Darkstars Fantasy News


18. August 2008

Interview mit Michael Treutler von Audible

Category: Interviews – Darkstar – 18:20

Audible 02In der Zeit, als meine Beziehung noch eine Fernbeziehung war, habe ich Hörbücher wirklich schätzen gelernt. Da ich immer noch viel mit dem Auto unterwegs bin – und ich das Medium einfach mag – bin ich echt froh darüber, dass es in dieser Richtung einen Boom gibt. Audible bietet nicht nur zahlreiche Hörbücher als kostengünstige(re) Download-Version an, sondern hat sich in letzter Zeit vor allem durch die Produkion von ungekürzten (Fantasy)-Hörbüchern ausgezeichnet. George R. R. Martins “Lied von Eis und Feuer“, Naomi Noviks “Die Feuerreiter Seiner Majestät” und Christoph Marzis “Lycidas” sind hier nur einige Beispiele. Da mich das Medium an sich und vor allem das Programm von Audible so begeistert, habe ich angefragt, ob mir das Internetportal ein Interview gibt. Michael Treutler, Leiter der Programmentwicklung bei Audible, war so freundlich und hat sich viel Zeit genommen!

1. Vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Vielleicht kannst du uns eingangs ein bisschen darüber erzählen, was deine Aufgaben bei Audible sind?

Michael Treutler (Leiter Programmentwicklung Audible)Ich leite bei Audible das Programmentwicklungsteam. Hinter diesem langen Wort steht die Aufgabe, die Stärken des Mediums Internet für den Hörbuchmarkt zu erschließen. Dies allerdings weniger im technischen Sinne, das macht unsere IT-Abteilung, als im inhaltlichen. Wir versuchen Wege zu finden, Inhalte zu vertonen und zu veröffentlichen, die es aus verschiedenen Gründen nicht zu einer CD Veröffentlichung gebracht haben – zum Beispiel lange Fantasy- oder Science Fiction Serien. Wir haben kurz nach unserem Launch festgestellt, dass unsere Kunden sehr stark ungekürzte Lesungen nachgefragt haben, die wir ihnen nicht liefern konnten, da der deutsche CD-Markt und somit auch unser Angebot von gekürzten Fassungen dominiert wird. Deshalb haben wir ein sogenanntes „Duales Produktionsmodell” entworfen. Dabei werden ungekürzte Hörbuch-Fassungen für den Download und gekürzte für die CD-Fassung produziert. Autoren und Verlage können – durch den neuen Vertriebsweg im Download – verschiedenen Käufergruppen, verschiedene Hörbuchfassungen zur Verfügung stellen. Das ist ein Modell, welches für alle Beteiligten nur Vorteile bietet, da es besser auf Kundenwünsche eingehen kann. Um zu zeigen, dass dies gut funktioniert, haben wir selbst angefangen Hörbücher zu produzieren und diese im Download zu vertreiben. Inzwischen haben wir dieses Modell fest mit unseren Partnern Argon, Lübbe Audio, Random House Audio, DAV und anderen erfolgreich etabliert, welche ihrerseits inzwischen ungekürzte Hörbücher exklusiv für den Download erstellen und andererseits auch gekürzte Fassungen unserer Produktionen auf CD veröffentlichen.

2. Wie wirst du auf neue Titel für den deutschen Markt aufmerksam?

Da wir hauptsächlich die sogenannte „Backlist”, also Bücher die schon lange erschienen sind, vertonen, ist eine unserer wichtigsten Informationsquellen der Austausch mit unseren Kunden. Wir bekommen regelmäßig Hinweise auf deren Lieblingstitel, die noch nicht vertont worden sind. Es gibt viele tolle Inhalte, die zwar alt sind, aber immer noch ganz große Geschichten erzählen und tolle Hörbücher ergeben und die wir wahrscheinlich ohne deren Tipps gar nicht entdeckt hätten.

3. Orientiert ihr euch nur am amerikanischen (Hörbuch-)Markt, was Eigenproduktionen angeht oder sucht ihr euch auch einzelne Werke selbst aus?

Da der deutsche Markt und der amerikanische Markt recht unterschiedlich sind, orientieren wir uns hier sehr eigenständig. Für den Erfolg eines amerikanischen Titels auf dem deutschen Markt ist die Qualität der Übersetzung sehr wichtig, weshalb wir solche Dinge mit prüfen und uns ggf. um eine neue Übersetzung kümmern müssen.

