. Auch bei temporeichen Szenen muss man sehr akribisch vorgehen. Man kann sie zwar schnell runterschreiben, das geht schon. Aber danach muss man sie überarbeiten und alles noch mal Punkt für Punkt durchgehen.

Temporeiche Szenen sind immer eine Gratwanderung. Meistens passiert vieles gleichzeitig und man muss sich sehr genau überlegen, was welche Person in diesem einen Moment tut und wie sich das wiederum auf die Gesamtsituation auswirkt.

Man darf nicht jede Einzelheit beschreiben, man darf aber auch nichts auslassen, was für das Verständnis wichtig ist. Die Choreographie, die Inszenierung der Szene – das erfordert Genauigkeit und braucht seine Zeit.

Schreibst Du chronologisch und folgst Du einem zuvor festgelegten Plot oder aus dem Bauch heraus?

Im Licht der NachtIch schreibe chronologisch.

Ich würde gern einfach aus dem Bauch heraus schreiben, aber meine Bücher, die ich professionell verkaufe, muss ich vorher plotten, um eine Geschichte einem Verlag auch gut vorstellen zu können. Aber ich mache es sehr ungern. Plotten ist nicht meins.

Es gibt ja Autoren, die lieben diese Phase. Die plotten drei Monate bis ins kleinste Detail, und dann schreiben sie die Geschichte schnell runter. Ich würde mir das auch wünschen, aber bei mir ist es leider umgekehrt.

Was gefällt Dir selbst am Besten an Lia, deiner Hauptfigur.

Ihr Mut – und ihr Wille, weiterzukämpfen, immer wieder aufzustehen.
Ihre Loyalität zu ihren Freunden.

Lia ist mir relativ nah. Ihre Gabe, ihre Empathie – das ist ein Teil von mir. Ich selbst bin auch leicht empathisch veranlagt. Ich bin sehr sensibel und nehme Gefühle anderer Leute wahr, Stimmungen und Schwingungen, positive wie negative. Das finde ich einerseits sehr gut, das ist eine tolle Fähigkeit. Aber ich hadere damit auch manchmal, weil es sehr belastend sein kann.

War Lia auch ein Treiber für die Geschichte oder kam die Handlung erst?

Die Geschichte war von Anfang an sehr hauptfigurenbezogen.

Die ersten zwei Kapitel habe ich in einem Ruck geschrieben. Mir war von Anfang an klar, wie die Eröffnungsszene ablaufen wird.

Und bereits beim Schreiben dieses Auftakts habe ich Lia sehr, sehr gut kennengelernt. So kennengelernt, dass es für die Geschichte bestimmend wurde.

Lernst Du Deine Figuren beim Schreiben besser kennen?

Auf jeden Fall. Gerade an Lia, aus deren Sicht ich in der Ich-Form und im Präsens erzählt habe, konnte ich während des Schreibens immer mehr Seiten entdecken. Bestimmte Charakterzüge von ihr kristallisierten sich nach und nach deutlicher heraus, bis ich genau wusste, wie sie denkt und handelt.

Deshalb ist es immer hilfreich, seine Figuren vor dem Schreiben eines Buches in der Ich-Form erzählen zu lassen, egal in welcher Perspektive man später schreibt. Auf diese Weise kann man sie am besten erarbeiten.

Bei Girl in Black ist einfach beides gleichzeitig passiert.

Und was hat Dich zur Handlung selbst inspiriert?

Inspiriert hat mich das Märchen Allerleirauh.

Die Idee zu der Geschichte entstand durch ein Gespräch mit einer Freundin und Autorenkollegin. Als ich ihr erzählte, dass ich gern eine Märchenadaption schreiben würde, meinte sie, ihr Lieblingsmärchen sei Allerleirauh.

Ich musste das Märchen erst nachlesen, weil ich mich nicht erinnern konnte. Und dabei dachte mir gleich: “Oh, daraus kann man was Tolles machen.”

Aber dann von Allerleirauh auf die Mafia zu kommen …

In Allerleirauh kommen drei Kleider vor: eines so golden wie die Sonne, eines so silbern wie der Mond und eines so glänzend wie die Sterne. Die Kleider führten mich schnell zum Thema Mode. Ich ging gedanklich die Modestädte durch, kam auf Mailand und fing an, über Italien als Ausgangspunkt für die Geschichte nachzudenken.

Zudem ist es in dem Märchen ja so, dass der König von seiner Tochter verlangt, ihn zu heiraten. Mir wurde klar, dass ich mit einer Hochzeit beginnen wollte. Und ich wollte, dass der Vater – in diesem Fall der Stiefvater – Lia zwingt, jemanden zu heiraten. Also überlegte ich mir, wo arrangierte Hochzeiten immer noch gang und gäbe sind. So kam ich auf die Mafia.

Und warum Berlin?

Weil Berlin auch eine Modestadt ist und ich Lias Familie gern aus Deutschland kommen lassen wollte.

Im Märchen flieht Allerleirauh in ein anderes Königreich. In Girl in Black flieht Lia in eine andere Stadt.

Du hast Berlin zu Recherchezwecken besucht. Hat das die Geschichte auch nochmal beeinflusst?

Die ersten hundert Seiten des Manuskripts hatte ich bereits geschrieben, ehe ich je einen Fuß in die Stadt gesetzt hatte. Ich habe sehr viel über das Internet recherchiert, mit Google Maps und Streetview.

Ich gebe zu, ich hatte nicht die Geduld, erst einen Berlin-Besuch zu planen, denn ich muss mit einer Geschichte immer gleich loslegen. Deshalb habe ich recherchiert, um wenigstens einen ungefähren Eindruck zu bekommen.

