Sie gelten als lebende Legende: Die Geißeln von Enharma – eine Heldentruppe, die unter dem Ruf steht, unbesiegbar zu sein und Unmögliches möglich zu machen. Sie sind gleichermaßen gefürchtet als auch bewundert – und keiner weiß genau, wo sie derzeit stecken. Ein Umstand, den sich ein schlitzohriger Vagabundentrupp zu nutze machen will, um ans schnelle Geld zu kommen: Ein Magier, eine Elfe, ein Kämpfer und ein Tiermensch geben sich als Geißeln von Enharma aus, um Aufträge an Land zu ziehen, die gut bezahlt werden. Der Plan hat jedoch einen Haken: Die Gaunertruppe wird von der Herrscherkaste des Landes Aspech engagiert, das in großer Gefahr schwebt.
Einer uralten Prophezeiung zufolge soll sich bereits in wenigen Nächten ein uraltes Ungeheuer, der Untote, aus seinem Grab erheben und das Land mit einer neuen Schreckensherrschaft überziehen. Aspech hat bereits zahlreiche Söldnertrupps zu der von Monstern bewachten Grabstätte gesandt, wo das Ungeheuer ruht. Niemand hat überlebt. Schlimmer noch, der Zauberer Grimlion aus Aspech ahnt, dass ein Verräter aus den eigenen Reihen dafür sorgt, das sämtliche Versuche, den Untoten rechtzeitig unschädlich zu machen, vereitelt werden. Er macht sich deshalb gemeinsam mit den falschen Geißeln von Enharma auf den Weg, die zu oft gescheiterte Mission zu erfüllen. Die sind zunächst voller Enthusiasmus – bis sie, als es auf das Ende der Reise zugeht, feststellen müssen, dass ihr neuer Auftrag vielleicht eine Nummer zu groß für sie sein könnte …
Mit ihrer frankobelgischen Comictrilogie “Die Geißeln von Enharma” erzählen Sylvain Cordurié (Text) und Stéphane Créty (Zeichnungen) eine klassische High Fantasy-Quest, in deren Mittelpunkt neben einigen Archetypen auch mehrere ungewöhnliche Helden stehen. “Die Herkunft der Tapferen” erzählt auf immerhin 64 Seiten den ersten Teil dieser Geschichte. Tatsächlich greift diese zahlreiche Motive auf, die man aus der epischen High Fantasy kennt: ein Heldentrupp aus Außenseitern, der sich in die Rolle gedrängt fühlt, die Menschheit zu retten; gute und verdorbene Zauberer, schuppige Monster, kurvige Frauen, Fabelwesen und blutige Kämpfe vor einer Kulisse aus zerklüfteten Bergen, Wäldern, Schlössern und – etwas untypischer, aber nicht selten: einem tropischen Inselreich. Eine Welt, die Stéphane Créty in seinen Bildern visuell ansprechend umsetzt und die durch die satte, atmosphärische Farbgebung durch Simon Champelovier noch reicher wirkt. Interessant ist dabei vor allem, dass sich der Künstlertrupp gegen klassisch schöne Comic-Charaktere entschieden hat. Während die Bilder selbst sehr ansprechend sind, sind es die Hauptcharaktere eigentlich nicht: Der Magier Mirolas besitzt schütteres, ungepflegtes Haar, eine rote Saufnase und einen Bierbauch, der Meuchler Lörik ist spindeldürr, abgehärmt und deutlich in die Jahre gekommen und der uralte Magier Rusin wirkt nicht weise, sondern untersetzt und hat einem Gesicht, das so von Runzeln und Falten überzogen ist, dass einem schaudert. Andere Figuren – wie etwa die Elfe Fanta und der Magier Grimlion – entsprechen dem klassischen Heldenbild der Fantasy bis ins letzte Detail. Trotzdem unterstreicht die heruntergekommene Darstellung des Heldentrupps die Tatsache, dass die Hauptfiguren auch charakterlich eine Abkehr vom klassischen Idealbilds des Helden in strahlender Rüstung und mit edler Gesinnung darstellen.
Zunächst fällt es ein wenig schwer, in die Geschichte hineinzufinden, da diverse Begrifflichkeiten nicht erklärt werden: Magier heißen hier beispielsweise Sortilegio. Wer kein Spanisch spricht, zerbricht sich zunächst den Kopf, wie der Magier Grimlion nun eigentlich heißt, oder ob er gerade Figuren miteinander verwechselt. Hier wären einige erklärende Worte oder eine Fußnote hilfreich. Zudem wechselt alle paar Seiten – manchmal sogar alle drei Seiten – die Perspektive. Der Autor erzählt die Geschichte aus der Sicht mehrerer unterschiedlicher Figurengruppen, die zwar im weiteren Verlauf aufeinander treffen. Bis das allerdings soweit ist, kämpft man damit, sich auf den Erzählrhythmus einzulassen. Andererseits verstärkt gerade dies das Gefühl, ein episches Fantasyabenteuer zu lesen. “Die Herkunft der Tapferen” ist zwar nicht in sich abgeschlossen, da es aber voraussichtlich nur drei Teile geben wird, darf man sich bei den “Geißeln von Enharma” auf eine dicht gewobene Handlung freuen, die nicht unnötig in die Länge gezogen wird – ein echter Pluspunkt in diesem Genre.
Geister, Monster, Schwertkämpfe und effektreiche Magie: Wer klassische Fantasy liebt, kommt hier auf seine Kosten!
Eine Leseprobe gibt’s auf der Verlags-Website.
Diese Rezension erscheint auch auf Media-Mania!