Darkstars Fantasy News


9. August 2015

Terry Pratchett: Die Teppichvölker (HC Ausgabe)

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 14:37

TeppichvölkerBeim Piper-Verlag ist im November letzten Jahres eine von Pratchett selbst illustrierte und mit Bonusmaterial ausgestattete Version seines allerersten Buches erschienen.

Kaufen bei Amazon

Gastrezensentin Key hat “Die Teppichvölker” jetzt für uns unter die Lupe genommen. Können die Winzlinge mit den Bewohnern der Scheibenwelt mithalten?

„Es gibt keine absolute Sicherheit.“

Ist die Key ein ausgemachter Pratchett-Fan? Nein. Wenn ich ehrlich bin, wir haben hier einiges von ihm, darunter Nanny Oggs Kochbuch, den Comic Mort und andere Bücher verschiedenster Auflagen. Natürlich diese originalen mit den ‚Wuselbildern‘ als Cover. Aber ich habe nicht alle gelesen und von denen, die ich gelesen habe, habe ich auch nicht alle für super-mega-oberklasse befunden.

Nach den Teppichvölkern habe ich mir allerdings die Finger geleckt und das hat nicht damit zu tun, dass der ‚Großmeister‘ jüngst verstorben ist. Ja, doch, ich nehme an, dieser Titel steht einem Autor wie ihm durchaus zu. Er hatte es wirklich drauf. Dieses gebundene Werk sieht viel fetter aus, als es in Wirklichkeit ist. Die einzelnen Seiten sind sehr dick, es gibt diverses Bonusmaterial und zusätzlich wird der Band noch gestreckt durch farbige Illustrationen aus der Hand des Meisters selbst. Die Neuauflage der “Carpet People” (1971) beinhaltet die überarbeitete Version mitsamt Vorwort des Autors, in dem er erklärt, warum er sein Debütwerk noch einmal nachbearbeitet hat (1994).

Leider habe ich keinen Vergleich zum Erstlingswerk; ich finde auch nicht, dass man irgendwie Schnittstellen erkennen kann innerhalb des Schreibstils. Es ist und bleibt eine phantasievolle Geschichte. Und sie spielt nicht auf der Scheibenwelt – oder vielleicht doch? Wer weiß schon, wo dieser Teppich liegt! Die wenigen Erkenntnisse, die die Winzlinge haben (ich finde das übrigens aus irgendeinem Grund super komisch, dass es unter den Winzlingen die im Teppich leben auch noch ‚Zwerge‘ gibt!) belaufen sich auf den Raum, den sie bewohnen. Unweigerlich frage ich mich, welcher Teppich das damals war, den der jugendliche Terry anstarrte, vor und auf dem er hockte und darüber nachsann wo in welchem Fadenwerk welches seiner kleinen für das menschliche Auge unsichtbare Volk lebt. Wir wissen nur, dass eine Richtung zum Kamin hin ausgerichtet ist und ein Teil an die Wand grenzt.

„(…) die Geschichte wird von den Lebenden geschrieben.“ 

Innerhalb dieses Mikrokosmos begleiten wir Snibril, den jüngerer Bruder des Anführers Glurk eines der im Teppich beheimateten Völkchen: Munrungs, deren Dorf vor Kurzem vom großen ‚Scheuerer‘ getroffen worden ist und nun von wilden Snargs angegriffen wird. Damit aber nicht genug, neuerdings reiten auf diesen arglistigen Tieren auch noch wildere Wesen: die Moule! Das ganze Volk macht sich auf eine sichere Zuflucht zu suchen. Snibril ist unter den seinen schon als klug zu bezeichnen und würde einen guten Anführer abgeben, oder einen guten Schamanen, sowie Pismire. In der kurzen Reisezeit trifft die Wagenkolonne auf ein weiteres merkwürdiges Wesen, welches jeden, der es erblickt in Stein verwandelt. Snibril trickst es aus und befreit einen König der Deftmenen, der in Stein verwandelt gewesen war. Brocando läd das Volk zum Dank für seine Rettung in sein Reich ein. Mit im Troß Bane, der dem König verfeindete verstoßene General des Volkes der ach so fairen Dumii. In so einem Teppich scheint ja wirklich allerhand los zu sein.

