In einer Zeit, in der sich selbst das antike Griechenland noch im Entwicklungsstadium befindet, ist das Inselreich der Atlanter, zu der auch die namensgebende Insel gehört, die vorherrschende Macht auf der Welt. Es ist ein Reich der Denker und Entwickler, Philosophie und Wissenschaft wird viel Platz eingeräumt im täglichen Leben – über allem steht jedoch die Kaste der Priesterinnen und Priester, die sich mit ihren Tempelbezirken einen eigenen Stadtstaat aufgebaut haben.
Die Schwestern Domaris und Deoris wachsen beide im Tempel des Lichts auf. Domaris ist eine vielversprechende junge Priesterin, die etwas jüngere Deoris ist noch Schülerin, tut sich aber ob ihres eigenen Kopfes etwas schwer, sich den traditionellen Regeln ihrer Kaste unterzuordnen.
Als ein junger Mann von erheblicher politischer Bedeutung im Tempel eintrifft, hat das Auswirkung auf das Leben beider Schwestern. Micon ist ein Prinz von Atlantis, ihm und seiner Linie werden magische Kräfte nachgesagt. Um ihm diese Mächte abzuzwingen, wurde Micon grausam gefoltert und geblendet – nur der Drang, seinen verschollenen Bruder zu finden und seinem Volk einen Erben zu schenken, hält Micon aufrecht.
Da er sein Augenlicht verloren hat, wird ihm Deoris als Skriptorin und Assistentin zur Seite gestellt – und über sie lernt er schließlich ihre Schwester kennen. Obwohl Domaris einen Verlobten hat, ist es für sie beide Liebe auf den ersten Blick.
Domaris weiß, dass ihre Liebe unter keinem guten Stern steht. Trotzdem kann sie sich gegen ihre aufkeimenden Gefühle nicht erwehren. Und so merkt zunächst keiner, dass Deoris in den Einflussbereich einer zwielichtigen Gestalt gerät, bis es beinahe zu spät ist und Kräfte entfesselt werden, die das Inselreich der Atlanter in seinen Grundfesten zu erschüttern drohen.
Um Missverständnisse gleich vorwegzunehmen:
Marion Zimmer Bradley hat mit dem “Licht von Atlantis” einen Roman verfasst, der zwar als Handlungsort das mystische Atlantis wählt, jedoch keinesfalls von dessen Untergang berichtet. Vielmehr handelt es sich um eine tragische Liebesgeschichte, die universelle Themen wie Pflicht gegen Liebe, Tradition gegen Fortschritt, Recht gegen Unrecht, Wissenschaft gegen Magie erörtert und die Frage zentralisiert, inwiefern der Zweck einer Sache jegliche Mittel heiligt.
Obwohl sicher kein Meilensteil wie Die Nebel von Avalon – die Geschichte gehört zu einem der frühen Werke der Autorin – gestaltet sich der Roman spannend, aber nicht einfach zu lesen.
Interessant ist vielleicht ausserdem die Tatsache, dass MZB mit den Figuren Domaris und Deoris Figuren erschafft, die uns in verschiedenen Reinkarnationen auch in ihren Avalon-Romanen wieder begegnen.
Die Geschichte ist sicher nicht für Jederman! Vielmehr sollte der geneigte Hörer ein Interesse an Geschichten über Tempelrituale und dergleichen lieben.
Zur Lesung:
Über die Qualitäten der Schauspielerin Judy Winter kann und möchte ich mich hier nicht äußern, als Vorleserin eines Hörbuchs hat sie mich aber leider nur eingeschränkt begeistern können. An der herausragenden Leistung von Katharina und Anna Thalbach (“Die Nebel von Avalon”) kann sich Frau Winter hier jedenfalls nicht messen. Nicht immer trifft sie den richtigen Ton.
Gibt man sich jedoch selbst die Zeit, sich auf die leise, langsame Geschichte einzulassen, trägt sie einen doch von selbst mit.
Fakten:
Titel: Das Licht von Atlantis
Autor: Marion Zimmer Bradley
Leser: Judy Winter
Originaltitel: Web of Light, Web of Darkness
Aufmachung: 6 Audio CDs
Verlag: Lübbe Audio (2001)
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