Die Götter fallen.
Ein Unschuldiger wird auserwählt.
Und ein neuer Held wird geboren.
Melanie ist eine junge, durchschnittliche Schülerin, die auf keinen Fall aus der Masse ihrer Mitschüler hervorstechen will. Schließlich hat sie früh gelernt, dass man, wenn man auffällt, entweder umschwärmt wird oder eine Niete ist.
Seit dem Tod ihrer Mutter kümmert sie sich aufopfernd um ihren diabetischen Vater und ihren jüngeren Bruder. Sie ist weder besonders hübsch, noch überdurchschnittlich intelligent oder beeindruckend sportlich. Es scheint daher Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet sie eines Nachts auf dem Weg nach Hause zur Trägerin der geheimnisvollen Macht “Wraithborn” wird. Dadurch erhölt sie die unglaubliche Kraft, Dämonen und andere anderweltliche Gestalten wahrzunehmen – und sich ihnen in den Weg zu stellen.
Bis Melanie ihr Schicksal jedoch erkennt, geschweige denn annehmen kann, ist es noch ein langer Weg. Erst durch die Hilfe der quirrligen Zoe und deren Großmutter – einer Voodoomagierin – lernt sie, sich den Gefahren zu stellen, die sich über ihr zusammenbrauen: Denn eine dunkle Göttin ist wieder auferstanden. Sie will eine Bresche in die Welt schlagen, um dem Feenvolk und der Magie, vor langer Zeit in eine andere Dimension gebannt, einen Weg zurück in unsere Realität zu ebnen.
Die Mini-Serie “Wraithborn” liest sich wie eine Mischung aus “Witchblade” und “Buffy the Vampire Slayer”: Die Zeichnungen erinnern an die kurvenreichen Bilder von Michael Turner, die Hintergrundgeschichte an einen Hybrid aus der Kult-TV-Serie um die kalifornische Vampir-Jägerin und dem Schicksal einer Witchblade-Trägerin.
Trotzdem besticht der Kosmos von “Wraithborn” durch Originalität. Sowohl die Rahmenhandlung als auch die Figuren wirken rund und mehrdimensional.
Der Erzählfaden um die die zurückgekehrte Voodoo-Göttin und die Mythologie der Comicserie selbst erweisen sich als eigenständig und nicht als Abziehbilder berühmter Vorlagen. Ganz im Gegenteil: Hat man bei Serien wie “Witchblade” nicht selten das Gefühl, dass die Handlung zu Gunsten der Zeichnungen vollbusiger Frauen in den Hintergrund tritt, bedienen die Macher, die hier zu Werke gehen, dieses Klischee nicht ganz so stark. Zwar stolzieren auch hier langbeinige Grazien durch die Gegend und der Leser bekommt viel nackte Haut zu Gesicht – dadurch verliert er aber nie die Erzählung aus den Augen.
Vom Look her spricht Zeichner Joe Benitez übrigens vor allem die Goth-Szene an, was sehr gut zum Inhalt passt. Insofern ist das Gesamtergebnis nicht nur bemerkenswert unterhaltsam, es ist auch wirklich bedauerlich, dass es sich bei “Wraithborn” nur um eine Mini-Serie handelt. Die Geschichte darf zwar als relativ abgeschlossen bezeichnet werden, wirkt jedoch alles in allem eher wie die Pilotfolge einer Mystery-Serie. Nebenfiguren wie Zoe, ihre Großmutter oder Kiara, eine schlagkräftige Kämpfernatur, bieten noch viel Potential und als Leser würde man gern noch mehr über sie erfahren.
Anderseits bietet der über 150 Seiten starke Paperback eine atmosphärische, größtenteils gut erzählte Mystery-Geschichte, die sich – zumindest im Rahmen dieser Miniserie – nicht im Sand der Beliebigkeit verläuft.
Fakten:
Titel: Wraithborn
Autor: Marcia Chen
Zeichnungen: Joe Benitez
Idee: Joe Benitez & Marcia Chen
Übersetzung: Bernd Kronsbein
Verlag: Panini Comics
Aufmachung: Softcover, 152 Seiten
Preis: 16,95 EUR
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