Mit Tanja Geke hat Audible die perfekte Hörbuchsprecherin für Juliet Marilliers Sevenwaters-Saga gefunden. Ihre Stimme ist ausdrucksstark, warm und nicht so zuckersüß und hauchig wie die einiger anderer Sprecherinnen. Durch ihre gefühlvolle Intonation gelingt es ihr, Juliet Marilliers magische Welt sowohl in dramatischen als auch in melancholischen Momenten einzufangen.
Im Mai habe ich Tanja Geke in einem Studio in Berlin besucht, wo sie den gerade frisch erschienenen dritten Teil der Saga einlas. Es war spannend, mal mucksmäuschenstill mit in der Kabine des Aufnahmeleiters zu sitzen und die Sprecherin dabei zu beobachten, wie sie auf der anderen Seite der durchsichtigen Scheibe den Text zum Leben erweckt hat.
Und ich stelle fest, was ich bereits geahnt habe: Hörbuchsprechen ist harte Arbeit – die dann am besten ist, wenn man das dem Endergebnis nicht anhört. Tanja Geke, auch bekannt als Synchronsprecherin und Sängerin, ist Profi. Ohne zu Murren folgt sie den Hinweisen des Aufnahmeleiters, wiederholt Passagen, betont sie anders. Dabei ist es doch sehr beruhigend festzustellen, dass sich auch Profis hin und wieder verlesen, ein Wort verschlucken oder in der Zeile verrutschen. „Das kam jetzt unsauber rüber!“ unterbricht der Aufnahmeleiter Tanja Geke zum Beispiel einmal. Schweißperlen stehen ihr auf der Stirn. Es ist ein warmer Tag und in der fast hermetisch abgeriegelten Sprecherkabine muss es ziemlich heiß sein. Tanja Geke trinkt einen Schluck Wasser und liest noch einmal: „Er näherte sich immer weiter dem Klippenrand …“ Sie hält inne, schaut auf und bemerkt: „Der wird wohl gleich dort runterfallen!“ Wir lachen. Die Atmosphäre entspannt sich, dann konzentrieren wir uns alle wieder und Tanja Geke liest weiter. Ein bisschen humorvoll kann es also auch zugehen beim Lesen. Beruhigend.
Ob der Protagonist von der Klippe stürzt oder nicht, habe ich an diesem Tag nicht mehr mitbekommen. Die Sprecherin und der Aufnahmeleiter beendeten die Aufnahmen, bevor das geklärt werden konnte. Stattdessen hat sich die Sprecherin den Schweiß von der Stirn gewischt, uns ein Glas Wasser besorgt, und wir haben uns in einen anderen Raum verzogen, wo sich Tanja Geke meinen Interviewfragen gestellt hat:
Interview mit Tanja Geke
Du hast gerade den dritten Sevenwaters-Band eingelesen. Hast du unter den Büchern oder Figuren einen persönlichen Favoriten?
Eigentlich finde ich alle drei Bücher toll, aber am liebsten mochte ich das erste Buch. Vermutlich wegen des Märchens mit den Schwänen, daran konnte ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern und deswegen hatte ich wohl zu diesem Roman die größte Affinität. Außerdem bin ich eine Märchentante und mochte das Buch total gern – deshalb wollte ich das unbedingt gut machen!
Meine Lieblingsfigur ist Finbar, der Bruder mit dem Schwanenflügel. Und das kleine Eulengeschöpf aus dem dritten Teil, dass zu den Alten gehört. Das ist so niedlich!
Was macht für Dich den Reiz der Reihe aus?
Die Mischung der Romane: Sie sind nicht reine Fantasy, sondern enthalten auch Märchenelemente wie das Feenvolk und die Alten. Es gibt da diesen sprechenden Stein – so etwas mag ich. Das macht für mich den Hauptreiz der Trilogie aus.
Wie bist Du zum Hörbuchsprechen gekommen und was gefällt dir daran besonders gut im Vergleich zum Synchronsprechen?
Das Hörbuchsprechen ist mir mehr oder minder in den Schoß gefallen. Michael Treutler von Audible hat mich eines Tages gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Das war toll, denn die Idee dazu hatte ich selbst schon lange. Ich wusste aber gar nicht, wie ich da reinkommen könnte. Als er das dann vorschlug, habe ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Es war damals ein Teil der Reihe „Die Wächter“, und ich sprach den Part einer Hexe. Dabei hatte ich tierisch Spaß!