4. Verrate uns doch ein bisschen über den Prozess von der Entdeckung eines Buchs, das ihr als Hörbuch aufnehmen wollt, bis hin zum Hörbuch selbst, bitte.

Wenn wir ein Buch oder eine Serie entdeckt haben, so müssen wir vorerst die Rechte vom jeweiligen Verlag lizenzieren. Sobald das geschehen ist, gehen wir auf die Suche nach dem geeigneten Sprecher. Die Arbeit im Studio, die danach beginnt, ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Sprecher werden vor dem Mikrofon zu anderen Menschen. Eben hat man noch bei einem Kaffee im Berliner Dialekt geplaudert und dann geht die rote Lampe an und die Magie breitet sich im Aufnahmeraum aus. Mit Magie meine ich, dass selbst im Studio schon häufig beginnt, was ein gutes Hörbuch meines Erachtens ausmacht: Man vergisst, dass man etwas vorgelesen bekommt. Man wird hinein gezogen in eine Geschichte, der gerade neues Leben eingehaucht wird. Lange Produktionen erstrecken sich manchmal über mehrere Tage oder bei Serien gar Wochen. Und genau so lange benötigt man in der Regel noch einmal für den Schnitt und die Mischung der Audiodaten. Sobald die fehlerfreie Produktion sichergestellt ist und das Artwork (Cover) fertig, kann das Hörbuch dann veröffentlicht werden.

5. Wie findet man für ein Buch den idealen Vorleser?

Audible 01Der Trick, sofern es denn ein Trick ist, ist eigentlich ganz einfach. Wenn man ein Buch liest und sich sein Kino im Kopf dazu macht, muss man sich nur die beste Besetzung für den Film vorstellen. Da wir bei der Vertonung sehr viel mit Synchronsprechern arbeiten, hat man dann meistens auch die Idealbesetzung für ein Hörbuch. Beim Lesen von Naomi Noviks „Drachenbrut” sah ich zum Beispiel ständig George Clooney als Capitain Will Laurence vor meinem inneren Auge. Also liest es Detlef Bierstedt, der obendrein auch noch einen ganz wunderbaren Drachen spielt. Wenn man keine klare Vorstellung bekommt, macht man ein Casting. Und die Sprecherin oder der Sprecher, der das Kino im Kopf am besten auslöst, bekommt dann den Zuschlag. Das ist aber beides natürlich sehr subjektiv. Wir wollen deshalb hier in Zukunft noch wesentlich mehr mit unseren Kunden zusammenarbeiten und können uns vorstellen, beispielsweise für neue Hörbuchproduktionen, mehrere Sprecher zur Auswahl zu stellen.

6. Liest ein Sprecher eigentlich vorher das entsprechende Buch komplett durch?

Im Regelfall ja. Er muss ja wissen, wie er die Charaktere anlegt und ob eventuell auf Seite 400 steht „Seine hohe Stimme zitterte”. Bei langen Fantasy-Serien ist es aber meist so, dass die Sprecher meist nicht die ganze Serie kennen können, wenn sie die Aufnahme starten.

7. Geht euer Konzept bereits heute schon auf?

Ich würde sagen ja. Immer mehr Verlage produzieren im dualen Produktionsmodell: Ungekürzt für den Download und gekürzt für den CD-Markt. Zu zeigen, dass dies wirtschaftlich sinnvoll und auch produktionstechnisch gut zu machen ist, war und ist unser Konzept bei den Dingen, die wir selbst produzieren. Da immer mehr Verlage dieses Konzept für sich selbst umsetzen, denke ich, dass dies ein sehr Erfolgreiches ist.

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8. Werden Bestseller gemacht? Was braucht ein Hörbuch, um erfolgreich zu sein? Und woran liegt es, ob sich Erfolg einstellt oder nicht.

Erstens: Sprechertalent, Sprechertalent, Sprechertalent. Der beste Inhalt der Welt kann von einem Sprecher in Grund und Boden gelesen werden. Zweitens: Inhalt, Inhalt, Inhalt. Wenn die Geschichte schlecht ist, helfen die beste Produktion und der beste Sprecher wenig. Wenn diese beiden Dinge stimmen, kann meiner Erfahrung nach wenig schief gehen.

