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27. März 2013

Justin Cronin: Die Zwölf

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 07:07

Cronin: Die ZwölfAlle Jahre wieder gelingt es einem Buch ein ausgelaugtes Genre mit neuem Leben zu erfüllen. Nach zahllosen Vampir-Schmonzetten und gut gemeinten Reinfällen wie Die Saat, war Justin Cronins “Der Übergang” die Überraschung der Blut- und Reißzahn Literatur. Intelligent, mitreißend und düster erschuf der Roman eine Welt, die den Leser mit jeder Seite tiefer in ihren Bann zog.

Spätestens am Ende von “Die Zwölf” ist dieser Bann gebrochen.

Vampire ohne Biss!

Die langerwartete Fortsetzung von Justin Cronins Roman “Der Übergang” kann leider nicht an den Nervenkitzel des ersten Bands anknüpfen. Vielleicht liegt es daran, dass meine Erwartungen nach dem starken Auftakt zu hoch waren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich Cronins zweiter Roman nicht entscheiden kann, ob er Fisch oder Fleisch sein will.

Ein Horror-Roman ohne Horror, eine Weltuntergangsgeschichte, in der die Welt nicht untergeht, ein Vampirreißer, in dem die Vampire durch Abwesenheit glänzen: “Die Zwölf” ist das literarische Äquivalent zu knapp daneben ist auch vorbei.

Der zweite Teil von Cronins Trilogie geht zunächst zurück zum Anfang und erzählt den Ausbruch der Viralen aus dem Blickwinkel neuer Figuren. Nach Kapitel III katapultiert uns ein Zeitsprung in die Gegenwart des Romans. Hier treffen wir auf alte Bekannte, die sich in ihrer schönen neuen Welt mal besser, mal schlechter zurechtfinden. Peter wird aus der Armee geworfen, Licia verdingt sich als Kundschafterin, Michael arbeitet in der Ölraffinerie während seine Schwester in Gefangenschaft lebt. Dass Susan noch atmet, überrascht nicht wirklich. Dass die Hauptpersonen des ersten Bandes in der Fortsetzung zu hölzernen Marionetten mutieren, überrascht dagegen sehr.

Die Figuren, die wir im ersten Band kennen und lieben gelernt haben, verblassen in der Fortsetzung zu platten Klischees ohne nennenswerte Entwicklung. Besonders schade ist es um Amy, das Mädchen aus dem Nirgendwo. Ein hundertjähriges Wesen, gefangen im Körper eines Teenagers – die Idee hat Potential. Wie findet sich so eine Person in der Welt der Kurzlebigen zurecht? Hat sie Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen? Hadert sie mit ihrem Schicksal? Leider stellt das Buch diese Fragen nicht, sondern zeigt uns Amy als angepassten, in sich ruhenden Messias (mit ZWÖLF Aposteln – für diejenigen, die es trotz der Holzhammersymbolik noch nicht verstanden haben).

Da die Entwicklung der Figuren uns nicht fesselt, sollte uns der Plot bei der Stange halten aber auch das misslingt. Die Handlung des Romans bleibt langatmig und vorhersehbar, die Spannung fällt flach und die Tricks, die uns im Dunkeln lassen sollen, sind so durchschaubar, das man sich fast schon ein bisschen bevormundet fühlt.

Besonders frustrierend: Die im Titel genannten Zwölf tauchen bis zum Buchende nicht auf. Ab und zu wird erwähnt, dass diese patientszero bedrohlich sind, aber die Jagd nach ihnen degradiert zur Nebensache. Stattdessen dreht sich der Roman um Internierungscamps, in denen stereotype Bösewichte tumbe Untervampire mit widerspenstigen Menschen füttern. Warum eigentlich? Das wird nicht erklärt. Genausowenig erfahren wir, wann und wie die neue Nummer Zwölf unter den Viralen rekrutiert wurde.

Man fragt sich, warum Cronin sich nicht eingehender mit seinen Vampiren beschäftigt hat. Vielleicht schämt er sich, mit einem Genre-Roman Erfolg zu haben – und der ist, wenn man den Schätzungen im Internet glauben darf, finanziell nicht unerheblich. Jedenfalls erinnert das Buch gerne daran, dass der Autor einen Universitätsabschluss hat. Das geht soweit, dass eine der Randfiguren fünf Sekunden vor der Selbstverbrennung noch schnell ein Dickinson Gedicht zitiert. Sogar für die Beschreibung einer tagelangen Vergewaltigung findet Cronin poetische Worte. Es fehlt nur, dass das Vergewaltigungsopfer am Ende des Romans ein Sonett über ihre traumatischen Erfahrungen verfasst. Natürlich in der italienischen Originalform mit zwei Quartetten und zwei Terzetten. Shakespeare kann ja jeder.

Schade eigentlich, denn das Buch hat durchaus starke Momente. Besonders die ersten Kapitel um das Feld und die Flucht aus Denver verbreiten eine Gänsehautatmosphäre, die man getrost mit Stephen Kings “The Stand” vergleichen kann. Leider hält der Roman die straffe Erzählung nicht durch und verzettelt sich auf rund achthundert Seiten in Nebenhandlungen und Charakterperspektiven, die am Ende keine wirkliche Bedeutung haben. Manchmal ist weniger eben doch mehr.

Fazit: Die Vampirjäger in Cronins Buch brauchen keinen Knoblauch, sie brauchen einen fähigen Lektor!

Wer das Buch trotzdem kaufen möchte, kann das hier tun!

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