Was den Vergleich zum Sychnron angeht: Beim Hörbuchsprechen ist man viel freier. Beim Synchron bist du so wahnsinnig festgelegt. Du musst ja das bedienen, was das Bild zeigt, was die Schauspielerin bereits erfunden und geschaffen hat. Beim Hörbuch gibt es nur den Text, alles andere kann ich frei gestalten. Das ist großartig! Eine riesige Spielwiese …
Hilft Dir Deine Schauspielausbildung beim Lesen?
Das glaube ich auf jeden Fall. Jeder liest ja anders. Ich versuche, die Figuren unterschiedlich zu lesen. Das ist nicht immer einfach, gerade wenn zehn Männer auf einmal in einer Szene vorkommen. (lacht). Das hat dann viel mit Schauspielerei zu tun. Da gehe ich genau so ran, wie ich auch an eine Rolle herangehen würde. Ich stelle mir vor, wie der Mensch – oder das Wesen! – so ist und versuche, eine Stimme dafür zu finden.
Entscheidest Du das intuitiv?
Ein Buch, das ich einspreche, lese ich ja vorher. Und wenn man liest, entstehen Bilder im Kopf. Da formt sich eine Figur, es entsteht ein Gefühl dafür, wie etwas klingen könnte – und ich probiere dann aus wie das klingt, wenn ich es versuche. Es ist nicht immer so, wie ich es gern hätte, aber ich arbeite daran.
Gibt es auch etwas, dass Du nicht gern sprichst?
Beim Synchron das Kreischen. Das kann ich nicht, dieses typische hohe Frauenkreischen.
(Tanja Geke liefert spontan eine Kostprobe ab). Da werde ich immer zweistimmig und überschlage ich mich.
Was ich auch nicht so gern mag sind Horrorfilme. Die habe ich früher synchronisiert, aber das mache ich nicht mehr. Das ist mir zu krass. Ich muss mit diesen Bildern im Kopf herumlaufen – nein! Das brauche ich nicht! (Wir lachen). Inzwischen hat sich das herumgesprochen, das bekomme ich mittlerweile auch gar nicht mehr angeboten.
Wo siehst Du deine Stärken als Sprecherin?
Oh Gott, fiese Frage! Ich finde, es ist schwer, etwas Gutes über sich selbst zu sagen …
Dann formuliere ich es mal um: Was fällt dir leicht und was eher nicht so?
Grundsätzlich finde ich als Herausforderung erstmal alles spannend. Es ist nicht so, dass ich jetzt sage, das oder das würde ich prinzipiell gar nicht machen. Meine Stärke ist vielleicht, dass ich mich immer bemühe, es möglichst gut zu machen.
Was ich auch im Hörbuchbereich nicht sprechen müsste, sind Horrorstoffe. Aber das ist auch eine Gratwanderung. Zum Beispiel Stephen King – den liest ja nun David (Nathan) – den finde ich auch gut. Aber richtig krasser Splatter, das muss nicht sein!
Gibt es bestimmte Kriterien, nach denen du dich entscheidest, was du annimmst?
Das Hauptkriterium ist tatsächlich die Zeit. Passt das in die Planung noch rein oder nicht.
Bevorzugst du kurze oder lange Hörbuchvorlagen?
Ach, toll finde ich es eigentlich, wenn es sich abwechselt. Das hat beides seine Vor- und Nachteile und immer nur eins von beidem fände ich auf Dauer langweilig. Die Ausgewogenheit ist schon schön.
Was ist beim Lesen von einem ungekürzten Hörbuch wichtig, um die Spannung zu halten, um es lebendig zu halten?
Ich glaube man hört, wenn der Sprecher selbst anfängt ,sich zu langweilen oder abschaltet. Das ist natürlich eine Herausforderung, gerade bei so langen Hörbüchern. Auch bei der Sevenwaters-Saga, alle drei Teile sind sehr lang. Ich hatte immer wieder Momente zwischendurch, wo ich mich erschreckt habe und mich gefragt hab: Oh Gott, jetzt müssen sich die Hörer doch zu Tode langweilen! Du liest die ganze Zeit hier so das gleiche, das klingt immer gleich. Da werde ich auch irgendwann wirklich unsicher, weil ich selbst nicht einschätzen kann, ob sich die Spannung wirklich hält, ob man noch gern zuhört.
