Darkstars Fantasy News


4. Dezember 2010

Interview mit Nicole Peeler

Category: Interviews – Darkstar – 14:00

NachtstürmeNicole Peeler (Nachtstürme) ist eine Frau ganz nach meinem Geschmack. Sie genießt gutes Essen, liebt es zu lachen und schreibt tolle Romane. Wenn ihre kulinarische Neugier sie in ungewöhnliche Gefilde vordringen lässt, teilt sie ihre Erfahrungen gern mit anderen. Ich bin mir sicher, dass ihre unnatürliche Blässe und leuchtend roten Augen nur vorübergehend sind. Immerhin habe ich als Kind Hirn mit Ei gegessen und ich bin total harmlos.

Ähm, ja.

Interview mit Nicole Peeler (geführt von hwm)

Herzlich willkommen zu Darkstar’s Fantasy News, Dr. Peeler!

Danke! Ich freue mich hier zu sein.

Bitte stellen Sie uns Ihre Paranormale Fantasy Reihe vor.

Tempest 2Meine Bücher handeln von einer jungen Frau, die entdeckt, dass sie halb Selkie ist. Selkies sind Gestaltwandler aus den isländischen und schottischen Mythen, die sich in Robben verwandeln. Sie streunen an den Küsten herum und verführen Sterbliche.

Meine Heldin ist das Ergebnis einer solchen Verführung. Ihre Mutter verschwand, als sie noch klein war, also hat sie keine Ahnung von ihrem Erbe. Jane erfährt vom Geheimnis ihrer Mutter, als sie beim Schwimmen im Ozean ein Mordopfer entdeckt. Das zwingt sie dazu, in die übernatürliche Welt ihrer Mutter einzudringen – mit sehr dramatischen Folgen.

Jane ist keine der supertaffen Heldinnen, die die Paranormale Fantasywelt bevölkern, und ich liebe sie dafür. Ihr Heldentum zeigt sich im Alltag – wenn sie der engstirnigen Kleinstadtmentalität die Stirn bietet, ihren kranken Vater pflegt und wenn sie mit dem Gefühl des Verlassenseins kämpft, das ihre Mutter und ihr verstorbener Freund in ihr hinterlassen haben. Warum haben Sie sich für solch einen Hauptcharakter entschieden?

Mir lag sehr daran, die Tapferkeit von echten Frauen zu ehren. Im richtigen Leben sind Frauen auf eine Weise verletzlich, die die taffen Heldinnen in Fantasyromanen nicht sind. Obwohl sie wissen, dass sie nicht unbezwingbar sind, stellen sich Frauen immer wieder großen Herausforderungen, die physisch, psychisch und emotional anstrengend und sogar gefährlich sein können. Also versucht dieses Buch, Frauen wie diese zu ehren; Frauen, die als Krankenschwester, Lehrerin oder Sozialarbeiterin arbeiten; Frauen, die wissen, dass sie verletzt werden können und trotzdem weitermachen.

Ihre Reihe, vor allem der erste Band, hat einen Chick Lit-artigen Ton. Normalerweise spricht mich das nicht so an, aber in Nachtstürme hatte ich kein Problem damit. Erstens machen Sie es gut, zweitens steckt hinter der Leichtigkeit und Frivolität ein subversives Element. Warum haben Sie sich für diese Richtung entschieden und wie sind Sie dabei vorgegangen?

Ich bin froh, dass dir das aufgefallen ist! Ich habe definitiv versucht, subversive Elemente in das Buch einzubauen. Ich bin schon immer ein großer Fan von Satire und Fantasy gewesen und die erste Regel der Satire lautet, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, an denen dir etwas liegt, die Bedeutung für dich haben.

Jane ist meine Antwort auf die amazonenhafte Fantasy Heldin sowie auf Judd Apatow. Seltsam, ich weiß. Judd Apatow schreibt tolle Komödien über Jungs, die im Laufe des Films erwachsen werden (Forty-Year-Old-Virgin, Knocked Up). Oft tun sie das, weil sie dieses total heiße Mädchen getroffen haben. Ich liebe diese Filme, aber ich hasse es, dass Frauen noch immer super heiße, super erfolgreiche Superfrauen sein müssen. Warum können Frauen nicht interessant und liebenswert sein, ohne eine mit Modelmaßen gesegnete Astrophysikerin o.ä. zu sein?

Also, auf eine seltsame Art ist Jane meine Antwort auf all diese Trends in der aktuellen Amerikanischen Gesellschaft. Sie ist meine Allerweltsheldin und ich habe unglaublich viel Spaß, über sie zu schreiben.

