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29. Dezember 2017

S. Jae-Jones: Wintersong

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 13:29

WintersongDer Koboldkönig kam näher. Er legte mir die Hand unter das Kinn und ich hob den Blick, um in seine mehrfarbigen Augen zu sehen. “Ich werde es genießen, mit dir zu spielen”, sagte er leise.

Wenn das alte Jahr stirbt und der Winter beginnt, zieht der König der Kobolde aus, um sich eine neue Braut zu suchen …

Schon als kleines Mädchen hat Elisabeth begriffen, wieviel Wahrheit in den alten Sagen steckt, die ihre Großmutter erzählt. Sie hat im Wald hinter dem Gasthaus ihrer Eltern der Musik der Wesen der Anderswelt gelauscht und jedes Jahr in der ersten Winternacht mit ihrer Großmutter Salz auf Fenstersimse und Türschwellen ihres Zuhause geschüttet, um sich vor dem Erlkönig und seinen Geschöpfen zu schützen.

Doch dieses Jahr ist alles anders. Liesls jüngere Schwester Käthe verfällt dem Bann der Kobolde. Als der Koboldkönig sie in sein unterirdisches Reich entführt, folgt Liesl den beiden kurzentschlossen. Sie fordert den Erlkönig zu einem Spiel heraus. Wenn sie gewinnt, rettet sie sich und ihre Schwester. Wenn sie verliert, sind sie beide für immer verloren …

Myraden von Feenlichtern funkelten an der schwarzen Höhlendecke. Gold, Silber und Juwelen lagen überall wie Konfetti. In den Steinboden und die Wände waren Glasstücke eingelassen, die Bilder zurückwarfen: Sein Gesicht, scharf, gelangweilt und grausam. Schönheit, die wie eine Messerklinge ins Fleisch schnitt.

S. Jae-Jones Wintersong (Piper) gehört definitiv zu meinen Jahreshighlights. Hier mochte ich alles: Die Geschichte, die Figuren, die Atmosphäre: dunkel, glitzernd, gefährlich, verzweifelt, hoffnungsvoll, emotional wie der Koboldkönig selbst. Tragisch.

Die Autorin siedelt ihre Handlung im Deutschland frühen 19. Jahrhunderts an. Liesl ist die älteste Tochter eines ehemaligen Hofkomponisten, der – inzwischen verarmt – mit seiner Frau ein Gasthaus im bayerischen Hinterland betreibt. Ihr jüngerer Bruder gilt als musikalisches Wunderkind, ihre Schwester als Dorfschönheit. Sie selbst ist die “Vernünftige”, “Fleißige” – ein Umstand, mit dem Liesl hadert. Sie, die heimliche Komponistin, träumt davon, aus dem Schatten ihrer Geschwister hervorzutreten und gesehen zu werden: als Musikerin und als Frau.

Mit Liesl ist der Autorin eine glaubhafte, sehr menschliche Protagonistin gelungen, mit Stärken ebenso wie mit Fehlern, Schwächen und Sehnsüchten. Sie ist der perfekte Konterpart zum mysterösen Erlkönig, gefährlich in seiner Anziehungskraft und Kompromisslosigkeit. Das Spiel, auf das sich Liesl und er einlassen, wird für beide riskant.

Ich bin begeistert davon, wie gelungen Jae-Jones die dunklen Sagenmotive um den Erlkönig und sein dunkles Reich in ihrem modernen Roman zum Leben erweckt. Der Vergleich zum 80er Jahre-Streifen Labyrinth liegt nahe. Wintersong ist jedoch dunkler, leidenschaftlicher und faszinierender als der teilweise doch leider etwas schräg-lächerliche Film, der zwar Highlights, aber auch Schwächen hat. Da ist Jones Roman konsistenter und erwachsener. Zunächst hatte ich etwas Angst, Setting und Geschichte könnte zu kitschig geraten, die Autorin könnte ein zu zuckersüßes Bild vom romantischen Deutschland malen – nichts davon ist der Fall.

In der zweiten Hälfte wird der Roman deutlich verzweifelter. Das Gefühlschaos, das die zerrissene Elisabeth durchlebt, berührt, weil es so echt, ehrlich erschaffen ist: schön und schmerzhaft schneidend.

Extra-Bonus: es gibt einen queeren Nebencharakter.

Wintersong ist eines jener Bücher, das ich einerseits nicht zur Seite legen konnte, von dem ich mir andererseits gewünscht habe, nicht zu Enden. Wenn ihr dunkle, erdige Märchenadaptionen mögt, solltet ihr unbedingt reinlesen.

Fakten:

Titel: Wintersong
Autorin: S. Jae-Jones
Originaltitel: Wintersong
Reihe: Erlkönig-Saga (1)
Übersetzung: Diana Bürgel
Verlag: Piper ivi
Aufmachung: Klappbroschur, 456 Seiten

Das Buch online bestellen: Print, ebook

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