Dass der Müller ein Aufschneider ist, das ist allerorts bekannt. Deshalb scherzt auch die Bäckerin Minna gutmütig mit ihm herum, als er eine Ladung Mehl ins Schloß bringt. Dem König allerdings, der die beiden von seinem Fenster aus belauscht, ist nicht nach Scherzen zu Mute als er hört, dass die Müllerstochter Lisa (anfangs etwas blass, dann aber stärker: Julie Engelbrecht) gar Stroh zu Gold spinnen kann. Rigoros lässt er das schöne Mädchen gefangen setzen und trägt ihr auf, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Da ist guter Rat teuer. Weder ihr Vater und ihr Bruder, noch ihr Liebster, den sie erst am Vortag auf einer Wiese am Bach kennengelernt hat, können ihr helfen. Mitten in der Nacht jedoch, als Lisa bereits alle Hoffnung fahren hat lassen und sich ihrer Verzweiflung hingibt, erhört ein geheimnisvolles Wesen ihr Flehen. Ein in einem dunkelgrünen Mantel gehüllter mysteriöser Bursche schlägt Lisa einen unglaublichen Handel vor. Er will ihr das Stroh zu Gold spinnen, wenn sie ihm dafür ihr erstes Kind verspricht …
Das Skript erlaubt sich einige Veränderungen an der Vorlage, um die Geschichte glaubhafter und spannender zu machen: Im Originalmärchen ist es z. B. der König, der die schöne Müllerstochter zunächst einsperrt, damit sie für ihn Stroh zu Gold spinnt, ehe er sie heiratet. Da dem Drehbuchautor David Ungureit (der für die 2009er-Staffel, zu der Rumpelstilzchen gehört, übrigens auch Die Bremer Stadtmusikanten geschrieben hat) offensichtlich erkannt hat, wie schwierig es für ein Publikum von heute wäre, einen fiesen König im Verlauf nur weniger Minuten zum liebenden Ehemann zu machen, heiratet in dieser Filmversion die arme Lisa einfach den Prinzen, in den sie sich bereits vor der ganzen Misere verliebt hat. (Das ist übrigens eine Variante, der sich auch die US-Musicalverfilmung von Cannon mit Amy Irving in der Hauptrolle bedient hat). Ebenfalls folgerichtig schicken König und Königin im späteren Verlauf der Handlung nicht einfach Boten ins Land, um den Namen von Rumpelstilzchen herauszufinden, sondern werden selbst aktiv.
Sogar die zwielichtige Titelfigur gewinnt an Facetten, ohne den Hauch des Mysteriösen zu verlieren. Rumpelstilzchen wird zu einem Wesen der Anderswelt. Robert Stadtlober hat sichtlich Spaß, den jähzornigen kleinen Gnom zu verkörpern, der nach eigenen moralischen Grundsätzen lebt, die mit denen der Menschenwelt wenig gemein haben. “Du brauchst es nicht einzupacken, ich nehm’s gleich so mit.” sagt er zur frischgebackenen Königin, als er zu ihr kommt, um ihr Neugeborenes als den versprochenen Lohn für seine Dienste einfordert. Ihren Einwurf – “Mit einem Kind kann man doch keinen Handel treiben” – lässt er nicht gelten. Dennoch ist er bereit, sich auf ein Rätselspiel einzulassen. Das rückt die Figur in den Bereich der sagenhaften Elfen und Feen, nicht aber in die des Teufels, wohin man ihn sonst so gern abschiebt. Der Film wirft erstmals die Frage auf, welches persönliche Interesse Rumpelstilzchen eigentlich am Kind der Königin hat.
Die Verfilmung wäre aber keine Co-Produktion der WDR, wenn es nicht auch noch ordentlich Humor oben d’rauf gäbe. Das Schöne ist: Hier reiht sich Gott sei Dank nicht rheinländischer Kalauer and Kalauer, sondern dem Film gelingt es, zwischendurch wirklich witzig zu sein (erwähnenswert ist beispielsweise die Art und Weise, wie sich Lisa auf das Namenratespiel mit Rumpelstilzchen vorbereitet oder mit welchem Namen sie schließlich ihren Erstgeborenen bedenkt).
Dadurch, und weil sich der Film die Zeit nimmt, um die bekannte Kerngeschichte eine stimmige, schöne Rahmenhandlung mit zahlreichen gelungenen Figuren (wie zum Beispiel die selbstbewusste, gutherzige Bäckersfrau, gespielt von Alexa Maria Surholt oder der goldgierige König; gespielt von Gottfried John), zu bauen, ist dieses “Rumpelstilzchen” nicht nur eine sehr gelungene Interpretation des Grimm’schen Märchens, sondern eine der besten, vielleicht sogar die beste Märchenverfilmung aus der 2009er-ARD-Märchenstaffel.
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Ohja, Robert Stadlober war einfach fantastisch!
ustig, ohne albern zu sein!
Und doch tut mir Rumpelstilzchen noch immer leid!
Mit Kindern handelt man nicht, schon klar, aber trotzdem ist er doch voll und ganz betrogen worden …
Kommentar by Corry — 28. Februar 2010 @ 02:08
Ja, da gebe ich dir recht. Vielleicht ist es an der Zeit, dass irgendwann mal jemand seine Version der Geschichte erzählt …
Kommentar by Darkstar — 28. Februar 2010 @ 14:24