Deswegen ist es auch so wichtig, immer dabei zu bleiben und es auch für sich selbst interessant zu halten, so dass es dann auch spannend klingt. Aber eine Anleitung, wie das funktioniert, kann ich auch nicht geben.
Wie wichtig ist der Aufnahmeleiter, der noch mit zuhört?
Superwichtig! Das da jemand sitzt, dass man einen Zuhörer hat, einen Spiegel, der dir zeigt, was du da treibst … Der dich auch mal bremst und dir sagt, jetzt wird es aber zu wild, jetzt übertreibst du ein bisschen. Und der auch aufmerksam zu hört. Wenn man so einen langen Text liest, kann einem doch mal eine Betonung durchgehen, die komplett schwachsinnig ist. Man selbst bekommt das in der Situation gar nicht mit. Wenn jemand zuhört, kann der sagen: „Hallo, geh noch mal zurück, denk noch mal nach, mach noch mal.“ Ich finde das extrem wichtig; ich bin sehr froh, dass da noch jemand sitzt!
Wie bereitest du dich auf eine Lesung vor?
Ich lese wie gesagt vorher immer das Buch. Wobei: Ich habe einmal eine Krimiserie eingelesen für Audible, die spielte in der Zukunft in New York. Das waren zwölf Bücher. (Eva Dallas-Reihe). Da habe ich dann irgendwann bei den letzten aufgehört, sie vorher zu lesen. Ich kannte alle Hauptfiguren, die waren mir klar, und es ging immer nur um einen neuen Fall. Um es für mich selbst es spannender zu machen habe ich die letzten Teile dann nicht mehr vorher gelesen. Damit ich selbst nicht weiß, wer der Mörder ist. Das war auch spannend, aber das geht natürlich nur, wenn das Strickmuster sich von Buch zu Buch sehr ähnelt und die Figuren gleich bleiben. Sonst ist das nicht machbar.
Wie sieht ein typischer Tag beim Hörbuchsprechen aus?
Für mich läuft der so ab: Ich komme an, lese die erste Runde, dann machen wir eine Pause. Ich esse was, gehe mal auf Toilette. Dann machen wir die nächste Runde. Das ganze wiederholt sich vier mal. Insgesamt läuft das meist vom 10 bis 16 oder 17 Uhr so. Ungefähr eine Stunde davon ist Pause, verteilt auf den Tag.
Und nach so einem Tag, hast du dann das Bedürfnis nach Ruhe und zu Schweigen?
(Tanja Geke schmunzelt) Total! Danach bin ich total fertig, da könntest du mich in die Ecke hängen. Reden geht im Grunde genommen dann gar nicht mehr. Das ist ganz schlimm.
Da leiden wirklich sämtliche Sozialkontakte, ich kann ja nicht mal mehr telefonieren. Ich mag nichts mehr hören und nichts mehr sagen.
(Anmerkung von Darkstar: Wir haben dennoch nach so einem Tag dieses Interview geführt. Danke Tanja!)
Liest du auch privat vor?
Selten. Ich lese auch privat kaum noch, das finde ich viel trauriger! Aber das schaffe ich gar nicht mehr. Da muss ich dann auf Hörbuchlesungen von Kollegen zurückgreifen.
Gibt es eine Schauspielerin, die du besonders gern sprichst?
Ein paar: Am allerliebsten ist mir eine Französin: Cecile de France. Das bekannteste von ihr ist eine Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“. Die mag ich total.
Ich finde, im Synchronbereich sprichst du oft starke Frauenfiguren. Würdest du dem zustimmen und hast Du eine Idee, woran das liegen könnte?
Oh, interessante Frage, findest du? Ich weiß nicht, woran das liegen könnte. Wenn dem so ist, dann denke ich, das hat mit meiner Stimme zu tun. Zerbrechliche, zarte Frauen stellt man sich eher mit höheren Stimmen vor, die habe ich nun nicht gerade.
Wo wir gerade von Deiner Stimme sprechen: Arbeitest Du an und mit Deiner Stimme?
Ja, ich habe einmal die Woche Gesangsunterricht, ich bin ja auch Sängerin. Und auf dem Weg zur Arbeit spreche ich mich auch warm.
Das sieht bestimmt lustig aus. Bist du mit den Öffentlichen unterwegs?
