Eine Welt, auf der ein Pilz alles pflanzliche Leben zu vernichten droht und in der ein totalitäres System mit fester Hand über die Menschheit herrscht – in seinem aktuellen Roman “Welt aus Staub” malt Stephan R. Bellem ein sehr düsteres, aber auch erschreckend faszinierendes Zukunftsszenario. Was ihn zu diesem Setting inspiriert hat, wie sich seine Arbeit seit der Veröffentlichung seines ersten Fantasy-Romans bei Otherworld vor fünf Jahren verändert hat und woran er gerade arbeitet, verrät er heute im Interview:
Interview mit Stephan R. Bellem zu “Welt aus Staub”
Was erwartet den Leser in „Welt aus Staub“?
Wenn ich alles richtig gemacht habe, dann eine Geschichte, die ihn ein paar Stunden gut unterhält. Und wenn es mir sogar ganz fantastisch gelungen ist, dann regt sie auch die grauen Zellen an.
Ernsthaft: Eine mögliche – wenn auch sehr unwahrscheinliche – Zukunftsvision. Und keine schöne. Ein totalitärer Staat, der von der Lebensmittelindustrie beherrscht wird. Menschen werden nach ihrer “Wichtigkeit” für dieses System kategorisiert. Und in diesem ganzen Morast aus Korruption, Machterhalt, Bespitzelung und Enge soll neue Hoffnung entstehen? Man kann es zu Beginn kaum glauben.
Wenn Du “Welt aus Staub” mit drei Schlagworten und einer Farbe beschreiben müsstest, für welche würdest Du Dich entscheiden?
Farbe: grau.
Schlagworte: Trist, totalitär aber auch hoffnungsvoll
Siehst Du den Roman eher als Dystopie oder als Science Fiction-Roman? Und wie kam es, dass Du Dich diesem Genre zugewandt hast? Bis dato hat man dich eher in der klassischen Fantasy-Schiene verortet.
Hmm, ich tue mich mit solchen Klassifizierungen schwer, weil ich selbst nicht in diesen Kategorien denke. “Welt aus Staub” ist eine Geschichte, die ich erzählen wollte. Da die Technik weitestgehend der bereits möglichen entspricht, würde ich eher von einer Dystopie sprechen. Science Ficition geht für mich ein wenig weiter.
Im Jahr 2177 ist die Erde ein toter Planet. Ein Pilz hat sämtliche Vegetation vom Angesicht der Welt getilgt … Wie ist die Idee zu diesem Setting entstanden?
Ich habe einen Artikel über einen ähnlichen, bereits existenten Pilz im Internet gelesen. Dann ein wenig recherchiert. Es gibt Pilzsorten, die sich gezielt eine Baumsorte aussuchen und schädigen, bspw. die Esche, was deren Bestand dramatisch reduzierte. Gegen einen anderen Pilz, der bevorzugt Roteichen frisst, könnte man vorgehen, indem man jeden Baum einzeln mit Fungizid behandelt. Das ist aber momentan nicht “kosteneffizient”, darum rodet man die betroffenen Areale lieber. Vielleicht ist der Roman deshalb keine Science Fiction – er ist einfach zu nah an der Wirklichkeit.
Verrate uns bitte etwas über die Hauptfiguren aus „Welt aus Staub“.
Sam wirkt wie ein Weichei. Einerseits ist er ein Träumer, der sich ausmalt, wie ein Planet mit lebensfähiger Flora wohl aussähe. Er hofft, dass die Gesellschaft sich wieder auf Werte wie Mitgefühl besinnt, doch er selbst tut herzlich wenig, dass dies eintritt. Zumindest redet er sich das ein. Irgendwann wird er aber vor die Frage gestellt, ob er einfach so weitermachen will, die Augen verschlossen, oder ob es nicht doch an der Zeit ist, etwas zu ändern.
Elaine hingegen weiß, dass es eine solche “schöne Welt”, wie Sam sie sich vorstellt, nicht geben wird. Jeder kämpft für sich allein, das ist ihre Devise. Und bislang ist sie damit mehr als gut gefahren. Als erfolgreiche Schmugglerin verdient sie mehr als mancher Ingenieur der Oberschicht, doch eines Abends wird auch ihre “heile” Welt auf den Kopf gestellt. Aus einer Laune heraus tut sie etwas, das sie normalerweise nie getan hätte. Sie hilft einem Mitmenschen. Und dann geht für sie der Ärger erst richtig los.
Hat Dich der Roman beim Schreiben auf eine Art und Weise gefordert, wie das zuvor noch nicht der Fall gewesen war?
Ja, in einem Punkt. Es ist relativ “einfach” totalitäre Systeme zu beschreiben, weil wir sie aus unserer Realität kennen und studieren können.
