Irgendwo in Massachussets gibt es ein Haus, in dem Türen mehr sind als gewöhnliche Pforten – wenn man den richtigen Schlüssel besitzt. Da kann einen das Durchschreiten einer Tür vom Jungen in ein Mädchen verwandeln – oder den Geist vom Körper trennen. Das stellt der kleine Bode fest, als er nach einem traumatischen Erlebnis (der Vater wird vor seinen Augen brutal ermordet) mit seiner Mutter und seinen beiden älteren Geschwistern in eben dieses alte Haus zieht, in dem sein Vater bereits seine Kindheit verbracht hat.
Während die restlichen Familienmitglieder alle sehr unterschiedlich mit dem schrecklichen Verlust umgehen, erwacht in Bode der Forschergeist und er erkundet sein neues Zuhause. Bald erkennt er, welche Macht manchen Türen in seinem Heim innewohnt. Dann gibt es da noch die geheimnisvolle Stimme aus dem alten Brunnen, die Bode lockt und ruft. Der Kleine ahnt nicht, dass die Stimme auf unheimliche Art und Weise mit dem Mörder seines Vaters in Verbindung steht. Diesem will das anderweltliche Wesen, das im Brunnen gefangen ist, nämlich helfen, aus dem Gefängnis zu fliehen, damit der wiederum seinem Helfer ebenfalls befreiet – und gleichzeitig Rache an Bode und seiner Familie nehmen kann.
Auch wenn der Autor, der sich für das Script von “Locke & Key” verantwortlich zeigt, sich hinter einem nichtssagenden Pseudonym versteckt, hat im Internet die Tatsache natürlich längst die Runde gemacht, dass Joe Hill der Sohn von Bestseller-König Stephen King steckt. Der Wirbel, der um die düstere Graphic Novel-Serie gemacht ist, ist dementsprechend hoch.
Schön ist allerdings, dass Joe Hill die Erwartungen seines gespannten Publikums tatsächlich erfüllen kann. Der Einfluss seines berühmten Vaters mag zwar mitunter nicht ganz von der Hand zu weisen sein, trotzdem ist es Hill jedoch gelungen, eine eindringliche, düstere, mitunter auch recht brutale Schauergeschichte zu erschaffen.
Die Idee, die der Serie zugrunde liegt, und auch zahlreiche Details, sind sehr reizvoll. Der Einstieg gestaltet sich aber nicht ganz so leicht: Hill springt alle paar Seiten zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und her, so dass der Leser etwas Geduld und Neugier mitbringen muss, um sich in der Handlung zurechtzufinden. Hat er diese Zeit investiert, wird er allerdings mit einer spannenden, schaurigen Geschichte entlohnt. Hills Ideen um das Lovecraft’sche Haus machen wirklich Spaß und sind mitunter recht gruselig. Seine Figurenzeichnungen sind im wahrsten Sinne des Wortes erschreckend realistisch. Hills Charaktere sind weder einseitig noch perfekt. Da ist Nina, die Mutter der drei Hauptprotagonisten, die sich nach dem Tod ihres Mannes in den Alkohol flüchtet. Oder Sam, einer der Bösewichte der Geschichte, für den man trotz all der Wut, Brutalität und Wahnsinn, den er verströmt, doch so etwas wie Mitleid empfindet, wenn Hill von seiner traurigen Vergangenheit erzählt. Die Handlung selbst wird abwechselnd aus der Sicht der drei Geschwister geschildert: Aus Sicht des Ältesten, Tyler, der nicht darüber hinweg kommt, dass er die Ermordung seines Vaters nicht verhindern konnte; aus Sicht seiner Schwester Kinsey, die nach dem tragischen Ereignis krampfhaft versucht, sich angepasst zu verhalten, nicht aufzufallen, in der Masse unterzugehen; und aus Sicht des kleinen Bode, durch dessen Neugier die Anderswelt Einzug ins Leben der kleinen Familie hält.
Der positive Eindruck von “Willkommen in Lovecraft” wird außerdem von den tollen Zeichnungen von Gabriel Rodriguez verstärkt. Rodriguez wird neben Hill selbst als Schöpfer des “Locke & Key”-Universums bezeichnet. Tatsächlich tragen seine leicht cartoonhaften, aber sehr stimmungsvollen Bilder viel zum Lesegenuss bei. Seine Zeichnungen wirken dynamisch, die Mimik der Charaktere und Bewegungsabläufe überzeugen. Das schafft Atmosphäre. Aber Achtung! Nicht selten wird’s brutal, dann spritzt Blut und es wird heftig – und auch das bekommt der Leser dann zu Gesicht.
Am Ende der ersten Graphic Novel bleibt Hill dem Leser einige Antworten schuldig. Denn es ist klar, dass die finstere Gestalt aus dem Brunnen bereits Kontakt mit Bodes ermordeten Vater hatte und auch noch lange nicht besiegt ist. Da ist es gut, dass die zweite Graphic Novel bereits für April 2010 vorangekündigt ist.
Fakten:
Titel: Willkommen in Lovecraft
Reihe: Locke & Key, Band 1
Autor: Joe Hill
Zeichner: Gabriel Rodriguez
Originaltitel: Welcome to Lovecraft
Übersetzung:
Verlag: Panini, 160 Seiten
Preis: 16,95 EUR
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