Die kluge Bauerntochter zählt zu den eher unbekannteren Märchen aus der Sammlung der Brüder Grimm. Auch ich, der ich mich selbst als eigentlich doch recht versierter Märchenkenner bezeichnen würde, hatte Schwierigkeiten, mich genau azu erinnern. Ich konnte mich zwar noch genau an jenen Part erinnern, in dem die Titelfigur das Rätsel des Königs löst – ich wußte aber zum Beispiel nicht mehr genau, weshalb sie vom König ein Rätsel aufbekommt und hatte schon gar nicht mehr im Kopf, wie das Märchen weitergeht, nachdem sie dieses Rätsel erfolgreich gelöst hat. Wie dem auch sei, die gelungene 2009er-Verfilmung der ARD und des MDR schaffen hier sehr unterhaltsam Abhilfe:
Als ein armer Bauer auf dem ihm von der Krone überlassenen Stückchen Ackerland beim Pflügen einen goldenen Mörser findet, bringt er ihn Pflichtgetreu zum König. Auf seine intelligente Tochter hört er dabei leider nicht. Die rät ihm nämlich, den Mörser nicht an den Hof zu bringen, da man sicher zwangsläufig auch nach dem Stößel verlangen würde. Genau so geschieht es und der Bauer landet im Kerker. Freilassen will ihn der Regent nur, wenn die angeblich ach so kluge Tochter ihm ein Rätsel löst:
“Komm zu mir,
nicht bei Tag und nicht bei Nacht,
nicht gekleidet, aber auch nicht nackend,
nicht geritten, nicht gefahren,
mit Geschenk und ohne Geschenk.”
Mehr noch. Sollte sie ihr diese unmögliche Tat gelingen, will er sie gar zu seiner Frau nehmen …
Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Die kluge Bauerntochter löst dieses Rätsel. Wie, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, um nicht die zu spoilern, die das Märchen nicht mehr im Kopf haben …
Das tolle an der Verfilmung durch Regisseur Wolfgang Eißler ist allerdings, dass es ihm gelingt, aus dem nur ein paar Absätze umfassenden Text aus den Kinder- und Hausmärchen einen sechzigminütigen Film zu machen, der durch zahlreiche neue Einfälle besticht und durchaus auch gelungene, moderne Akzente setzt. Eißler nimmt die Handlung der Vorlage nicht einfach so hin, sondern versucht darüber hinaus, die Fragen, die sich einem erwachsenen Menschen unweigerlich dabei stellen, plausibel zu beantworten. In seiner Version verlieben sich beispielsweise Bauerntochter und Märchenprinz nicht im ersten Augenblick unsterblich miteinander. Im Gegenteil, wie sich eine Liebe zwischen zwei so ungleichen Menschen entwickeln kann – und mit welchen Schwierigkeiten und Vorurteilen sie zu kämpfen hat – macht Eißler zum zentralen Handlungselement. Das schafft Romantik – und macht diese Adaption auch für ein älteres Publikum attraktiv. Die Kinder gewinnt der Regisseur wiederum für sich dadurch, dass er immer wieder teils recht karnevalistische Komik mit einbaut. Das funktioniert, weil die Verfilmung bewusst mit diesem Stilmittel kokketiert – ähnlich wie das bei “Rumpelstilzchen” der Fall ist. Bei der “Klugen Bauerntochter” haben die Verantwortlichen aber hier an Skurillität noch einmal eins oben drauf gesetzt. Stilistisch versetzen die Produzenten das Märchen in das barokke Zeitalter. Auch das passt sehr gut zu den teils sehr überzogenen Figuren (wie z. b. die blaublütigen, aber hohlköpfigen Prinzessinnen auf Brautschau oder die bauernschlauen Verwandten des Königs, die sich nicht mit der Intelligenz der Bauerntochter aus einfachen Verhältnissen messen können).
In der Darstellerriege überzeugen vor allem Sunnyi Melles als teils recht bissige Königinmutter sowie Anna Maria Mühe als sehr natürliche, sympathische Hauptfigur. Sie hebt sich wohltuend von den sonst recht spindeldürren Märchenprinzessinnen ab, verströmt keine ätherische Schönheit, sondern ist sehr bodenständig, erdig, ehrlich. Dass auch sie trotz ihrer Intelligenz noch einiges zu lernen hat, rundet die Handlung schön ab.
Die kluge Bauerntochter ist kein Film voller Zauberei, Wunderwesen und sagenhafter Tiere, sondern in dieser Version eine zeitlose Parabell auf das Leben an sich …
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