Die Nacht, in der Tamnis Stamm ausgelöscht wurde, begann mit einem Fest. Die Jungen tanzten um das Feuer und wirbelten ihr Haar umher, Schellenkränze um die Knöchel …
Als Kind überlebt der junge Steppenreiter Teriasch auf wundersame Weise einen brutalen Überfall auf seinen Stamm. Er wird zum Waisen, doch eine Schamanin nimmt sich seiner an und zieht ihn wie einen eigenen Sohn groß – wohl wissend, dass die Geister großes mit dem Jungen vorhaben. Als junger Mann fällt Teriasch jedoch Sklavenhändlern des Dominums in die Hände. Sie bringen den „Wilden“ in die Hauptstadt des imperialen Reiches und verschachern ihn an die Arena.
Durch die Hilfe des draufgängerischen Halblings Rukabo und aufgrund seiner mysteriösen Gabe, die Emotionen von Tieren zu beeinflussen, gelingt es ihm, seinen ersten Gladiatorenkampf gegen einen schier übermächtigen Gegner zu überleben. Das wiederum bringt ihm die Aufmerksamkeit der Lieblingstochter des imperialen Herrschers ein und ein ungewöhnliches, heimliches Bündnis wird geschmiedet, das das Dominium in seinen Grundfesten erschüttern soll …
Nach Heldenwinter siedelt Jonas Wolf mit Heldenzorn einen zweiten Roman in der phantastischen Welt Skaldat an – und macht dabei deutlich klar, dass diese Welt größer und facettenreicher ist, als das Leser von Heldenwinter vermutet hätten. Die Geschichte des neuen Buches spielt nicht vor einem klassisch nordisch-phantastischen Hintergrund, sondern in den Weiten der Steppe, die von einem Naturvolk bewohnt werden, und einem dekadenten, vom antiken Rom inspirierten Imperium. Ein Setting also, das sich nicht nur vom Vorgängerroman, sondern auch wohltuend von der Masse der gängigen Genrekost abhebt.
Wolf gelingt es gut, die fremde Welt der Steppenreiter und des Dominiums zu beschreiben. Unaufdringlich und durch zahlreiche Details bringt er uns diese Welt näher, und ein Großteil des Romans lebt von der Inszenierung dieses Settings. Gerade auf den ersten 150 Seiten hat man das Gefühl, dass für den Autor der Weltenbau im Vordergrund steht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Geschichte fad und belanglos daher kommen würde. Wolf nimmt sich einfach viel Zeit, diese aufzubauen. Wie in Heldenwinter folgt er klassischen Motiven, ohne diese jedoch einfach zu kopieren. Laut Nachwort sind Dune, Spartacus und Der letzte Mohikaner die DNA seines neuen Romans. Für mich beschreiben vor allem die letzten beiden Titel sehr gut die Atmosphäre von Heldenzorn – dessen Coverbild übrigens meines Erachtens etwas ganz anderes suggeriert als tatsächlich zwischen den Buchdeckeln steckt. Auch die mittlerweile offenbar obligatorische Referenz zu Tolkien ist etwas irreführend: der Halbling Rukabo spielt zwar eine wichtige Rolle im Roman, sonstige Parallelen sind aber nicht augenscheinlich.
Und das hat Heldenzorn auch gar nicht nötig: Teriasch ist ein für das Fantasysetting angenehm ungewöhnlicher Held, kein großer Krieger, sondern wirklich ein “Wilder”, der sich im dekadenten Zentrum des Dominiums erst zu recht finden muss. Rukabo ist ein gerissenes Schlitzohr mit flinken Fingern und einer großen Klappe und Prinzessin Nesca und ihre Leibwächterin vom geheimnisvollen Frauenorden der Scharlachroten Rosen vervollständigen ein ungewöhnliches Heldenquartett, dessen Mitglieder jeder für sich eigene Ziele verfolgt, und die doch als Schicksalsgemeinschaft zusammen mehr sind als die Summe ihrer Teile.
Die Handlung selbst ist wesentlich geradliniger und direkter als Heldenwinter, in dem Geschichten innerhalb von Geschichten eine große Rolle spielten. Der archaische Ton, der der Geschichte anhaftet, sowie die ungewöhnlichen Monster – Flugechsen, Drachen, Löwen und Elefanten (auch wenn sie nicht alle so genannt werden) – verleihen Heldenzorn zudem einen Touch Conan-Atmosphäre. Wer dafür etwas übrig hat, kommt in Jonas Wolf zweitem Skaldat-Roman sicher auf seine Kosten.
Fakten:
Titel: Heldenzorn
Autorin: Jonas Wolf
Reihe: Die Welt von Skaldat (2)
Aufmachung: Taschenbuch, 381Seiten
Verlag: Piper
Preis: 12,99 €