England im Viktorianischen Zeitalter: Nach mehreren aufregenden Jahren in Indien ist Isabelle Harton mit ihrem Ehemann Frederick nach London gezogen. Gemeinsam haben die Hartons dort eine Internatsschule für Kinder aufgemacht, deren Eltern in den Kolonien leben, sowie für Kinder mit “Talent”, d. h. Kinder mit PSI-Fähigkeiten. Als die junge Sarah von ihren Eltern, die als Missionare in Afrika leben, an die Schule geschickt wird, erkennt Isabelle schnell, dass das Mädchen über besonders starke parapsychologische Kräfte verfügt. Nicht zuletzt auch, weil ein Elementarmagier (Elemental Mage) offenbar großes Interesse daran hat, Sarah und ihre beste Freundin Nan (ein Mädchen aus der Gosse) zu töten. Weshalb, das ahnt zunächst lange Zeit niemand.
Isabelle sieht sich nicht nur dazu gezwungen, mit sämtlichen Schulkindern den Sommer über auf ein abgelegenes Gut aufs Land zu ziehen, um Sarah und Nan aus der Schusslinie zu entfernen, sondern auch, eine schmerzhafte Reise in die Vergangeheit zu machen. Sie braucht die Hilfe von David Alderscroft, dem selbsternannten Wizard of London. David war einst ihre große Jugendliebe, bis er sie aus Gründen, die ihr bis heute noch unerklärlich sind, wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen. Sie ahnt weder, dass dies das Verschulden der mächtigen Elementarmagierin Lady Cordelia war, Davids mütterlicher Freundin, noch, dass es auch Cordelia ist, die düstere Pläne verfolgt und Sarah und Nans Leben bedroht …
Darkstars Meinung
“The Wizard of London” ist ein in sich abgeschlossener Band aus Mercedes Lackeys “Elemental Masters”-Serie. Obwohl er später als die meisten anderen Bücher der Reihe geschrieben wurde, kann er allerdings als Prequel zur Reihe betrachtet werden. Die Titelfigur, David Alderscroft, tritt mal mehr, mal minder prominent auch in den anderen Büchern der Elemental Masters-Serie auf. Man muss die anderen Bücher nicht gelesen haben, um der Handlung folgen zu können.
Ihr für einen Fantasyroman recht ungewöhnliches Setting – das vitorianische England – ist der Trumpf der Romane um die Elemental Masters. Sehr schön fängt Mercedes Lackey Lebensgefühl und Atmosphäre dieser Zeit ein, die sie um zaghafte magische Details bereichert: Es gibt Menschen, die dazu befähigt sind, eines der Elemente Feuer, Wasser, Luft oder Erde zu kontrollieren und dadurch Zauber zu bewirken. Daher der Serientitel. Ebenfalls typisch für jeden Roman der Reihe ist, dass sich Mercedes Lackey für ihren Plot von einem klassischen Märchen hat inspirieren lassen. Im “Wizard of London” ist es Hans Christian Andersens Schneekönigin.
Das Hörbuch kann aber keinesfalls als Märchenadaption bezeichnet werden. Mercedes Lackey hat allenfalls ein paar wenige Grundmotive aus dem Märchen entnommen und sie in ihren episodenhaften Roman einfließen lassen: Lady Cordelia steht dafür stellvertretend für die Schneekönigin, die die bis dahin unbekannte Elementarmagie des Eises entdeckt hat und darüber selbst emotional erkaltet ist. David Alderscroft nimmt die Rolle von Kay ein, den Cordelia/die Schneekönigin zu einer ihrer Kreaturen macht. Er wurde nie von seiner “Gerda” errettet, da es ihm erfolgreich gelungen ist, diese davonzujagen. Erst Jahre später zwingen äußere Umstände diese – hier: Isabelle – ihm zu Hilfe zu eilen. Diesem Handlungsstrang, wenn er auch der alles verbindende rote Faden ist, folgt der Roman nur gelegentlich, der abwechselnd mal Isabelle, mal Nan und Sarah in den Mittelpunkt rückt.
Dem märchenhaften Vorbild zollt Lackey allerdings dahingehend Tribut, dass ihre Figuren sich allesamt klar in Schwarz oder Weiß einteilen lassen. Die sympathischen Charaktere sind oft eine Spur zu zuckersüß, zu charmant; die Antagonistin, obwohl es die Autorin nicht versäumt, ihr eine glaubwürdige Motivation mit auf den Weg zu geben, etwas zu eindimensional.
Es ist schade, dass Mercedes Lackey eher an einem großen Output interessiert zu sein scheint denn an gut ausgearbeiteten Romanen. Denn ein weiteres Mal, wenn auch nicht ganz so stark wie etwa bei Gates of Sleep oder The Snow Queen, enttäuscht das große Finale. Zu glatt und unspektakulär verläuft dieses, zu einfach löst sich der große Konflikt in Wohlgefallen auf und alles ist gut.
The Wizard of London erzählt keine Geschichte, der man wegen ihres aufregenden Spannungsbogens folgt. Dieser plätschert nämlich eher gemächlich vor sich hin, während sich kleine, gleichsam unterhaltsame wie idyllische Episoden aneinanderreihen, die durch ihre Atmosphäre überzeugen: Sie drehen sich meist Sarah und Nan und ihre tierischen Gefährten, den Papagei Grey und den Raben Neville, und um die kleinen Abenteuer, die sie gemeinsam erleben: Sie entlarfen ein falsches Medium; sie finden heraus, durch welches Unglück dem Brunnen im Garten eine traurig-unheimliche Aura anhaftet; sie lernen den schalkhaften Puck vom Feenvolk kennen, der mit ihnen bei einer Schulaufführung von Shakespeares Sommernachtstraum zur Seite steht. Dadurch erinnert das Hörbuch an Romane, die selbst aus der Zeit stammen, in der es angesiedelt ist – “Prinzessin Sara”, “Betty und ihre Schwestern”, “Mary Poppins” und “Anne auf Green Gables” sind nur ein paar Beispiele. Wer solch ruhige, aber mit viel Gespür für Flair erzählte Geschichten mag, kommt auch hier auf seine Kosten.
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