Frisch erschienen ist in Deutscher Übersetzung beim Diana Verlag “Das Schwert von Avalon“, ein neuer Roman um das mythische Nebelreich, das Marion Zimmer Bradley in den 80er Jahren weltberühmt gemacht hat. Vor ihrem Tod hat Bradley gemeinsam mit ihrer Schwägerin mehrere Prequels zu “Die Nebel von Avalon” geschrieben; seit ihrem Versterben hat Diana Paxson den einen oder anderen Roman “im Geist ihrer Mentorin” selbst verfasst. Dabei haben nicht alle Prequels von Marion Zimmer Bradleys zeitlosem Klassiker überzeugt.
Den letzten Roman, „Die Hüterin von Avalon“, habe ich sogar abgebrochen.
„Das Schwert von Avalon“ folgt erfreulicherweise nicht dieser Tradition, sondern macht richtig Spaß! Vielleicht liegt das daran, dass er auch wesentlich weiter in der Zeit zurückgeht als die meisten anderen Avalon-Romane von Paxson/Bradley. In der Chronologie anzusiedeln wäre er nach “Die Ahnen von Avalon”: Das Buch spielt spielt ca. 1.200 Jahre vor Christus, nur eine Generation nach dem Fall von Troia (“Die Feuer von Troia”). Das ist eine sehr heidnische Zeit voller uralter, mystischer Bräuche – ein Setting, das wesentlich zur stimmungsvollen Atmosphäre der Geschichte beiträgt. Die Römer haben die britischen Inseln noch nicht erobert. Stattdessen zerfleischen sich die Stammesfürsten bei ihrem Kampf um Herrschaftsgebiete. Es ist die Geburtstunde des berühmtesten Schwerts aller Zeiten: Excalibur, König Arthurs legendäre Klinge …
Worum es genau geht:
Anderle, der jungen Hohepriesterin von Avalon, gelingt es dank einer Vision, den neugeborenen Sohn ihrer Cousine zu retten, als der Anführer eines feindlichen Stamms dessen Eltern tötet. Sie versteckt den Jungen beim dunklen Volk der Sümpfe, wo er unter dem Decknamen Woodpecker aufwächst. Die Priesterin weiß: Er ist der prophezeite Sohn der hundert Könige, ein Verteidiger des Landes und Erbe alter atlantischer Magie. Eines Tages wird er sein Geburtsrecht einfordern und für die Britischen Inseln eine wichtige Rolle spielen. Sie ahnt allerdings nicht, welche Rolle ihr Schützling im Leben ihrer eigenen Tochter Tirilan spielen soll. Die soll in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und die nächste Hohepriesterin von Avalon werden. Tirilan und Woodpecker verlieben sich jedoch und träumen von einer eigenen kleinen Familie ohne Verpflichtungen.
Die Hoffnungen von Mutter und Tochter werden jäh zerstört, als Woodpeckers Erzfeind ihn eines Tages doch aufspürt und ihn als Sklaven ins ferne Griechenland verkauft. Dort lernt er Prinz Velantos kennen, einen Meister der Schmiedekunst. Gemeinsam schlagen sich die beiden ungleichen Gefährten nach Nordeuropa durch. Ein paar Jahre leben sie an der Küste der Nordsee, wo Woodpecker zum Krieger ausgebildet wird. Dann reisen beide nach Britannien. Zusammen mit den Priesterinnen von Avalon nehmen sie den Kampf gegen den Ursurpatoren und fordern Woodpeckers Geburtsrecht zurück. Es ist ein Kräftemessen, das sie Anderles Visionen zufolge nur gewinnen können, wenn es einem Meisterschmied gelingt, aus einem vom Himmel gefallenen Stern ein Schwert zu schmieden, wie es zuvor noch keines gegeben hat …
Faszinierendes Setting
In „Das Schwert von Avalon“ spielt Diana Paxson ihre Stärken als Schriftstellerin voll aus: Ihre historischen Fachkenntnisse sowie ihr Gespür für vorchristliche Religionen und Gesellschaftsstrukturen erlauben es ihr, einen spannenden Roman zu erschaffen, dessen Sittengemälde atmosphärisch überzeugt: Die Bronzezeit neigt sich ihrem Ende zu. Erst vor wenigen Jahren sind die mächtigen Mauern der Stadt Troia gefallen. Die Adler Roms werden noch lange nicht den Boden Albions betreten, zahlreiche Stämme haben die Insel in verschiedene Territorien aufgeteilt. Sie werden von weiblichen Oberhäuptern regiert. Es sind die Königinnen, die die Geschicke des Landes lenken und ihren königlichen Gefährten wählen. Die vorherrschende religiöse Macht liegt in den Händen der Priesterin von Avalon.
