Der Cheysuli-Zyklus – ursprünglich Mitte der 80er Jahre entstanden – hat seinerzeit Jennifer Roberson über Nacht berühmt gemacht. Mit den Büchern gelang es ihr weltweit, eine große Fangemeinde zu gewinnen.
Auch in Deutschland sind die Romane vor gut zehn Jahren bereits einmal erschienen, überraschenderweise jedoch erst, nachdem sich Robersons zweite Fantasy-Reihe – der Schwerttänzer-Zyklus – erfolgreich auf dem inländischen Markt positionierte. Inzwischen sind diese deutschen Erstveröffentlichungen nur noch antiquarisch zu erhalten, so dass es schön ist, dass sich der Heyne-Verlag dazu entschieden hat, den Cheysuli-Zyklus wieder zu publizieren. DÄMONENKIND ist die Neuauflage von gleich zwei Cheysuli-Romanen, die 1996 bereits unter dem Titel “Wolfsmagie” beziehungsweise “Das Lied von Homana” erschienen sind. Auf stolzen 735 Seiten präsentiert dieser Sammelband sozusagen den Auftakt zum im Original achtbändigen Werk.
Die Cheysuli sind ein magiebegabtes Volk, dessen Lebensweise an die der Indianer erinnert: Sie leben sehr naturverbunden in Stämmen. Tiere sind in ihrem Fall im wahrsten Sinne des Wortes spirituelle Ratgeber. An der Seite eines jeden Cheysuli steht ein Tiergefähre, Lir genannt. Meist handelt es sich dabei um einen Wolf oder einen Falken. Mensch und Tier können auf geistiger Ebene miteinander in Kontakt treten – mehr noch, ein Cheysuli kann auch die Gestalt seines Lir annehmen.
Jahrelang galten sie aufgrund ihrer einzigartigen Fähigkeiten als Freunde und Ratgeber des Königs von Homana, einem mittelalterlich anmutenden Königreich, das den zentralen Handlungsspielraum des Zyklus bildet. Durch einen tragischen Zwischenfall ist ein einzelner Cheysuli jedoch in Ungnade gefallen und hat damit den drohenden Untergang seines ganzen Volkes heraufbeschworen. Als Dämonen und Gestaltwandler verschrien, werden sie zu Ausgestoßenen in ihrem eigenen Land und von einer systematischen Ausrottung bedroht.
“Dämonenkind” spielt in einer Zeit, in der der Zwist zwischen Homanern und Cheysuli noch recht jung ist. Gerade mal eine Generation ist es her, seit die Situation eskalierte. Trotzdem steckt die junge Alix voller Vorurteile, als sie das erste Mal auf die Cheysuli trifft. Zunächst ahnt sie nicht, dass sie selbst das Ergebnis der verbotenen Liebe einer Prinzessin und jenes Gestaltwandlers ist, die die Hetzjagd auf das geheimnisvolle Volk erst begründet hat. Als sie und der Thronerbe Carillon in die Gewalt des stürmischen Cheysuli-Kriegers Finn geraten, nimmt das Schicksal seinen ganz eigenen Lauf. In Alix erwacht das magische Erbe ihres Vaters, und sie muss sich ihrem Geburtsrecht – und der Wahrheit – stellen. Außerdem begegnet sie dem charismatischen Duncan, Finns Bruder, der sie bald in seinen Bann zieht.
Carillon hingegen sieht sich mit der Situation konfrontiert, dass ein feindlicher König den Thron erobert, der eigentlich ihm zugedacht war.
Widerwillig müssen beide lernen, dass der Schein manchmal trügt und dass die Vorstellungen, mit denen sie aufgewachsen sind, nicht mehr als Vorurteile sind …
Der zweite Teil des Romans spielt einige Jahre später, knüpft aber direkt an die vorhergehende Handlung an. Der zentrale Blickwinkel verschiebt sich von Alix auf Carillon, der nach einigen Jahren der Flucht an der Seite Finns nach Homana zurückkehrt, um sein Erbe einzufordern. Damit ihm dies gelingt, muss er es jedoch zunächst schaffen, den Hass, der zwischen den Homanern und den Cheysuli herrscht, zu besänftigen. Denn nur gemeinsam können sie gegen die magischen Truppen des Thronräubers bestehen.
Diese beiden Geschichten sind der Ausgangspunkt der Saga, die in ihrer Erzählstruktur an eine fantastische Variante des beliebten Darkover-Zyklus erinnert. Ein Hinweis darauf, dass Jennifer Roberson einer der Schützlinge von Marion Zimmer Bradley selbst ist. Ganz so rund wie die Darkover-Saga ist der Cheysuli-Zyklus freilich nicht. Dennoch bietet er einen ansprechenden Hintergrund für die Romane, in deren jeweiligem Mittelpunkt oftmals neue Charaktere oder Randfiguren aus vorherigen Bänden stehen und einen Zeitraum mehrerer Generationen umspannen. In den beiden Romanen wechselt die Autorin erzähltechnisch sogar von der dritten Person (Teil 1) zur ersten Person (Teil 2). Dies scheint innerhalb des Sammelbands zwar zunächst gewöhnungsbedürftig. Die jeweiligen Handlungen sind jedoch in sich abgeschlossen, so dass dies nicht weiter stört. Außerdem ist es erfreulich, dass es Roberson gelingt, glaubhaft aus Sicht eines männlichen Protagonisten zu schreiben.
Insgesamt hat die Autorin einen angenehmen Erzählstil und ein offensichtliches Faible für die Kombination aus Magie und Liebe. Die Charaktere und deren Schicksal stehen eindeutig im Vordergrund. Man merkt den Romanen allerdings an, dass sie das Debüt einer jungen Schriftstellerin sind. Stilistisch konnte Roberson sich seitdem merklich steigern. „Dämonenkind“ kommt nicht ohne ein paar Längen aus.
Alles in allem stellt das Buch einen eher durchschnittlichen Vertreter romantischer Fantasy dar. Ohne seine Nachfolgebände betrachtet erscheint unklar, weshalb der Cheysuli-Zyklus seinerzeit für solche Furore gesorgt hat. „Dämonenkind“ ist eher leichte Kost, die sich ab und an zieht, jedoch dadurch auszeichnet, das brisante Thema einer verfolgten Minderheit aufzugreifen, und den Grundstein für ein vielgeliebtes und hochgepriesenes Fantasy-Epos bildet.
Fakten:
Titel: Dämonenkind
Reihe: Die Chroniken der Cheysuli, Band 1
Autorin: Jennifer Roberson
Originaltitel: Shapechangers / The Song of Homana
Übersetzer: Karin König
Verlag: Heyne (Dezember 2007)
Seitenanzahl: 736
ISBN: 9783453523920
Diese Rezension erscheint mit freundlicher Genehmigung von Media-Mania.de.