Darkstars Fantasy News


16. Mai 2008

Jennifer Roberson: Wolfssohn

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 21:36

WolfssohnNichts ist für die Cheysuli so wichtig wie ihre alte Prophezeiung: „Eines Tages wird ein Mann kommen, der vier streitende Völker und zwei magiebegabte Rassen vereinen wird.“

Da sie jahrelang verfolgt und getötet und von den Homanern – jenem Volk, mit dem sie ihren Lebensraum teilen –in einer blutrünstigen Hetzjagd beinahe vollständig ausgerottet wurden, setzen sie alles daran, diese Prophezeiung zu erfüllen. Einem jeden Cheysuli ist bereits von Kindesbeinen an klar, dass das Wohl des Einzelnen hinter dem Wohl des Stammes zurückstehen muss.

In “Wolfssohn” erzählt Jennifer Roberson die Geschichten zweier Männer, die im Zentrum eben jener Prophezeiung stehen. Zeitlich trennt sie zwar eine Generation, ihr Schicksal jedoch teilen sie sich: Donal und Niall, Vater und Sohn – beides Erben des homanischen Löwenthrons, in beiden fließt Cheysuli-Blut, beide müssen lernen, die eigenen Wünsche für die Zukunft ihres Volkes aufzugeben.

Es ist jedoch nicht nur ein innerer Kampf, den die jungen Männer ausfechten. Der Friedenspakt zwischen Menschen und Gestaltwandlern ist noch zu frisch, als dass Ängste und Vorurteile verschwunden wären. Außerdem wirken die geheimnisvollen Ihlini-Zauberer noch immer ihre dunklen Künste, um die Cheysuli zu vernichten.

Donal wird mit einer Braut konfrontiert, deren Mutter selbst eine Ihlini-Hexe ist. Aislinn ist die Tochter der gefährlichen Königin Electra, die bereits im vorherigen Band des Cheysuli-Zyklus aufgetaucht ist und seit ihrer Niederlage vor über einem Jahrzehnt auf Rache sinnt. Als es Electra gelingt, aus ihrem Exil zu entfliehen, bricht der Kampf zwischen Ihlini und Cheysuli wieder aus.

Donals und Aislinns Sohn Niall wird eine Generation später Opfer jener politischen Schachzüge, zu denen sich seine Eltern aufgrund der Prophezeiung genötigt sahen. Die Prinzessin, die er heiraten soll, entstammt trotz ihres Cheysuli-Erbes nicht nur einem fremden Volk, sondern wurde auch zum Opfer einer skrupellosen Ihlini-Zauberin, die sie in den Wahnsinn getrieben hat. Eine magisch verursachte Seuche, der vor allem die Gestaltwandler zum Opfer fallen, ein Krieg mit dem Nachbarland sowie gleich zwei revolutionäre Bewegungen um alternative Thronkandidaten verlangen schließlich von Niall, die eigenen Grenzen zu überwinden.

Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich beide Männer sind und wie sie doch mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Donal beispielsweise ist durch und durch Cheysuli: Seine Eltern zählen zu ruhmreichen Vertretern seines Stammes, um beide ranken sich Legenden. Da der homanische König Carillon selbst keinen männlichen Erben hat, jedoch ebenfalls der Cheysuli-Prophezeiung dient, bestimmt er Donal als Nachfolger und als Gemahl seiner einzigen Tochter Aislinn. Dadurch sieht sich der junge Mann nicht nur einem, sondern zwei Übervätern gegenüber – dem inzwischen verstorbenen, jedoch vielgerühmten Cheysuli-Anführer, der sein leiblicher Vater war, und Carillon, einem Herrscher, zu dem das Volk aufblickt. Wie soll er jenen Beispielen je gerecht werden?

Niall geht es nicht anders. Auch er plagt sich mit Zweifeln. Doch anders als Donal hat er kaum etwas von einem Cheysuli an sich. Er besitzt noch nicht einmal einen Tierverbündeten wie andere Cheysuli: er ist Lir-los und in den Augen seines Stammes deshalb weniger wert. Zweifel an seinem rechtmäßigen Status als Erbe des Löwenthrons kommen deshalb nicht nur von Seiten der Homaner, die die Gestaltwandler noch immer fürchten, sondern auch aus dem Lager der Cheysuli selbst …

Obwohl die Autorin auf den ersten Blick eher leichte Fantasy-Unterhaltung bietet, zieht sich ein ebenso universelles wie philosophisches Thema als Grundton durch die beiden Romane, die in diesem Sammelband vereint sind: Die Macht des Schicksals und seine Auswirkungen sowie die Reisen von Niall und Donal zu sich selbst und eines Reifungsprozesses, der es ihnen erlaubt, aus dem Schatten ihrer Vorfahren herauszutreten.

Die Romane um die magiebegabten, naturverbundenen Cheysuli und ihren Tiergefährten erschienen im Original ursprünglich bereits in den 80er Jahren. Ihr Erscheinungsdatum und die Tatsache, dass sie Robersons erste Gehversuche als Schriftstellerin waren, merkt man der Reihe deshalb etwas an.

Stilistisch lesen sich die Bücher wunderbar. Den trockenen Humor aus den Schwerttänzer-Romanen der Autorin wird man hier jedoch vermissen.

Ähnlich wie die “Darkover”-Romane von Marion Zimmer Bradley haben auch die Cheysuli-Bücher einen gemeinsamen Background und präsentieren in ihrem jeweiligen Mittelpunkt unterschiedliche Hauptfiguren. Zwischen den einzelnen Bänden liegen meist mehrere Jahre oder eine Generation.

Beide Bücher sind übrigens vor über zehn Jahren bereits schon einmal von Heyne publiziert worden und zwar als “Das Vermächtnis des Schwertes” und “Die Fährte des weißen Wolfes”. Durch die Zusammenfügung in einen Band und aufgrund des recht engen Schriftbilds bietet der Paperback wuchtige 942 Seiten Lesevergnügen.

Vor allem für Freunde der romantischen, charakterorientierten Fantasy, denen auch mal ein langsameres Tempo zwischendurch nichts ausmacht, eignen sich die Bücher, wobei “Wolfssohn” im Vergleich zu “Dämonenkind” bereits etwas an Fahrt gewonnen hat. Dieser Eindruck mag freilich auch subjektiv sein, da die Welt und ihre Regeln dem Leser inzwischen bekannt sind. Schön ist in diesem Zusammenhang, dass Roberson sich nicht auf ihrer ersten Prämisse ausruht, sondern neue Hintergründe etabliert und auch die Geschichte der Ihlini um einige interessante Facetten bereichert.

Diese Rezension ist ebenfalls erschienen bei Fantasyguide. Danke!

Tags:

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

XHTML ( You can use these tags): <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong> .