Sogar Ihre Dreiecksbeziehung befolgt nicht die “Regeln”. Bitte erzählen Sie uns ein bisschen über Ryu und Anyan und warum Jane sie mag.

Tempest 3Was ich an Liebesromanen nicht mag ist, dass jeder verliebt sein muss, um Sex haben zu dürfen. Das mag romantisch sein, aber nicht realistisch. Ich glaube, dass es mehr darüber aussagt, wie die amerikanische Gesellschaft Frauen darauf konditioniert als wie Frauen wirklich sind.

Zuerst wollte ich über eine Frau schreiben, die Sex hat, nicht über eine, die sich verliebt. Und das nicht, weil sie eine Nymphomanin ist oder freudianische Probleme hat oder weil sie keinen Selbstrespekt hat, sondern weil sie Sex genießt und sich nicht deswegen schämt. Radikal, ich weiß ;-)

Außerdem wollte ich über Leute schreiben, die grundsätzlich anständige Menschen sind und versuchen, einen Partner zu finden und nicht ihren Traumprinzen. Ryu und Anyan sind zwei sehr unterschiedliche Männer, die sehr unterschiedliche Leben führen und beide behandeln Jane anständig. Das „Dreiecksverhältnis”  dreht sich also nicht darum, dass Jane entdeckt, dass einer ein Mistkerl ist, oder darum, dass sie sich nicht entscheiden kann, weil Frauen wankelmütig sind. Jane weiß, was sie will, und es war mir wichtig, das festzustellen, noch während ich zeigte, wie sie über die zwei Männer in ihrem Leben fühlt.

In anderen Worten wollte ich die Beziehungen realistisch darstellen, obwohl sie einen Barghest (Anm.: Schwarzer Hund), einen Selkie und einen Pseudo-Vampir involvieren ;-)

Jane ist halb Selkie und am Anfang von Nachtstürme hat sie davon keine Ahnung. Was hat Sie zu den Selkie-Mythen hingezogen und warum ist Jane ein Halbblut?

Schon als Kind liebte ich die Selkie-Mythen, den Bezug gab’s also schon länger. Und als ich über die Bücher nachzudenken begann, hieß mein erstes Samenkorn Jane. Ich wusste, ich wollte eine Heldin, die zuerst schwach und verletzlich ist, aber immer stärker wird, je weiter die Reihe voranschreitet. Dann fügten sich alle Puzzelteilchen zusammen: durch ihre gemischte Herkunft konnte Jane anfangs darüber im Unklaren und relativ schwach sein; es bedeutete auch, dass in ihr Wachstumspotential steckte.

Außerdem wäre es wahrscheinlich langweilig, über ein Selkie-Vollblut zu schreiben. Ich glaube nicht, dass die viele Hobbys haben – außer Fische fangen und sich in der Sonne aalen natürlich.

Die Geschichte spielt in einem kleinen Städtchen am Nord Atlantik, was gut zu Janes Fähigkeiten passt. Neben Janes ungewöhnlichem Charakter und den subversiven Elementen mochte ich am Roman das Setting am liebsten. Es ist großartig – so lebendig, dass man sich gut vorstellen könnte, selbst dort Urlaub zu machen.  Wie haben Sie dieses Setting erschaffen?

Ich habe versucht zu imitieren wie Kleinstädte funktionieren und wie Beziehungen darin ablaufen. Ich glaube, das ist es, was das Setting so lebendig macht. Die sozialen Geflechte sind ziemlich kompliziert. Sie können erfüllend, aber auch sehr belastend sein.

Was meine Recherchen anbelangt: sehr viel von dem, was du in Rockabill siehst ist echt. Die Alte Sau (Anm. Riesiger Mahlstrom im Ozean) zum Beispiel gibt es wirklich. Ich hätte so etwas nie erfinden können!

Das Setting wäre nichts ohne die Leute, die es bevölkern. Ihre Darstellung von Kleinstadtdynamiken fand ich fantastisch – vom Schönen, übers Dumme, bis hin zum Hässlichen. Wer sind Ihre Lieblingscharaktere in Rockabill? Wem würden Sie am liebsten ein paar Manieren einbläuen?

Irgendwie liebe ich sie alle. Außer Stuart und Linda natürlich ;-) (Anm.: ein Kleinstadtbully und ein engstirniges Lästermaul, die Jane das Leben schwer machen). Aber am meisten Spaß habe ich mit Grizzie (ein ehemaliger Pornostar und Janes Freundin und Arbeitskollegin). Sie ist einfach bombig zu schreiben.

