Nach über zehn Jahren Pause widmet sich Kai Meyer erneut einer seiner erklärten Lieblingsprotagonistinnen, der Unsterblichen Aura Instioris, und präsentiert mit uns mit “Die Gebannte” den dritten Teil der Alchimistin.
Viele Jahre sind vergangen seit dem letzten Abenteuer in Santiago de Compostella. Auras Familie und der kleine Kreis von Unsterblichen ist mittlerweile über ganz Europa verstreut. Die engen Bande haben sich nahezu vollständig aufgelöst. Das Geschenk der Unsterblichkeit bietet alle Zeit der Welt, jedoch nicht die Gewissheit, diese im Beisein geliebter Menschen verbringen zu können. So zieht Aura allein um den Globus, auf der Suche nach neuen Geheimnissen der Alchimie, obgleich sie das größte bereits vor Jahren für sich und ihren Liebsten Guilian entschlüsseln konnte. Der eigene Sohn hat sich von ihr abgewandt und das Leben auf Schloss Institoris scheint seit langem still zu stehen.
Als ihre Mutter, längst dem Wahnsinn anheim gefallen, stirbt, erklingt in der darauf folgenden Nacht um Mitternacht lauter Vogelgesang aus der monströsen Standuhr im Wohnzimmer des Schlosses und bringt damit Ereignisse in Gang, die Aura erneut an fremde Orte führt und neue Rätsel aufwerfen. Ihre Suche führt sie nach Prag, die geheime Hochburg der Alchimie und präsentiert ihr neue und alte, nicht zuletzt aber längst tot geglaubte Bekannte.
So groß meine Vorfreude auf den dritten Band der Alchimistin war, so groß war leider auch die Enttäuschung, die sich recht schnell beim Hören einstellte. Leider kann sich “Die Gebannte” mit seinen beiden Vorgängern nicht annähernd messen. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass ich Band 1 und 2 nur in der Hörspielumsetzung kenne. Diesmal hörte ich jedoch die Romanvorlage als ungekürztes Hörbuch. Dieses wurde von Philipp Schepmann eingelesen und büßt im Vergleich zur Hörspielreihe einen Großteil seiner Faszination und atmosphärischer Dichte ein. Bekannte Stimmen der Branche, natürlich klingende Hintergrundgeräusche und nicht zuletzt die düstere Begleitmelodie verliehen den Geschichten in der Vergangenheit den treffend melancholischen Ton, der zu den schweren Themen und den Tragödien der Handlung hervorragend passte. So entstand eine schwere und drückende Grundstimmung, die eine fesselnde und lähmende Wirkung auf den Zuhörer ausübte. In “Die Gebannte” sucht man diese Stimmung vergebens. Auch die verwendete Sprache der Protagonisten hat an Schwere und Tragik eingebüßt. Die teils flapsigen Redewendungen wollen nicht so recht zum Inhalt passen.
Die Handlung schleppt sich in den ersten Stunden mehr oder weniger konfus dahin und lange fragt man sich, wo der Autor mit seiner Geschichte hin möchte. Erst zum Ende hin klären sich die entstandenen Fragen und endlich entsteht genug Spannung, um mit Interesse dabei zu bleiben. Kai Meyer erweitert in diesem Teil der Alchimistin das Themenspektrum um den Bereich des Okulten und verlässt damit die Pfade der (pseudo)wissenschaftlichen Alchimie, was jedoch nicht weiter schlimm ist. Da das große Geheimnis der Unsterblichkeit bereits gelüftet ist, mag es dem Autor sicher nicht ganz leicht gefallen sein, etwas ähnlich Fesselndes aufzutun.
Ob die Geschichte um Aura Institoris nun abgeschlossen ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Allerdings wäre zu wünschen, dass sich der Autor bei einer weiteren Fortsetzung der Reihe auf dessen Wurzeln besinnt und sein altes Konzept wieder aufgreift.
Das Hörbuch ist exklusiv bei Audible.de in ungekürzter Form erhältlich.