Darkstars Fantasy News


9. Juni 2013

Stephenie Meyer: Seelen
Hörbuch- und Filmbesprechung

Category: Filme/Serien,Hörbücher,Rezensionen – Darkstar – 14:00

Seelen - KinoplakatNach dem phänomenalen Erfolg der “Twilight”-Filme war es nur eine Frage der Zeit, wann Stephenie Meyers Science Fiction-Roman auf die große Leinwand kommen würde. Nächsten Donnerstag ist es soweit: “Seelen” läuft in den deutschen Kinos an.

Rechtzeitig zum Filmstart hat Silberfisch zudem die gekürzte Lesung des Bestsellers noch einmal in einer günstigeren Film-Edition aufgelegt.

Ich habe sowohl den Film bereits gesehen als auch das Hörbuch gehört und werde beide Umsetzungen im Folgenden besprechen. Da sich Film und Hörbuch handlungstechnisch im wesentlichen nicht unterscheiden, zunächst einmal zur Story selbst:

Nicht die zuckrige Liebesgeschichte, die man befürchtet / erwartet

Wer die “Twilight”-Bücher gelesen oder die Filme gesehen hat, erwartet von “Seelen” sicher, dass Stephenie Meyer ihr Augenmerk erneut auf die Liebesgeschichte richten würde. Umso überraschender die Erkenntnis, dass dies nicht der Fall ist. Stattdessen konzentriert sich die Autorin auf die Entwicklung ihrer Hauptfigur, einer Außerirdischen, die durch eine Fügung des Schicksals dazu gezwungen wird, die Lebensweise ihres ganzen Volkes zu überdenken:

Wanderer ist eine Seele. Diesen harmlosen Namen gibt sich eine außerirdische Rasse, die von lebensfähigem Planet zu Planet zieht und diese besetzt: Als Parasiten übernehmen sie auf der Erde die Körper der Menschen, löschen deren Bewusstsein aus und führen eigene, friedliche Leben. Seit sie die Erde kolonisiert haben, ist aus ihr ein gewaltfreier Planet geworden, die Umweltverschmutzung ging stark zurück – aber die Menschheit ist fast völlig ausgestorben.

Die Seele Wanderer kommt gerade von einem anderen Planeten. Sie soll den Körper einer jungen Frau übernehmen, die sich offensichtlich seit Jahren vor den Seelen versteckt hat. Die Seelen hoffen, dass Wanderer in den Erinnerungen ihres Wirts etwas findet, was die Verstecke weiterer Widerständler angeht. Doch etwas läuft anders als sonst: Melanie, die junge Frau, deren Körper Wanderer übernimmt, erweist sich als zu stark. Es gelingt der Seele nicht, Melanies Bewusstsein voll auszulöschen und den Körper ganz in Besitz zu nehmen. Stattdessen teilen sich die beiden fortan einen Körper- ein Umstand, den Wanderer wohlweißlich vor den anderen Seelen geheim hält.

Mehr noch, zu ihrer eigenen Überraschung beginnt Wanderer, sich mit Melanie anzufreunden. Schließlich gelingt es der Menschenfrau sogar, die Seele zu überzeugen, in die Wüste zu fliehen. Dort treffen sie auf Melanies Onkel Jeb, der mit einigen Widerständlern in einem unterirdischen Höhlenversteck eine geheime, phantastische Menschensiedlung gegründet hat. Unter ihnen Melanies kleiner Bruder Jamie und ihre große Liebe Jared.