Ich versuche, all meine Charaktere so echt (oder zumindest fast so echt) wie Jane zu machen. Deswegen überlege ich mir kleine Hintergrundgeschichten für die Nebencharaktere – selbst wenn sie nur ein, zwei Zeilen haben. Das ist für Kleinstädte typisch: jeder schleppt Altlasten mit sich herum und jeder weiß davon. Also musste ich ziemlich viel von jedem wissen, um Rockabill zum Leben zu erwecken.

In Meeresblitzen führen Handlungsverlauf und Charakterentwicklung zu einigen Veränderungen. Zum Großteil lassen wir Rockabill und seinen Kleinstadtcharm zurück und machen uns auf ins größere und gefährlichere Boston, wo Jane in einige brenzlige Situationen gerät. Die Geschichte schmeckt ein bisschen weniger nach Chick Lit und ein bisschen mehr nach Abenteuer. Geschah dieser Übergang bewusst? Falls ja, was haben Sie gehofft damit zu erreichen und was bedeutet das für die Zukunft?

Jane verwandelt sich von einer Frau, die nur in ihren Träumen und Büchern gelebt hat, in jemanden, der sehr aktiv ist und das Leben mit beiden Händen anpackt. Teils habe ich das so geplant, teils passiert das unbewusst.

Nicole Peeler MeeresblitzenNachtstürme hat etwas Träumerisches an sich – vieles spielt sich in Janes Kopf ab. Seit Jasons tot hat sie so gelebt. Und sogar davor haben sich Jane und Jason von ihrer Umwelt abgeschottet. Ich glaube, das ist der atmosphärische Wechsel, den du bemerkt hast. Jane entwickelt mit der Zeit ein Außenleben passend zu ihrem Innenleben.

Sie bleibt nachdenklich und verträumt, aber anstatt Dinge immer nur aus zweiter Hand zu erleben, stellt sie sich mehr und mehr dem Leben und seinen Herausforderungen.

Umschlaggestaltung ist zu Recht ein großes Thema. Ihr amerikanisches und ihr deutsches Cover schlagen zwei völlig unterschiedliche Richtungen ein. Was gefällt Ihnen an den beiden?

Ich liebe meine amerikanischen Cover und die Künstlerin, die sich dafür verantwortlich zeichnet. Ich finde, sie macht einen großartigen Job. Die deutschen Covers sind interessant … ich glaube das ist eine Meerjungfrau, oder? ;-)

Ihre amerikanischen Covers sind eindeutig Hingucker und haben viele Anhänger gefunden. Allerdings hat das Cover zu Tempest Rising auch einiges an Staub aufgewirbelt. Sogar das Wort “Kinderpornographie” ist gefallen (auf Dear Author, einem der beliebtesten Romance Blogs). Waren Sie je besorgt, dass das Cover keinen Anklang finden würde und damit ihr Roman? Fühlten Sie und Orbit (Anm.: Verlag) sich bestätigt, als die Bücher zu einem Erfolg wurden und das umstrittene Cover in das namhafte Communication Arts Illustration Annual aufgenommen wurde und sogar den Spectrum Preis gewann?

Ich bin noch immer etwas irritiert über die Kontroverse, die Dear Author aufgewirbelt hat.

Tempest 1Wahrscheinlich hat es mir sogar geholfen, weil es viel Aufmerksamkeit auf die Bücher gelenkt hat. Aber als jemand, dessen Mutter mit vielen Missbrauchskindern gearbeitet hat, halte ich das Herumwerfen von solchen Anschuldigungen für verantwortungslos und extrem geschmacklos. Es ist schwer, sich bestätigt zu fühlen, wenn die Leute, von denen die Anschuldigung kommen, so weit am Ziel vorbeigeschossen haben.

Trotzdem. Ich bin immens dankbar und fühle mich geehrt, solch wundervolle Covers bekommen zu haben und von einem Verlag unterstützt zu werden, der so eine große Vision hat und vor Risiken nicht zurückscheut. Ich glaube, ich bin zu glücklich, als dass ich Bestätigung bräuchte.

(Derzeit) läuft ein Vertrag über sechs Jane True Romane bei Orbit. Haben Sie vor, die Reihe in eine Endlosreihe zu verwandeln oder werden Sie sie mit einem bestimmten Ereignis abschließen?