Nein, da würde ich das auch nicht machen! (Lacht.) Wenn, dann nur im Auto. Und auch da ist mir das manchmal schon etwas peinlich, wenn mir einer entgegenkommt und ich gerade das Gesicht verziehe. (Lacht wieder).
Du hast mehrere Mystery-Stoffe gesprochen, sowohl im Hörbuchbereich als auch im Synchron. Ist das was, dass dir auch privat gefällt, oder ist das nur ein Job & Zufall?
Nein, das gefällt mir schon. Ich mag natürlich auch andere Stoffe und Mystery ist jetzt nicht das, was ich am aller-aller-allerliebsten spreche, aber ich mag es schon gern. Das passt für mich. Das macht mir Spaß!
Was war das Verrückteste, dass du jemals gesprochen hast?
Ich glaube, das war für mein Gefühl Shin Chan, eine Anime-Serie über einen kleinen Jungen, die drei Jahre lang lief. Das war der Anfang meiner Synchronkarriere. Und das hat tierisch Spaß gemacht! Bei so einem kleinen Zeichentrickjungen, da kann man mit der Stimme richtig rumspinnen, das war super! (Lacht) Das war verrückt.
Wenn Du eine fiktive oder historische Figur auf einen Kaffee treffen könntest, wer wäre das und weshalb?
(überlegt) Wen würde ich treffen wollen? Ich glaube, ich fände es ziemlich spannend, Jesus zu treffen. Aber das ist jetzt aus dem Bauch heraus! Wenn ich darüber nachdenken würde, würden mir sicher noch viele andere interessante Leute einfallen!
Fiktiv? Oh je… Balu der Bär?! Das wäre sicher auch lustig! Sorry, ich habe nach zig Stunden Hörbuchaufnahmen gerade nicht mehr genug Tiefgang, um diese Frage befriedigend zu beantworten.
Gibt es einen Stoff, den du gern mal einlesen würdest?
Ja, das habe ich schon ein paar Mal in Interviews erwähnt. Es gibt von Tad Williams „Otherland“. Das finde ich so geil! Das kann ich jedem nur ans Herz legen. Soweit ich weiß, gibt es das auch noch nicht als Hörbuch. Es gibt allerdings ein Hörspiel, deshalb wird es das vermutlich auch nie als Hörbuch geben, aber wow, das fände ich toll!
Gibst Du uns noch einen Ausblick auf Deine nächsten Projekte?
Diese Woche lese ich den dritten Sevenwaters-Teil zu Ende. Danach kommt erstmal Synchron, neue Folgen für Private Practice. (Tanja Geke ist die neue Stimme von Kate Walsh als Addison). Danach kommt ein neuer Film von Woody Allen – und dann kommt bereits der nächste Teil der Schattenwandler: Noah. Noah ist mein Liebling aus der Reihe. Das ist wieder ein bisschen etwas anderes, aber gerade deshalb habe ich mich so über Sevenwaters gefreut. Das ist so anders, hat schon fast etwas junges, märchenhaftes. Das fand ich herrlich: Nicht’s mit Vampiren und Co, sondern so unschuldig!
Wirst Du auch den vierten Teil einlesen?
Das kann ich noch nicht sagen. Wenn wir den jedoch nicht einlesen, werde ich den Teil privat weiter lesen. Die Serie mag ich wirklich. Aber ich würde mich freuen!
Vielen Dank!
Tanja Gekes Website findet ihr hier!
Meine Rezensionen zu den Sevenwaters-Hörbüchern findet ihr hier!
Ein wirklich gelunges Interview und vielen Dank für die vielen Beiträge zu Sevenwaters. Bin gerade beim dritten Hörbuch und kann die Reihe nur jedem empfehlen. Da sich jeder Teil sowohl von der Geschichte, als auch von der Atmosphäre voneinander unterscheidet, ist diese Reihe wirklich sehr gelungen und ich bin schon gespannt auf den letzten Teil… Ein unbedingtes Muss!!!
Kommentar by Axel F. — 29. Juli 2011 @ 09:14
@ Axel F.:
Danke!
“Die Erben von Sevenwaters” ist übrigens nicht der “letzte” Teil; in den USA wird im kommenden Jahr bereits der sechste Roman erscheinen. Darüber wird Juliet Marillier ein bisschen im Interview berichten, das morgen bei mir online geht ,-)
Kommentar by Darkstar — 29. Juli 2011 @ 11:19