9. Welche Highlights erwarten uns in den nächsten Monaten?

Im Herbst freuen wir uns natürlich alle auf Eragon 3 von Random House Audio. Ebenso gibt es bei uns neue Folgen von „Das Lied von Eis und Feuer” und von Christoph Hardebuschs Serie „Die Trolle“. Für Science Fiction Fans, die hart im nehmen sind, wird sicherlich Richard Morgans Zukunftsthriller „Profit” ein Leckerbissen im Herbst. Und etwas hinter die Kulissen geguckt: Wir arbeiten gerade an der ungekürzten Umsetzung von Richard Barclays „Raben-Chroniken”, gelesen von der deutschen Synchronstimme von Nicholas Cage, Martin Kessler.

10. Woran erkennt ihr, welche Fantasystoffe sich für eine Hörbuchumsetzung eignen?

Wir betrachten sehr genau, welchen Stand die jeweiligen Stoffe bei Lesern im Allgemeinen haben und können natürlich inzwischen auch auf viel Feedback unserer Kunden zurückgreifen, welche Fantasystoffe diese als geeignet betrachten.

11. Du hast mir im Vorfeld verraten, dass ihr euch auch gern an lange Fantasy-Epen heranwagt, die normalerweise nicht so ohne weiteres als Hörbuch produziert werden. Das wirft natürlich die Frage auf, ob auch einige Klassiker des Genres von euch in der nächsten Zeit angegangen werden, ich denke da im Einzelnen an:

– Tad Williams Osten Ard-Saga („Der Drachenbeinthron” usw.)

– J. V. Jones „Schwert der Schatten”-Saga

– „Das Rad der Zeit” von Robert Jordan

– einen der Zyklen von David Eddings

– Marion Zimmer Bradleys „Darkover”-Reihe oder

– Juliet Marilliers Sevenwaters-Romane („Tochter der Wälder”)

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Sagen wir mal so: Das sind alles keine Unbekannten. Konkret in Planung ist davon aber noch nichts. Ich sag bescheid, wenn sich das mal ändern sollte.

Audible 03 12. Derzeit vertont ihr z.B. lange Epen wie George R. R. Martins „Lied von Eis und Feuer” und Goodkinds „Schwert der Wahrheit“: Wie stehen die Chancen, dass diese Zyklen komplett als Hörbücher bei euch erscheinen werden?

Das würden wir sehr gerne machen, denn wir haben diese Serien mit dem Ziel begonnen, sie auch komplett zu vertonen. In der Hand haben das allerdings unsere Kunden, denen es gefallen muss. Und das beobachten wir jetzt anhand der ersten Staffeln, die wir gerade veröffentlichen.

13. Produziert ihr diese Hörbuchfassungen allein oder arbeitet ihr mit einem Label zusammen, welches die Hörbuchversionen zu einem späteren Zeitpunkt auch auf CD herausbringen wird.

Wir arbeiten bei allen Produktionen eng mit unseren Partnern von den CD-Verlagen zusammen und sprechen mit ihnen von Anfang an über eine potentielle CD-Verwertung. Das Risiko für die Produktion tragen wir jedoch selbst.

14. Wie hat sich das Fantasy-Genre deiner Meinung nach in den letzten zehn Jahren verändert? Und wie denkst du, wird es sich in den nächsten Jahren noch verändern?

Viele Leser und Hörer haben erkannt, dass es neben „Harry Potter” und „Herr der Ringe” noch andere hervorragende Geschichten gibt. Auch wenn diese im Hörbuch ganz wesentliche Schlüsselrollen für das Genre gespielt haben, ist es doch toll, dass es inzwischen so viele gute Inhalte gibt, die auch ihre Aufmerksamkeit finden. Der Erfolg wird sich meiner Meinung nach in Zukunft darin zeigen, dass sich das Fantasy-Genre in seinen verschiedenen Spielarten weiter ausdifferenziert. Neben Hochfantasy und All Age bilde ich mir ein, im Moment einen Anstieg von historischer Fantasy und Dark Fantasy zu beobachten. Die Anderswelt wird also noch ein wenig mehr mit unserer Welt überlagert.

15. Welche Trends erkennst du derzeit im Hörbuch-Sektor?

Allgemein geht der deutlichste Trend im Downloadbereich hin zu ungekürzten Lesungen, die ja besonders im Fantasybereich häufig einen enormen Umfang zeigen. Mich freut sehr, dass auch einheimische Autoren im Fantasybereich immer erfolgreicher werden. Dass deutschen Autoren, wie Markus Heitz, Christoph Marzi oder Bernhard Hennen auch als Hörbuch erscheinen, war lange nicht selbstverständlich, da das Genre neben dem großen Bruder „Krimi & Thriller” doch eher als Nischenbereich gesehen wurde. Diese Geschichten werden jetzt ernster genommen, da Fantasy nicht mehr nur etwas für „Nerds” ist.