Die Gesellschaft zu skizzieren, die in einer pflanzenlosen Welt lebt, das war wirklich herausfordernd. Und mir ist bei der ganzen schönen Recherche, welche Tiere kosteneffizient gehalten werden können usw. natürlich die Sache mit der Atmosphäre hinten rüber gefallen. Das wollte ich in einer frühen Version des Buchs auch beschreiben, habe es dann aber vergessen. Bumm. Voll ärgerlich.
Du bist über’s Rollenspiel zum Schreiben gekommen. Inwiefern war dieser Einstieg hilfreich und wo war er vielleicht sogar hinderlich?
Bisher habe ich eigentlich nur erfahren, dass es hinderlich ist. Man wird rasch in eine Ecke gestellt, die vielleicht passt, vielleicht auch nicht. Aber ich mag Schubladen nicht. Und sobald die Leute “Rollenspieler” lesen, besetzen sie mich mit diversen Eigenschaften. Vielleicht bin ich hier auch bloß paranoid. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass es ein eher negativ behaftetes Attribut ist.
Seit der Veröffentlichung deines ersten Tharador-Romans bei Otherworld sind inzwischen fünf Jahre vergangen. Wie unterscheidet sich deine Arbeit als Autor heute von der damaligen? Und wie hat sich deiner Meinung nach das Genre in Deutschland seither verändert?
Heute bin ich … vielleicht weniger optimistisch als damals. Aber sicherlich weniger blauäugig. An meinem Stil hat sich natürlich einiges geändert, das bleibt wohl nicht aus. Man entwickelt sich (zum Glück) weiter.
Der Markt ist deutlich umkämpfter als noch vor fünf Jahren. Was ich sehr schön finde, ist, dass es immer mehr JungautorINNEN gibt. Zumindest fallen sie mir seit einer Weile viel stärker auf. Schreiben gilt noch immer als Männerdomäne – warum auch immer. Vor allem die Fantasy.
Aber man merkt, dass die Goldgräberzeiten wohl erst einmal vorbei sind. Neue Projekte haben es sehr viel schwerer. Und die Zahl der Neuerscheinungen wird von Jahr zu Jahr größer, was bedeutet, dass es gerade für Unbekannte ohne riesiges Werbebudget sehr schwer – wenn nicht gar unmöglich – wird, sich zu etablieren.
Zur Zeit schreibst du an einer Live-Biographie über dein erstes Lebensjahr als Ü30-jähriger und gibst dabei nicht nur Einblicke in deinen Autoren-Alltag, sondern auch in dein Privatleben. Wie kamst Du auf diese Idee und hast Du nicht manchmal Angst, zu ehrlich zu deinen Lesern zu sein?
Die Idee schwirrte mir schon eine Weile durch den Kopf. Der Markt ist voll von Biografien, meistens von dieser kurzlebigen Casting-Prominenz. Dazu noch Sportler, deren Leben mit Ende Zwanzig auch vorbei zu sein scheint. Und das beste: die meisten dieser Biografien sind natürlich Auftragsware.
Ich wollte meine eigene Biografie schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass ich den Menschen etwas sagen kann, das ihr Leben in irgendeiner Form berührt. Darum Ü30. Es war klar, dass ich in einem solchen Werk nur authentisch sein könnte, wenn ich auch schonungslos ehrlich wäre.
Dass mein Ü30 Jahr so beschissen wurde, konnte ja keiner Ahnen. Ich hatte zu Beginn noch auf so eine Phoenix aus der Asche Nummer gehofft. “Wächter Edens” und “Welt aus Staub” sollten das Ruder für mich rumreißen. Aber die wollten lieber den Kurs halten.
Mittlerweile geht es aber auch für mich persönlich aufwärts.
Die Angst, zu viel von sich preiszugeben war da, klar. Im Endeffekt bin ich in dem Buch offen und ehrlich, aber mich als Mensch macht doch noch einiges mehr aus. Wer Ü30 liest, der kann meinen Lebensweg im letzten Jahr nachzeichnen, der kennt einige meiner Gedanken, aber nicht mich. Da ist noch einmal ein großer Unterschied.
Ü31 werde ich aber wohl nicht mehr schreiben. Es war ein einmaliges Event, eine Live-Biografie zu machen. Wiederholung fände ich da eher dröge.
Woran arbeitest Du gerade?
Aktuell habe ich einen Dorian Hunter-Teilroman abgegeben. Jetzt arbeite ich an Bluttrinker 2. Daneben ist ein Konzept samt Leseprobe auf Verlagsreise, zwei weitere (ein Thriller und eine Fantasy-Trilogie) sind in Arbeit. Hui, wenn man das so liest, dann könnte man meinen, dass ich noch eine ganze Menge vorhabe.
Das hoffe ich doch! Vielen Dank für das Interview und alles Gute Dir und Deinen Büchern!
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[…] das habe ich auch alles schon in diesem Interview mit Darkstars Fantasy News erzählt. Viel Spaß damit Kategorie: Allgemein Tag: […]
Pingback by Sommerpause — 3. August 2012 @ 09:04