Jane’s Geschichte hat einen 6-bändigen Handlungsbogen und dabei bleibt es. Ich habe ein paar Ideen für Ablegerreihen mit anderen Charakteren, die ziemlich lustig sein könnten. Aber ich bin ein Verfechter davon, dass Reihen wie Janes, wo der Sinn und Zeck die Entwicklung des Hauptcharakters ist, nur eine bestimmt Zeit lang laufen sollten. Man kann Charakterentwicklung nicht ewig weiterspinnen – man würde schnell ins Lächerliche abgleiten.

Nachdem Sie jahrelang Englische Literatur auf College Niveau gelehrt haben, haben sie eine Position Assistents Professorin an der Seton Hill Universität angenommen und dozieren dort über das Schreiben von Genre Literatur. Hat Ihre akademische Laufbahn Ihnen bei Ihrer Karriere als Autorin geholfen oder geschadet? Gab es Einflüsse in die andere Richtung?

Ich verdanke meine Karriere als Autorin meiner akademischen. Ich hatte nie vor, Schriftsteller zu werden – davon geträumt schon, aber ich konnte nie etwas fertig stellen. Nie. Bis zu meiner Doktorarbeit. Die Arbeit an meinem Doktorat hat mir beigebracht, wie ich ein großes Projekt erträume, umreiße, plane und danach fertig stelle.

Ich habe mein erstes Buch gleich nach meiner Doktorarbeit geschrieben, während ich mich um Jobs beworben habe. Ich hatte nichts zu tun, las ein Buch, das mich inspirierte und habe mich hingesetzt und geschrieben. Nur drei Monate später war Nachtstürme fertig und weniger als acht Monate danach hatte ich es an einen Verlag verkauft.

Ich hätte das niemals ohne meine trockene und ziemlich langweilige Doktorarbeit geschafft. (Anm.: Peelers Romane sind weder trocken, noch langweilig, versprochen!)

Haben sie einen Rat für angehende Fantasyautoren, die daran denken, Literatur zu studieren oder an einem Schreibseminar teilzunehmen?

Wenn du ein Schriftsteller sein möchtest, musst du lernen wie man liest und wie man schreibt. Glaub nicht, dass diese Fähigkeiten selbstverständlich sind! Jeder kann mit seinen Augen ein paar Seiten überfliegen oder ein paar hübsche Sätze formulieren. Aber nur wenn man lernt, wie Sprache und wie Geschichten funktionieren, kann man erfolgreich sein. Und das kannst du nur, idem du alles darüber lernst, wie andere Leute schreiben und natürlich die Grundlagen, angefangen bei der Grammatik.

Vielen Dank, Dr. Peeler, dass Sie sich Zeit genommen haben mit uns zu plaudern. Ich werde Sie nicht länger beim Essen stören. Viel Glück mit ihren Romanen und anderen Vorhaben. Haben Sie ein paar letzte Worte für uns?

Danke, dass ich da sein durfte! Seit langer Zeit habe ich kein Interview mehr so genossen, wie dieses! Ich bin froh, dass dir meine Bücher gefallen haben und hoffe, dass wir bald wieder miteinander plaudern können!

Das wäre toll!

Liebe Leser, ich hoffe ihr habt das Interview genauso genossen wie ich.

Nicole Peeler Zombie IconDas offizielle Erscheinungsdatum von Nachtstürme ist der 8. Dezember. Heyne stellt auf seiner Homepage eine Leseprobe zur Verfügung. Der zweite Band, Meeresblitzen, soll im September 2011 erscheinen. Leser, die des Englischen mächtig sind, können sich indessen schon auf den dritten Band vorbereiten. Tempest’s Legacy wird im Jänner 2011 erscheinen.

Falls ihr mehr über Nicole Peeler erfahren möchtet, könnt ihr sie auf Twitter unter @Nicole Peeler finden oder auf ihrer Homepage www.nicolepeeler.com. Nicole hat einen tollen Blog, auf dem sie über ihre Bücher, Reisen und kulinarischen Abenteuer berichtet.

Ich wünsche euch einen besinnlichen Advent. Ich werde spätestens im Februar mit einem Interview mit Diana Rowland zurück sein.

Nicole Peelers Website findet man hier!

Über hwm:

hwm ist eine Mittzwanzigerin, die reuelos ihrem Laster frönt: dem Lesen von Fantasyromanen. Da niemand in ihrem Umfeld ihre Leidenschaft teilte, wandte sie sich dem Internet zu. Amazon entpuppte sich als ihre Rettung – sie fand dort ein williges Publikum für ihre Ansichten, eine riesige Auswahl an englischen Büchern und eine rückenschonende Alternative, dicke Schinken nach Hause zu transportieren. Man kann hwm noch immer dort finden – vermutlich, weil sie zu faul ist um einen eigenen Blog zu betreiben.

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