Geschichten und Motive aus der Mythologie sind von Natur aus symbolträchtig und bildgewaltig. Schon allein deshalb eignen sich diese uralten Erzählungen dazu, in Comics nacherzählt bzw. für sie aufgegriffen zu werden. Ins Zentrum ihrer gemeinsamen Albenserie stellen die frankobelgischen Künstler Ronan Le Breton (Text) und Sebastian Grenier (Zeichnungen) die Lebens- und Leidensgeschichte von Arawn, des Herrschers über das keltische Totenreich.
Arawn ist eine Figur, die in der phantastischen Unterhaltung, wenn überhaupt, als graue Eminenz oder zwielichtige Schattengestalt auftritt, so gut wie nie aber als Protagonist einer eigenen Reihe. Von der liegen inzwischen in deutscher Übersetzung bereits zwei Bände vor, die freilich den dunklen Flair, der der Figur anhaftet, trotz seiner Titelrolle nicht verleugnen. Breton und Grenier lassen den düsteren Herrn der Unterwelt selbst von seinem von Gerippen umgebenen Knochenthron seine Geschichte erzählen. Stilistisch geschieht dies mitunter ein bisschen stakkatohaft. Das wirkt durchaus episch, was zu den keltischen Sagenmotiven passt, die die Handlung aufgreift. Manchmal hätte man sich jedoch gewünscht, Autor und Zeichner würden bei der einen oder anderen Szene etwas länger verweilen, mehr in die Tiefe gehen.
Die große Stärke von „Arawn“ sind allerdings ohnehin die ausdrucksstarken, farbgewaltigen Bilder. Sowohl das unterirdische Höllenreich Arawns als auch die frühkeltische Menschenwelt werden in strahlenden Farben lebendig. Mitunter wird es, wie es sich für die Geschichte gehört, schon recht blutig und brutal: Wenn zum Beispiel einer Fremder die Gastfreundschaft von Arawns Mutter und deren Mann ausnutzt und in einem grausamen Akt seinen Gönner ermordet und dann dessen Geliebte vergewaltigt.
Zentral im ersten Band der Handlung steht Arwans Coming of Age, das Heranwachsen mit seinen Brüdern, die im ständigen Konkurrenzkampf zueinander stehen. Wie sie muss Arawn eine Prüfung bestehen, um seinen Wert zu bezeugen. Jedes der vier Geschwister muss sich einem der Elemente in ihrer gefährlichsten Form stellen. Gerade in diesen Szenen kommen Greniers Bilder – teilweise an Aquarellzeichnungen erinnernd – sehr gut zur Geltung!
Auch wenn die Story erst ihren Anfang genommen hat: Der Auftaktband dieser Splitter-Serie überzeugt. Die Geschichte ist düster, bleibt ihren Wurzeln treu und die dramatischen Bilder des Albums verfehlen nicht ihre Wirkung. Wer dunkle, harte Geschichten und die Adaption frühkeltischer Mythen mag, sollte „Arawn“ eine Chance geben. Er freut sich dann vielleicht darüber, dass er auch gleich zum zweiten Band greifen kann, der inzwischen bereits erschienen ist!
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