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8. Oktober 2008

Kai Meyer: Dschinnland
Band 1 der Sturmkönige-Trilogie

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 07:00

DschinnlandDschinnland: The Fast and the Furious im Orient

Seit dem Tod seiner Geliebten gibt es kaum noch etwas, das Tarik al-Jamal am Leben noch reizt. Einzig die Teilnahme an den Wettrennen auf fliegenden Teppichen durch’s nächtliche Samarkand gibt ihm noch einen Kick. So fröhnt er nach Anbruch der Dunkelheit Nacht für Nacht jener verbotenen Sportart, ergötzt sich am Nervenkitzel in schwindelerregender Höhe – und besäuft sich anschließend, um alles um sicher herum zu vergessen.

Eines Nachts begegnet er mitten in einem Rennen der ebenso schönen wie undurchsichtigen Sabatea und lässt sich von ihr verführen. Bald schon stellt er jedoch fest, dass Sabatea keinesfalls den Verlockungen seines anziehenden Körpers verfallen ist, sondern ein eigenes Ziel verfolgt: Auf seinem fliegenden Teppich soll Tarik sie ins ferne Bagdad bringen. Obwohl sie bereit ist, gut zu bezahlen, lehnt Tarik ab. Der einzige Weg nach Bagdad führ nämlich durch das Dschinnland, wo tausend Gefahren auf jene warten, die dumm genug sind, das schützende Samarkand zu verlassen. Seit dem Ausbruch der Wilden Magie vor einigen Jahrzehnten streifen nämlich nicht nur die scheuen Elfenbeinpferde, sondern auch brutale Dschinne und gefürchtete Kettenmagier durch die Weiten der Wüste.

Bis Tarik bemerkt, dass sich Sabatea nach seiner Abfuhr an den zweitbesten Teppichreiter der Stadt gewendet hat, ist es zu spät: Dabei handelt es sich nämlich um seinen Bruder – den einzigen Menschen, der ihm noch etwas bedeutet, auch wenn es eine Hass-Liebe ist, die die beiden verbindet. Als dieser deshalb mit Sabatea in die Wüste aufbricht, fühlt sich Tarik gezwungen, ihnen zu folgen, um sie vor den sicheren Tod zu retten. Denn nur Tarik weiß, dass durch das Dschinnland auch ein Wesen streift, dass noch schrecklicher ist als alle Dschinne der Welt: der Narbennarr.

Sowohl die Tatsache, dass die bisher von Kai Meyer verfassten Trilogien (“Die Wellenläufer“, “Die Fließende Königin“) allesamt Jugendliteratur waren als auch die Covergestaltung von “Dschinnland” lassen die Vermutung aufkommen, beim Auftaktband der “Sturmkönige” würde es sich ebenfalls um einen Roman handeln, der sich überwiegend an ein junges Publikum richtet. Stattdessen überrascht “Dschinnland” damit, dass es sich nicht so ohne weiteres den zur Zeit so beliebten “All Age”-Stempel aufdrücken lässt. Vielmehr scheint Meyer darauf bedacht gewesen zu sein, einen Fantasy-Roman bewusst für ein erwachsenes Publikum zu verfassen. Gleich zu Anfang präsentiert er eine Sexszene in luftiger Höhe, die Figuren des Romans sind allesamt volljährig, keine Heranwachsenden, und die Romanhandlung ist wesentlich gewalttätiger als man das aus Meyers Jugendbüchern kennt.

Dennoch scheint es ein bisschen so, als habe er seine – zugegebenermaßen gut funktionierende – Formel für phantastische Trilogien auch für die “Sturmkönige” angewandt: Man entnehme zahlreiche mehr oder minder bekannte phantastische Elemente eines bestimmten Kulturkreises, würze sie mit eigenen Einfällen und füge sie dann so zusammen, dass daraus etwas Neues entsteht. Diesmal konzentriert der Autor sich aber weniger auf magische Momente als auf düstere Szenen. Das ist an sich auch nicht schlimm und funktioniert über weite Strecken des Buches auch gut. Trotzdem wird der Leser das Gefühl nicht los, dass etwas an “Dschinnland” fehlt.

Daran mögen die Hauptprotagonisten mit Schuld sein, die zwar begrüßenderweise anders sind als Jugendliteratur-Standard-Charaktere, aber – zumindest was die beiden Brüder angeht – in die Kategorie Anti-Held passen. Dadurch verleiht Meyer dem Roman einen recht dunklen Grund-Tenor, der im starken Kontrast zu der phantastisch-orientalischen Welt steht, in der sich die Charaktere bewegen und die von deren Wesenszügen etwas überschattet wird.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Autor mit großen Bildern spielt, zumindest in der Hörbuchfassung dem Zuhörer jedoch verschlossen bleibt, was sich tatsächlich hinter einigen Wesen, Begriffen und Ereignissen verbirgt: Was hatte es mit dem Ausbruch der wilden Magie tatsächlich auf sich? Was sind Dschinne eigentlich genau? Was muss man sich unter den Roch vorstellen? All dies sind Fragen, von denen man hofft, dass sie zumindest in einem der beiden Nachfolgebände geklärt werden, die einen jedoch nach dem Ende von “Dschinnland” mit einem etwas schalen Gefühl zurücklassen.

Andererseits erweist sich Kai Meyer dennoch ein weiteres Mal als formidabler Wort-Schmied, dem es über weite Strecken gelingt, seine Leser zu packen und eine unterhaltsame, turbulente Geschichte aus großen Bildern und rascher Action zu erzählen. “Dschinnland” hat ein bisschen was von The Fast and the Furious meets Tausendundeine Nacht und sowohl für seine ungewöhnlichen Mixturen als auch für seinen wunderbare Art, mit der deutschen Sprache umzugehen, muss man Kai Meyer einfach Respekt zollen. Auch wenn sich der Auftaktband der “Sturmkönige”-Trilogie nicht als auf jeder Ebene überzeugend erweist, finde ich es gut, dass Meyer versucht, ein Stück weit die mit der Merle-, der Wellenläufer und der Wolkenvolk-Trilogie breitgetrampelten Pfade zu verlassen und bin gespannt darauf, wie es im zweiten Band weiter geht. Und bis zum Erscheinen von “Glutsand” ist es ja auch erfreulicherweise nicht mehr allzu lange hin.

Fakten:

Titel: Dschinnland
Reihe: Die Sturmkönige, Band 1 (von 3)
Autor: Kai Meyer
Verlag: Lübbe, September 2008
Aufmachung: Hardcover, 432 Seiten
Preis: 18,00 EUR
ISBN: 978-3785723364

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