Darkstars Fantasy News


30. Januar 2011

Alex Bell: Jasmyn

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 19:14

Alex Bell: JasmynUnd vom Himmel fielen schwarze Schwäne …

In dem Moment, in dem der Sarg mit ihrem toten Ehemann ins Grab hinab gelassen wird, fallen fünf tote schwarze Schwäne vom Himmel. Zunächst glaubt Jasmyn, ihr Verstand spiele ihr einen Streich, weil die nagende Trauer sie – wieder einmal – überwältigt hat. Doch auch die anderen Trauergäste sehen die toten Schwäne. Und dann sind da noch all die anderen, unerklärlichen Dinge, die plötzlich geschehen: Die Eltern ihres Ehemanns möchten nichts mehr mit ihr zu tun haben, ihr Gesicht auf ihrem Hochzeitsfoto verwandelt sich in eine schreckliche Fratze, ihr Haus wird verwüstet und Jasmyn sieht in Visionen immer wieder bleche Menschenknochen und Rosen, die zu Staub zerfallen, wenn sie sie berührt. Etwas Unheimliches geht um sie herum vor, und der einzige, der ihr vielleicht Antworten liefern könnte, ist Ben, der Bruder ihres verstorbenen Ehemanns. Doch der lebt in Deutschland und weigert sich, mit Jasmyn zu sprechen. Doch die junge Frau gibt nicht so schnell auf. Und während sie dann doch noch gemeinsam mit Ben versucht zu ergründen, was vor sich gibt, stolpert sie immer tiefer hinein in eine Welt, in der es schwarze Magie, verzauberte Schwäne und Feenflüche tatsächlich gibt. In den Waldern um Schloss Neuschwanstein herum und tief in den Katakomben von Paris muss Jasmyn schließlich erkennen, dass sie ihren Mann nie richtig kennen gelernt hat …

Vom Märchenkönig und einem verzauberten See

Jasmyn“ von Alex Bell ist ein ungewöhnlicher Roman. Er verknüpft altdeutsche Märchen- und Sagenmotive zu einer Urban Fantasy-Geschichte, die weitaus bodenständiger ist als die sonst üblichen Vertreter dieses Genres. Man könnte auch sagen, die Handlung ist mehr magischer Realismus mit Märchenelementen als Urban Fantasy. Die Handlung ist stark im Hier und Jetzt verwurzelt, wer hier blutige Kämpfe zwischen Vampiren und Werwölfen erwartet, liegt völlig falsch. Stattdessen nutzt Alex Bell die Mythen, die sich um den deutschen Märchenkönig Ludwig ranken, die Atmosphäre, die von Neuschwanstein ausgeht und Motive diverser Schwanensagen, um die traurige Geschichte einer jungen Frau zu erzählen. Am ehesten kann man „Jasmyn“ mit den Romanen von Claudia Toman vergleichen (siehe hier), wenn Alex Bells Roman allerdings eher ein tragisches Märchen ist und ohne Slapstick-Elemente daher kommt.

Unspektakulärer Stil

Was sich in der Inhaltsangabe gut liest, überzeugt allerdings leider nur bedingt. Die Story ist durchaus spannend, überwiegend logisch und hält den Leser bei der Stange. Irgendwie will es der Autorin aber nicht gelingen, die rechte Atmosphäre aufzubauen. Jasmyn hat immer wieder unglaubliche surrealistische Erlebnisse, die – aus der Distanz betrachtet – durchaus etwas malerisches, manchmal auch etwas alptraumhaftes haben: ob es sich nun um Geisterpferde handelt, ein Arrangement aus Knochenschädeln auf ihrem Bett oder eine Figur, die vor ihren Augen zum Leben erwacht: Alex Bell beschreibt diese Szenen so unspektakulär, dass sie ganz gewöhnlich wirken. Sie verströmen keinen Zauber. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass ein anderer Autor wesentlich mehr aus diesen Sequenzen heraus geholt hätte. Die Anlagen zum großen Kopfkino sind da, die Szenen selbst jedoch haben dann eher Daily Soap-Niveau. (Das das Buch im englischen Original von sämtlichen Kritiken Lob für die Schreibe einheimst, stellt sich mir die Frage, ob die mäßige Atmosphäre der Übersetzung anzulasten ist. Interessant jedoch immerhin die Details, die man im Verlauf des Romans über den Bau des Schlosses Neuschwanstein, den Tod von König Ludwig und das Anlegen der Katakomben unter Paris erfährt.

Was das Besuch besonders macht

Was mich allerdings sehr nachhaltig beeindruckt ist die extrem authentische und echte Art, mit der Alex Bell Jasmyns Trauer beschreibt. Hier wirkt nichts gekünstelt. Schonungslos schreibt die Autorin, wie ihre Hauptfigur versucht, mit dem lähmenden und schrecklichen Gefühl des Verlusts eines geliebten Menschen umzugehen versucht; wie der Schmerz und die Trauer, die mit diesem Verlust einhergehen, einen immer wieder einholt. Das adelt denn sonst leider nur recht durchschnittlichen Roman. Da dieses Element jedoch im Verlauf des Romans zugunsten des Actionplots in den Hintergrund rückt, kann man den Roman schlussendlich auch nicht als „Trauerbewältigungs“-Lektüre empfehlen.

Fazit

Alles in allem ist „Jasmyn“ ein netter Roman für Zwischendurch, der abgesehen von der wirklich extrem gelungenen Charakterisierung seiner Hauptfigur jedoch aufgrund der eher unspektakulären Schreibe von Bell hinter den an ihn gestellten Erwartungen zurückbleibt. Wer märchenhafte Urban Fantasy mag, kann gern einen Blick hinein werfen, sollte aber nicht zu viel erwarten.

“Jasmyn” erscheint am 1. Februar 2011 auf Deutsch.

Den Roman bei Amazon bestellen: hier!

Kleine unbedeutende, aber amüsante Sidenote:

Im Verlauf des Romans steigt Jasmyn in München im Hotel Deutsche Eiche ab. Nun weiß ich nicht, ob es vielleicht zahlreiche Hotels mit diesem Namen in München gibt, aber das einzige, das mir sofort eingefallen ist (und das man auch bei Google ganz prominent findet), ist der – Zitat – “traditionsreiche Treffpunkt der schwul-lesbischen Szene”.
Falls die Gerüchte stimmen, dass Alex Bell die Orte ihres Romans alle zu Recherchezwecken besucht hat, muss ihr irgendwas entgangen sein. Sonst hätte sie Jasmyn doch sicher nicht hier eingemietet, oder?
*g*

Tags:

Ein Kommentar »

  1. Hallo Darkstar,

    ich bin ja überrascht, dass der Roman insgesamt nicht so gut angekommen ist, wie er mir gefallen hat, denn normalerweise bin ich nicht so schnell begeistert, doch “Jasmyn” war für mich eine sehr flüssiger Unterhaltung, die insgesamt und schlussendlich 4,5 Sterne bekommen hat. Authentisch, unterhaltsam, verträumt und nicht “too much”. Mir hats super gut gefallen. :o)

    Liebe Grüße,
    Marie

    Kommentar by Angelika / Marie — 12. Mai 2011 @ 10:14

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

XHTML ( You can use these tags): <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong> .