16. Was macht ein gutes Hörbuch deiner Meinung nach aus? Und inwiefern ist ein Hörbuch eine lohnende Alternative zum Roman?

Das Lied von Eis und Feuer als Hörbuch - Teil 2Das was es meines Erachtens auch erfolgreich macht: Ein hervorragender Sprecher und ein faszinierender Inhalt. Ich glaube, dass Hörbücher eine sehr schöne Ergänzung zu Romanen sind. Wer gerne Hörbücher hört, liest in der Regel auch viel (um mal mit einem gängigen Vorurteil aufzuräumen ;). Auch wenn ein Hörbuch zu einem gewissen Maße bereits interpretiert ist, lässt es mir doch noch mehr Freiraum für Interpretation als ein Hörspiel oder ein Film. In allen Situationen, in denen man nicht lesen kann, aber trotzdem z.B. monotone Tätigkeiten erledigen muss, wie Autofahren oder Putzen, lohnt sich ein Hörbuch für Leseratten immer.

17. Wenn man eines eurer Hörbücher im Auto hören will, muss man sich ganz schön abmühen: Leider ist es bisher nur möglich, Audio-CDs zu brennen, keine MP3-CDs. Dadurch hat man verhältnismäßig viele CD-Scheiben zu Hause herumfliegen. Glaubst du, hier könnt ihr euer Konzept noch verbessern?

Hier kann ich nur wärmstens sogenannte FM-Transmitter ans Herz legen, die seit einiger Zeit auch in Deutschland erlaubt sind. Wenn man kein direktes Kabel zum Anschließen des MP3-Players im Auto hat, kann man mit diesem FM Transmitter den MP3-Player auf eine freie Frequenz im Autoradio tunen und schon kann man hören. Das ist noch viel einfacher, als haufenweise CDs oder eine MP3-CD zu brennen.

18. Kritiker führen an, dass die Hörqualität durch das von euch gewählte Format im Vergleich zu Audio-CDs leider etwas abfällt. Wie stehst du zu diesem Punkt? Und glaubst du, Audible kann sich hier qualitativ noch steigern?

Unsere Audiodaten sind für den Download durch Einsatz spezieller, auf Sprache optimierter Codecs komprimiert. Das heißt, obwohl die Hörbücher von gleicher Qualität sind, klingen sie anders. Mit Durchsetzung von Breitbandinternet, ist diese Kompression nicht mehr in dem Maße notwendig. Wir werden deshalb in Zukunft natürlich den Wünschen unserer Kunden entsprechen.

19. Wenn du eine fiktive Figur aus einem Hörbuch treffen könntest: Wer sollte es sein und warum?

Den Drachen Temeraire aus Naomi Noviks Feuerreiter-Serie. Das Kind im Mann siegt hier eindeutig über die etwas bodenständigeren Charaktere ;)

Audible 04 20. Hast du selbst einen persönlichen Favoriten unter den Fantasy-Autoren und / oder Hörbuch-Sprechern?

Offen gesagt nicht. Denn wenn die Magie beim Hören zuschlägt und man das hier und jetzt vergisst, denkt man nicht mehr wirklich an Autoren oder Sprechernamen. Ich freue mich immer wieder, dass das viele bei mir schaffen. Christoph Marzi, Neil Gaiman, Naomi Novik… Simon Jäger, Detlef Bierstedt, Reinhard Kuhnert… Die Liste ließe sich sehr lang fortsetzen…

Vielen herzlichen Dank für deine Zeit und dafür, dass du so nett warst, meine Fragen zu beantworten. Vielleicht können wir das ja eines Tages wiederholen. Alles Gute sowohl für dein Arbeits- als auch dein Privatleben!
Vielen Dank und sehr gerne eine Fortsetzung!

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3 Comments »

  1. Danke für das informative Interview! :)

    Kommentar by Ralf — 19. August 2008 @ 20:11

  2. ;-)

    Kommentar by Darkstar — 19. August 2008 @ 20:36

  3. […] hab ich mir genau diesen Titel bereits mehrfach beim Audible-Kundenservice gewünscht und in meinem 2008er-Interview mit Michael Treutler von Audible auch unter anderem nach einer potentiellen Realisierung […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Die Töchter der Wälder als Hörbuch! | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 26. Februar 2011 @ 12:39

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