Seit das mysteriöse Weiße Feuer Amenkor vor einigen Jahren durchzogen hat, scheint die Hafenstadt dem Untergang geweiht. In den Armenvierteln treibt sich immer mehr Gesinde herum und die Schere zwischen Arm und Reich wird zunehmend größer. Die Situation wird dadurch noch verschärft, dass das Weiße Feuer die Regentin der Stadt offenbar in den Wahnsinn getrieben hat. Die Herrscherin trifft Entscheidungen, die niemand sonst nachvollziehen kann und die Amenkor an den Rand der Vernichtung zu treiben drohen.
Davon ahnt die erst 14jährige Varis jedoch nichts. Sie gehört der niedersten Unterschicht der Stadt an. Seit dem Tod ihrer Eltern ist jeder Tag für sie ein Kampf um’s Überleben. Ihr Essen muss sie sich zusammenstehlen. Ihr Leben ändert sich drastisch, als der Gardist Erick auf sie aufmerksam wird. Er beobachtet sie dabei, wie sie einem Fremden den Gar ausmacht, der es auf ihr Leben abgesehen hatte. Erick beschließt, Varis für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Er bildet sie aus, damit sie für ihn in den Slums von Amenkor jene Menschen ausfindig macht, die die Regentin tot sehen will. Varis lernt schnell. Sie wird selbst zu einer Assassinen. Und eines Tages bittet man sie, einen ungewöhnlichen Auftrag auszuführen: Um Amenkor zu retten soll Varis niemand anderes töten als die Regentin selbst …
Beachtliches Debüt
“Die Assassine” ist nicht nur Joshua Palmatiers Debüt-Roman, sondern gleichzeitig der Auftakt seiner High Fantasy-Trilogie um den sogenannten Geisterthron: Der faszinierende, sein Erscheinungsbild zu wechseln scheinende Herrschersitz der Stadt Amenkor, aus dem hunderte von Stimmen zu flüstern scheinen. Im ersten Teil der Trilogie spielt der Thron zwar eine zentrale Rolle, nimmt aber nicht allzu viel Platz in der Handlung ein. Die konzentriert sich stattdessen voll und ganz auf ihre Hauptdarstellerin. Palmatier hat den Roman in der ersten Person verfasst. Dadurch – und aufgrund der Tatsache, dass ihm Varis als Charakter sehr glaubhaft und nachvollziehbar gelungen ist – ist der Leser immer dicht drann an der Hauptfigur und damit auch am Geschehen, dass aus ihrer Perspektive beschrieben wird.
Eine tragische Heldin
“Die Assassine” lebt durch Varis. In der Gunst des Leser steht und fällt der Roman mit ihr: Wer die Figur mag, wird Gefallen an dem Buch finden. Wer hingegen nichts mit ihr anfangen kann, wird sich folglich schwer tun. Varis ist, wenn auch keine Antiheldin, eine tragische Figur. Sie ist in den Slums von Amenkor aufgewachsen; um zu Überleben musste sie Kämpfen lernen, Stehlen – und Morden. Sie entwickelt sich zu einem kantigen Menschen mit einem weichen Kern; dieser Entwicklung folgt man und dadurch ist “Die Assassine” weniger ein Epos als eine Coming of Age-Geschichte.
Wie magisch wird es?
Eine kleine Warnung für Leser, die es gern überbordernd phantastisch mögen. Ein Magiesystem spielt im Roman eine untergeordnete Rolle. Varis verfügt zwar über Fähigkeiten, die man durchaus als übernatürlich bezeichnen kann. Ihr ist es möglich, ihre Wahrnehmung so zu verändern, dass sie erkennen kann, ob andere Menschen ihr gefährlich werden können, ob sie gute Absichten hegen oder von Grund auf schlecht sind. Mit dieser Gabe umzugehen erlernt sie jedoch erst im Verlauf der Handlung. Der Geisterthron hingegen, das große magische Artefakt der Reihe, spielt nur in einer überschaubaren Anzahl von Szenen eine Rolle.
Düstere Geschichte: Interessant erzählt, ansprechend verpackt
Anstelle magischer Feuerwerke konzentriert sich das Buch auf einen düsteren, harten Plot. Seit George R. R. Martin, Scott Lynch und Konsorten ist so etwas ja groß in Mode im Fantasy-Genre. Joshua Palmatier gelingt es, seinem Roman einen sehr realistischen, sehr harten Anstrich zu verleihen, der dennoch ganz anders wirkt als die Kunstgriffe seiner Kollegen. Sprachlich bewegt sich der Autor übrigens im gehobenen Mittelmaß. “Die Assassine” ist sehr angenehm zu lesen und wirkt recht flüssig übersetzt. Zudem würdigt Lübbe den Roman entsprechend, als dass sie ihn zum ersten Fantasy-Buch machen, das innerhalb dieser Verlagsgruppe mit Klappbroschur erscheint in einem Format, welches etwas größer ist als die von Bastei Lübbe üblichen Taschenbücher.
Fazit
Ein Buch also für jene, die dem unschuldigen Mädchen vom Land, das sich zur Retterin der Welt entwickelt, überdrüssig sind und sich auf eine tragische Figur freuen, die von einer Welt dazu gezwungen wird, schwierige Entscheidungen zu treffen – und trotzdem nicht daran zerbricht. Ein solides Debüt, das nicht weltbewegend ist, aber Lust auf mehr macht.
Fakten:
Titel: Die Assassine
Autorin: Joshua Palmatier
Reihe: Der Geisterthron (1)
Originaltitel: The Skewed Throne
Übersetzung: Michael Krug
Verlag: Luebbe
Aufmachung: Taschenbuch, 380 Seiten
Preis: 14,95 €
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Diese Rezension erscheint mit freundlicher Genehmigung von Media Mania!
Oh ich mag ja kantige, eigenwillige Figuren und diese klingt durchaus nach meinem Geschmack.
Danke für die schöne Rezi :)
Kommentar by Feenfeuer — 14. November 2009 @ 16:33
Danke für die tolle Rezi!
Ich bin um das Buch schon herumgeschlichen, habe mich aber dann für Scott Lynch entschieden. Jetzt weiß ich, dass ich mir das Buch auch noch holen muss :D
Kommentar by novia84 — 15. November 2009 @ 14:28
@novia84:
Scott Lynch habe ich schon viel gehört, aber noch nicht selbst gelesen. Wie fandest du denn den Roman??
Kommentar by Darkstar — 16. November 2009 @ 11:28
Am Anfang war Scott Lynch zäh. Man muss sich erst reinlesen. Aber wenn man erstmal drin ist lernt man die Figuren so richtig leben. Was ich erst bemerkte, als es Schlag auf Schlag kam.
(Auf meinem Blog ist ne Rezi http://wp.me/pEcGb-35).
Kommentar by Novia — 17. November 2009 @ 10:33
Hallo,
habe das Buch vor kurzem gelesen, und es ist wirklich sehr gut!
kostet zwar noch 14Euro, aber es lohnt sich auf jeden fall.
Lg
oddi
Kommentar by oddi — 17. November 2009 @ 17:31
[…] kurzem erschien bei Lübbe unter dem Titel “Die Assassine” der Debüt-Roman des amerikanischen Fantasy-Autors Joshua Palmatiers. Das Buch hat mir gut […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Interview mit Joshua Palmatier | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 13. Dezember 2009 @ 13:55