Darkstars Fantasy News


22. März 2011

Was ist das Wörterbuch des Viktor Vau
Ein Gastbeitrag von Gerd Ruebenstrunk

Category: News – Darkstar – 07:00

Das Wörterbuch des Viktor VauIch liebe Rezensionen; aber natürlich bietet eine Blogtour den Lesern die Möglichkeit, ein Buch nicht nur aus Sicht des Rezensenten kennenzulernen, sondern auch aus der Sicht des Autors.

Deshalb starte ich die Blogtour mit Gerd Ruebenstrunk nicht mit meiner eigenen Rezension zum Buch, sondern begrüße den Autor als Gast-Blogger, der heute selbst ausführlich ein bisschen über seinen Roman erzählt:

Ein paar Worte zum Wörterbuch des Viktor Vau – Gastbeitrag von Gerd Ruebenstrunk 

“Das Wörterbuch des Viktor Vau” ist ein Roman über Moral, über unsere Gesellschaft und über zwei große Themen: künstliche Sprachen und den Kampf der Gehirnhälften.

Seit mehreren Hundert Jahren erfinden Menschen aus den verschiedensten Gründen neue Sprachen. Was zunächst vielleicht ungewöhnlich erscheint, ist es nicht: Hergé beispielsweise hat für die Tim & Struppi-Geschichte “König Ottokars Szepter” die Sprache Syldawisch erfunden, und etliche Science-Fiction- oder Fantasy-Autoren entwickeln Sprachen für ihre Welten, die manchmal Rückwirkungen haben auf unsere Realität, wie das Beispiel Klingonisch beweist.

Das bekannteste Beispiel einer Kunst- oder Plansprache ist wohl Esperanto. Sein Schöpfer wollte damit eine Sprache schaffen, die einfach ist und leicht von Menschen überall auf der Welt gelernt werden kann. Die Idee setzte sich zwar nicht durch, aber heute noch gibt es Tausende von Esperanto-Anhängern, die sich zu Kongressen treffen, Bücher in Esperanto übersetzen und für ihre Sprache werben.

Viktor Vau verfolgt ein ehrgeizigeres Ziel: Seine Sprache soll nicht nur universell sein, sie soll auch vollständig und exakt sein. Er will nicht weniger, als die gesamte Realität klassifizieren und in Begriffen abbilden. Seiner Meinung nach werden dadurch Missverständnisse ausgeschaltet und jeder weiß sofort und eindeutig, wovon die Rede ist.

Damit steht er in einer philosophischen Tradition, zu der auch bekannte Namen wie Leibniz zählen. Einer Tradition des Scheiterns allerdings, denn, wie es Jorge Luis Borges ausdrückt: “Bekanntlich existiert keine Klassifikation des Universums, die nicht willkürlich und mutmaßlich wäre. Aus einem sehr einfachen Grund: Wir wissen nicht, was das Universum ist.”

Viktor Vaus Scheitern ist aber viel dramatischer. Denn ihm gelingt tatsächlich das, was andere vor ihm vergeblich versucht haben. Nur hat er, so wenig wie sie, die Folgen vorhergesehen, die eine solche perfekte Sprache mit sich bringt.

Gerd Ruebenstrunk zeigt uns eine Seite aus dem wahren Wörterbuch des Viktor Vau! Man, das nenne ich Plan-Arbeit!Das zweite Thema ist die Verschiedenheit der beiden Gehirnhälften. Jeder von uns trägt zwei Welten in seinem Kopf mit sich herum. Und da geht es nicht nur um den häufig genannten Unterschied zwischen Logik und Kreativität, sondern um etwas viel Bedrohlicheres. Zwischen den beiden Hemisphären tobt seit Jahrtausenden ein Krieg, und weil er sich zugunsten der linken Hälfte zu entscheiden droht, sind wir alle die Leidtragenden.

Viktor Vau steht prototypisch für die linke Hemisphäre. Er hat sich eine eigene, fast hermetisch von der Außenwelt abgegrenzte Welt aufgebaut. Doch dann bricht das Leben mit geballter Macht in seine kleine Welt ein und zerstört sie für immer. Und Viktor wird mit drei Herausforderungen zugleich konfrontiert: den verdrängten Schatten seiner Vergangenheit, der ungeschminkten Wirklichkeit der Gegenwart und den Visionen einer furchtbaren Zukunft.

Die Geschichte ist in einer nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt, die allerdings gar nicht so weit von uns entfernt ist, denn ich habe nur Entwicklungen weitergedacht, die sich heute beobachten lassen. Auch wenn Zeitreisende vorkommen, ist es keine Science-Fiction, denn die “Science” interessiert mich dabei nicht wirklich, sondern ist eher ein Vehikel, um eine mögliche Version der Gegenwart mit fantastischen Elementen anzureichern.

“Das Wörterbuch des Viktor Vau” ist auch ein Roman über die Schwierigkeit (wenn nicht sogar die Unmöglichkeit) moralischen Handelns in einer komplexen Welt. Nahezu jede der Haupt- und Nebenpersonen trifft Entscheidungen, die dem zuwiderlaufen, was wir als “ehrlich” und “anständig” zu etikettieren pflegen.

Um diese Vielfalt zwischen zwei Buchdeckel zu bannen, besteht der Roman aus unterschiedlichen Handlungssträngen, die immer enger miteinander verwoben werden. Ob Serienmörder oder korrupter afrikanischer Potentat, ob Zeitreisender oder anarchistischer Bombenwerfer, ob Geheimdienstchef oder Mietsöldner – sie alle spielen eine Rolle in dem Drama um Viktor Vau, und sie alle müssen irgendwann Stellung beziehen. Wie diese Stellungnahmen moralisch zu beurteilen sind, das überlasse ich allerdings dem Leser.

(c) Gerd Ruebenstrunk

Die Website von Gerd Ruebenstrunk findet ihr hier!

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Ein Kommentar »

  1. […] den Nerv der Zeit trifft. Die durchaus anspruchsvolle Thematik – siehe auch Gerd Ruebenstrunks Gastblog-Beitrag von Anfang der Woche – verarbeitet der Autor in einem gefälligen Thrillerplot, der er […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Gerd Ruebenstrunk: Das Wörterbuch des Viktor Vau | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 27. März 2011 @ 07:01

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