Als ich dann nach Berlin kam, sah ich alles bestätigt, was ich mir durch die Recherche im Internet erarbeitet hatte. Das war ein toller Moment: Ich lief durch Berlin und hatte das Gefühl: “Ja, das ist wirklich so! Genau so habe ich das beim Schreiben empfunden.”

Beeinflusst hat mich meine Berlin-Reise also eigentlich nicht, aber ich habe mir natürlich alle Schauplätze der Geschichte angeschaut. Ich bin sozusagen auf Lias Spuren gewandelt und habe mein Gefühl für die Stadt vertieft. Danach konnte ich mich beim Weiterschreiben noch besser in die Schauplätze sinken lassen.

Was war das Ungewöhnlichste, über das du bisher recherchiert hast?

(Überlegt) Für Girl im Black habe ich natürlich viel über Mode recherchiert. Dabei kommt man ja auf die verrücktesten Kleinigkeiten, wie etwa: Wie funktioniert eine Nähmaschine? Welche Hersteller von Nähmaschinen gibt es überhaupt?

Unter anderem ist es in dem Roman so, dass Lia eine Schaufensterpuppe als Schneiderpuppe verwendet. Mir war aber beim Schreiben nicht klar, ob das überhaupt funktionieren würde. Also musste ich über Schaufensterpuppen recherchieren, und stieß auf einen Artikel über eine amerikanische Modefirma, die eine sehr kontroverse Modekampagne gestartet hat, und zwar haben sie behaarte Schaufensterpuppen verwendet, die Damenunterwäsche präsentierten.

Das fand ich so skurril, zumal das Bildmaterial im Artikel auch einen bleibenden Eindruck hinterließ, dass ich beschloss, das in die Geschichte mit einzuarbeiten.

Hin und wieder kommt es ja vor, dass Leser zugeben, dass sie einer bestimmten Romanfigur total verfallen. Hast Du selbst auch schon mal einen Character Crush gehabt?

Da würde mir Cayal aus der “Gezeitenstern-Saga” von Jennifer Fallon einfallen. Der hat mir sehr gut gefallen. Ebenso Mordan aus Lynn Ravens “Der Kuss des Kjer“.

Aber einen richtigen Character Crush habe ich bei Büchern eigentlich nicht.

Allerdings gibt es eine Fernsehserie, die mir damals sehr, sehr gut gefallen hat: “Moonlight“. Die Hauptfigur, den Vampir Mick St. John, fand ich schon sehr schnuckelig.

Was magst Du an der Arbeit an einem Buch am liebsten?

Das Eintauchen in die Geschichte – ohne Verkauf oder Exposé oder den Markt im Hinterkopf zu haben.

Geht das heute überhaupt noch? Schafft man es, das phasenweise ausblenden?

Wenn ich ein Buch verkauft habe, d. h. ein Exposé und eine fünfzig- bis hundertseitige Leseprobe geschrieben habe, dann gelingt es mir durchaus, die Geschichte fließen zu lassen und darin abzutauchen. Vorher mache ich mir natürlich meine Gedanken.

Fällt es Dir leichter, eine Geschichte anzufangen oder sie zu beenden.

Der Puls von JandurDas fällt mir beides gleich leicht. Meistens habe ich eine ganz bestimmte Anfangsszene im Kopf. Das geht ganz schnell, die ist sofort da. Die ersten beiden Kapitel zu diesem Anfang lassen sich vergleichsweise leicht schreiben. Das macht richtig, richtig Spaß.

Genauso geht es mir mit dem Ende: Behutsam aus der Geschichte auszusteigen und den Leser dann auch mit hinaus zu nehmen, finde ich wunderschön.

Was mir eher schwer fällt, ist der Mittelteil, oder auch die Geschichte so richtig auszubreiten. Etwa ab dem zweiten, dritten Kapitel geht es darum, die Fäden alle auszulegen, damit sich die Geschichte entwickeln kann. Das finde ich schon schwieriger.

Und manchmal habe ich in der Mitte einen Durchhänger. Aber Anfang und Ende zu schreiben ist super.

Hast Du einen Rat, was man tun kann, wenn man stecken bleibt?

Ich tauche dann noch mal tiefer in die Figuren ein, schau mir genau an, ob ich etwas übersehen habe. Meistens hat es einen Grund, warum ich stecken bleibe. Vielleicht habe ich die Figur zu oberflächlich gestaltet oder mir nicht genau überlegt, warum sie sich in einer Szene so verhält, wie ich das für die Handlung brauchen würde.

Ich arbeite da sehr figurenzentriert.

Wenn Du vier Figuren auf einen nächtlichen Streifzug mit durch Berlin nehmen dürftest, für wen würdest Du Dich entscheiden?

Masken - Unter magischer HerrschaftSo eine ähnliche Frage hast Du mir schon mal gestellt und ich weiß noch genau, wen ich damals ausgesucht habe. (Maras Antwort von damals findet ihr im Interview zu “Masken – Unter magischer Herrschaft”).

Ups, wie peinlich.

Das ist gar nicht schlimm, denn diesmal würde ich jemand anderes mitnehmen!

Diesmal würde ich die Raven Boys und Blue aus Maggie Stiefvaters Raven Boys-Serie (“Wen der Rabe ruft” ff) mitnehmen. Die sind alle so originell, mit denen würde ich gern mal durch die Stadt ziehen!

Vielen Dank!

Maras Website findet ihr hier.

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