Den Roman in diese Epoche zu verorten ist ein geschickter Schachzug. Er erlaubt es Paxson, Bezüge zu mehreren wichtigen Romanen von Marion Zimmer Bradley herzustellen und dadurch die typische MZB-Atmosphäre aufzubauen: Die Rede ist von Das Licht von Atlantis, die Avalon-Romane und Die Feuer von Troia. In “Das Schwert von Avalon” wird klar, welche Bedeutung die religiösen Rituale und Glaubensvorstellung der Flüchtlinge von Atlantis für die Priesterschaft von Avalon haben. Obwohl das Buch in erster Linie eine spannende Geschichte erzählt (bis auf einen kleinen Durchhänger zu Beginn des zweiten Drittels), sind es die mit viel Liebe zum Detail geschilderten Szenen mystischer Rituale, die dem Roman seinen unverkennbaren Flair verleihen: Sei es, wenn die Hohepriesterin von Avalon in der dunkelsten Nacht des Jahres gemeinsam mit anderen Priesterinnen die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits begleitet; sei es, wenn eine Gruppe Kinder heimlich jenes Stückchen Sumpfland erforscht, auf der Artus Jahrhunderte später den Königshirsch töten wird …
Keine Angst vor Über-Frauen!
Es sind jedoch keine Über-Frauen, die die Handlung beherrschen, sondern glaubhafte Charaktere – und ebenso glaubhafte Männercharaktere spielen eine nicht minder bedeutsame Rolle.
Es ist erfreulich, dass Anderle eine ganz andere Hohepriesterin ist, als wir sie ihr sonst in den Avalon-Romanen begegnen. Sie ist keine 18 Jahre alt, als sie ihr Amt antritt. Das macht sie zu einer impulsiveren Hohepriesterin, als man das sonst gewohnt ist – und zu einer sehr sympathischen. Auch wenn der Roman nach dem ersten Drittel einen Zeitsprung macht und uns Anderle älter und gereifter begegnet, ist sie dank ihrer mutigen, selbtbewussten Art die faszinierendste Figur des Romans. Ihre Tochter Tirilan hingegen grenzt sich dadurch zu anderen Frauenfiguren aus den Avalon-Romanen ab, dass sie von einem bodenständigeren Leben träumt.
Die beiden zentralen Männerfiguren – Woodpecker und Valentos – machen ebenso wie ihre weiblichen Konterparts im Verlauf des Romans eine Entwicklung durch. Woodpecker wird vom ungestümen jungen Krieger zum strategischen Anführer, Valentos vom gefallenen Prinzen zum selbstlosen Märtyrer.
Ihrer aller Schicksal bewegt den Leser. Hanne Hammer, meines Wissens erstmals Übersetzerin eines Bradley- oder Paxson-Romans, beweist stilistisches Gespür. Die deutsche Fassung liest sich flüssig. Zwar verwundert es mich ein bisschen, weshalb sie beispielsweise den Spitznamen Woodpecker nicht übersetzt hat, aber das stört eigentlich nicht weiter.
Fazit:
Auch wer von den zuletzt erschienenen Büchern des Zyklus enttäuscht war, sollte dem neuen Roman unbedingt eine Chance geben. Meiner Meinung nach ist “Das Schwert von Avalon” einer der besten Romane der Reihe; er hat mir ähnlich gut gefallen wie “Die Wälder von Albion”, meinem Lieblings-Avalon-Roman nach dem unerreichbaren Meisterwerk “Die Nebel von Avalon”.
Fakten:
Titel: Das Schwert von Avalon
Autorin: Diana L. Paxson
Originaltitel: Sword of Avalon
Übersetzung: Hanne Hammer
Verlag: Diana Verlag
Aufmachung: Hardcover mit Schutzumschlag, 591 Seiten
Preis: 21,99 €
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Ich mochte die drei Bücher von Bradley sehr, die von Paxson dagegen alle nicht, darum habe ich auch irgendwann aufgehört die Doppelnamen-Romane zu lesen.
Kommentar by Soleil — 15. September 2010 @ 08:59
Dann würd’ mich ja mal interessieren, wie dir zum Beispiel “Die Wälder von Albion” gefallen hat … ? Da steht nämlich auch Marion Zimmer Bradley auf dem Cover, ein Großteil hat aber tatsächlich Diana L. Paxson geschrieben.
Kennst Du von Paxson “Die Keltenkönigin”? Den fand ich sehr gut!
Kommentar by Darkstar — 15. September 2010 @ 09:53
Das Buch wandert sofort auf meine Wunschliste :-)
Kommentar by Melanie — 15. September 2010 @ 11:49
Ich kann mich, beim Lesen des Klappentextes, ehrlich gesagt nicht mehr an das Buch erinnern. Es ist einfach zu lange her, dass ich das gelesen habe.
Ich mag aber die Zeit der Römer generell nicht so gerne, auch bei Historicals. Außerdem habe ich (ich komme mir grad alt vor) irgendwann eine Abneigung gegen den Namen entwickelt und weiß, dass ich wissentlich kein Buch von ihr lesen würde. Wie und warum könnte ich heute nicht mehr sagen. Ich weiß nur noch, dass ich nach den drei Büchern mehr davon lesen wollte und dann eben die dazugehörigen, die es damals gab, gelesen habe. Frag nicht nach Titeln ;)
Kommentar by Soleil — 15. September 2010 @ 15:48