An Mitternachtsweg passt alles: Handlung, Sprecher, Soundkulisse, Tempo – das ist die beste Gruselkabinett-Folge seit langem.
Und das, obwohl die Geschichte selbst nicht etwa in der für die Schauerromantik typische Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts spielt, sondern in unserer Gegenwart, in Hamburg und auf Sylt:
Es geht um eine Insel im Mondschein, einen Friedhof für ertrunkene Seelen, um einen mysteriösen schwarzen Handschuh. Und ein gefährliches Ritual: das Beschreiten des Mitternachtswegs. Der junge Johannes Kielland (Marius Clarén) ist ein Eigenbrötler, der sich für das Übernatürliche interessiert und für eine Zeitung über ungewöhnliche Vorkommnisse gut recherchierte Artikel schreibt.
Bis er selbst zu einem Teil in einer Geschichte wird: Denn kurz nachdem nach über hundert Jahren wieder ein Opfer der Fluten in Sylt an Land gespült wird, meldet sich die wunderschöne Helma (Melanie Hinze) bei ihm, die beharrlich darauf pocht, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Der Tote soll ihr einstiger Verlobter gewesen sein, und der Handschuh ein Zufallsfund, der ihrer beider ganzer Leben völlig verändert hat. Denn von dem Handschuh geht eine dunkle Macht aus, durch die sich Helmas Verlobter verändert hat.
Aber erzählt sie die ganze Wahrheit? Johannes will hinter ihr Geheimnis kommen – und gerät so schnell in den hypnotischen Sog ihrer Geschichte, dass er gar nicht bemerkt, dass er selbst ein Teil davon wird.
Mitternachtsweg basiert auf dem gleichnamigen Roman von Benjamin Lebert (Crazy) und bietet Kino für die Ohren. Es tut dem Hörspiel spürbar gut, nicht nur auf einer Kurzgeschichte zu basieren, sondern auf einem längeren Werk, denn dadurch wird diese Episode zu einem Mystery-Thriller, der mit unerwarteten Wendungen aufwartet und einer Handlung überzeugt, die spannend bis zum Schluss bleibt.
Was hat es mit dem geheimnisvollen Handschuh auf sich, der bei der Strandleiche gefunden wurde? Welches Spiel spielt Helma Marie Brandt? Was ist kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auf Sylt wirklich passiert und wieso wirft dieses Ereignis Schatten bis in unsere Zeit?
Ebenso hervorragend wie die Handlung selbst sind Soundkulisse und Sprecher. Statt Gothic Noir-typischen Instrumentalstücken ertönt hier teils ein Elektro-Soundtrack, der jedoch die Handlung unterstreicht und absolut passend wirkt.
Melanie Hinze als Helma Marie Brandt ist eine Wucht und die anderen Sprecher stehen ihr kaum nach. Da kommt Atmosphäre auf, da fühlt man sich von der Geschichte gepackt, direkt in die Handlung hineingezogen und mitgenommen auf einen unheimlichen, tragischen Schauertrip, der für mehrere Überraschungen gut ist.
Unbedingt hören!