Pratchetts Vorstellungskraft scheint schon immer sehr groß gewesen zu sein. Neben scheinbar normalen Ziegen und Schweinen, gibt es Ponen, die Schlauen, Staubbüsche, Flusenblumen und unglaublich viel anderes Zeug. Und durch die Bebilderung ist eines klar: dies sind keine Namen für Kellerasseln und Amöben und Flöhe, nein, alles gänzlich frei erfundene Flora und Fauna. Allein die doch recht putzig aussehenden haarigen Bewohner der Mini-Völkchen sind mit kaum etwas zu vergleichen. Vielleicht ein klein wenig wie Höhlenmenschen, oder – kennt ihr noch “Es war einmal …” (das Leben, die Geschichte, usw?) – irgendwie muss ich da immer an den alten Weißhaarigen denken, wenn ich mir Glurk, Snibril und Bane vorstelle – nur eben noch mit kürzerem, borstigerem und braunerem Haarbewuchs.

„On Epen Ny“

Aber zurück zum Teppich an sich. Der ist nämlich mehrfarbig. Es gibt violette, rote, orangene, schwarze und andere Bereiche. Ja, sogar welche, in denen ’Schotter’ liegt oder ein Stuhlbein aufragt, gar ein Streichholz liegt in den Tiefen herum. Es scheint sich um einen recht hochflorigen Teppich zu handeln, der schon ziemlich lange dort liegt. Ja, die Winzlinge haben sogar riesige Buchstaben gefunden: „I ZABETH II“ (S.119)

Die einen sind verrückt, die anderen zu vorsichtig und daher auf eine gewisse Art und Weise still wahnsinnig. Die Teppichvölker sind ein Spiegel der echten Weltgeschichte.

Stilistisch geht es ein wenig unordentlich zu. Es gibt gewisse … *beide Zeigefinger und Daumenspitzen gegeneinander reib* Feinheiten, die man bei Pratchett gewohnt ist. Diese Spitzfindigkeiten, für die ich den Autor schätze, Bsp: „Die beste denkbare Zukunft ist die, die man sich selbst schafft.“ (S. 223) Doch das Vorweggreifen wirkt manchmal, als ob der Erzähler der Geschichte nicht vor hätte weiter zu berichten. Zum Beispiel vor einer Schlacht den Ausgang vorwegzunehmen. Oder erst eine dicke Überraschung zu platzieren und danach die Thunorg Culaina zu Wort kommen zu lassen, die aus all den Möglichkeiten der Niederlage der Kämpfe jene pickt, die bei einer Chance von Eins zu einer Million vielleicht doch noch etwas ändern könnte. Nur, dass da die Überraschung schon eingetreten war für den Leser. Für den Spannungsbogen wäre es schöner gewesen, diese Möglichkeiten nach dieser Sequenz anzubieten, selbst wenn die Damen in diesem Moment dann gar nicht DAS Zünglein an der Waage wären. Kann man mich verstehen?

Fazit:

Tja, hätte jemand vor langer Zeit mit einem Zauber eine ganze Stadt „Liebling ich habe die Kinder geschrumpft“ gespielt, hätten diese Geschrumpften sich im Teppich angesiedelt und überlebt und sich vermehrt, so wie in dieser Geschichte würde das dann aussehen, vermutlich.

Es steckt unglaublich viel Wahrheit, in gewisserweise Weisheit in dieser kleinen kriegerischen Auseinandersetzung, in der dennoch viel Platz für Charakterentwicklung und Witz ist. Eine komprimierte, ja, minimalistische Erörterung. Ein protokollartiges Dokument nach der Schlacht. Wie jenes, das ich gerade für ein LARP angefertigt habe. Ich frage mich bei all dem nur, sind diese weisen Worte über den Einfluß von Geld, der Nicht-Krieg, die Alternativ-Szenarien und all die kleinen versteckten Moralschübe vom jungen Pratchett? War er schon damals so weitsichtig, oder sind genau das die Nachbearbeitungen, die er im Vorwort gemeint hatte?

Auch sehr schmackhaft die abgedruckten Archivaufzeichnungen der Episodeneschichte wie sie 1965 in der ‚Bucks Free Press‘ abgedruckt war. Inklusive ein paar weiteren Worten zum Autor und dem Teppichvolk. Geschichten, die anders verlaufen als die Hauptgeschichte aber dieselben Personen beinhalten. Und danach über das große Linoleum zum weit entfernt liegenden “Läufer” führen.

Das ist alles sehr vage, aber unglaublich schön zusammengestellt, frei weg bedient aus der irdischen Historie.

Dieses Buch ziert eine Pratchett-Sammlung. Aber das Beste ist es nun wirklich nicht. Auf der anderen Seite hat es mir den Autor unglaublich sympathisch erscheinen lassen, jetzt bin ich irgendwie froh, noch ein paar Bücher von ihm zu haben, die ich noch lesen kann.

Ein: ‚Und was ist mit Gurken?‘– Urteil: Mitnehmen. 4Punkte

Kaufen bei Amazon

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. | TrackBack URI

Leave a comment

XHTML ( You can use these tags): <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong> .