Doch nicht alle sind davon begeistert, dass Melanie wieder aufgetaucht ist. Können die Menschen einem Körper trauen, in dem eine Seele lebt? Wie viel von Melanie ist wirklich noch in Wanderer vorhanden? Und wie groß ist die Gefahr, dass die anderen Seelen nach ihr suchen? Je besser Wanderer die Menschen kennenlernt, desto mehr zweifelt sie an der Lebensweise ihres eigenen Volkes …

Das Hörbuch

Seelen (Hörbuch Cover)Auch wenn sie sich Stephenie Meyers Geschichte nicht in Tiefgründigkeit verliert, so gelingt es der Autorin doch, innerhalb ihrer Erzählung einige interessante, philosophische Fragen aufzuwerfen. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ebenso wenig damit, wie unwichtig (in der Hörbuchfassung) die Liebesgeschichte ist. Stephenie Meyer hat sich jedoch einen interessanten Twist einfallen lassen: Während Melanie sich weiterhin nach Jared sehnt, der sehr abweisend auf ihren Körper reagiert, kommen sich Wanderer und ein anderer Mensch, Ian, langsam näher und verlieben sich ineinander. Daraus entsteht eine interessante Komplikation, der die Romanvorlage allerdings nur wenig Beachtung schenkt. Stattdessen setzt sich die Autorin mit Themen wie Vertrauen, Recht und Unrecht, Hass und die Fähigkeit zu Vergeben auseinander. Und das recht unterhaltsam. Es ist interessant, dass die Autorin die Geschichte praktisch komplett aus Wanderers Sicht erzählt, nicht aus der von Melanie. Aber genau das macht den Reiz von “Seelen” aus.

Da ist es ein bisschen schade, dass die Rollenmodelle, die Meyer hier präsentiert, leider – vorsichtig ausgedrückt – erzkonservativ sind. Das ist aber fast das einzige, was man dem Hörbuch vorwerfen kann. Das und die Tatsache, dass es – obwohl es sich bereits um die gekürzte Lesung handelt – seine Zeit braucht, bis die Geschichte ins Rollen kommt und den Leser fesselt. Auch zwischendurch gibt es Passagen, die sicher etwas geraffter hätten erzählt werden können. Und im Vergleich zum Kinofilm – auf den ich gleich zu sprechen komme – hätte der Liebesgeschichte doch ein bisschen mehr Raum eingeräumt werden können. Ärgerlich ist auch die etwas zweifelhafte Moral, mit der schlussendlich Melanie, Wanderer und ihre neuen Freunde gegen die Seelen-Invasion vorgehen.

Insgesamt ist “Seelen” aber ganz anders und vor allem packender, als ich erwartet habe. Meyer bedient sich an klassischen Science Fiction-Elementen – dem Motiv der Körperfresser – interpretiert es aber neu und legt ihr Augenmerk nicht auf Effekthascherei, sondern auf das Innenleben ihrer Protagonistin. Als Sprecherin fungiert Ulrike Grote, die für das Label bereits die “Biss”-Bücher der Autorin eingelesen hat. Auch wenn sie nie zu meinen Lieblings-Hörbuchsprecherinnen zählen wird, macht sie ihre Sache gut und liest mit Leidenschaft und dem richtigen Gespür für das Tempo des Buches.

Wer befürchtet hat, dass Stephenie Meyers SciFi-Roman zuckersüß und liebesschwülstig daher kommt, darf beruhigt sein. “Seelen” ist ein ernster, nachdenklich stimmender Roman, der tatsächlich beweißt, dass die Autorin mehr auf dem Kasten hat als über liebeskranke Blutsauger zu schreiben.

Der Film

Die Verfilmung hält sich im Großen und Ganzen stark an Meyers Vorlage, gewichtet aber bestimmte Dinge anders. So spielt im Film das ungewöhnliche Liebesdreieck Jared – Melanie/Wanderer – Ian eine viel größere Rolle.

Wer jetzt die Stirn runzelt und an “Twilight” denkt, sei erneut beruhigt: Dass der Film dieses Gefühlschaos auslotet ist einer seiner ganz großen Pluspunkte. Die Situation ist kompliziert, und zu beobachten, wie alle Beteiligten damit umgehen, macht wahnsinnig Spaß und regt zum Nachdenken an. Zudem rückt es nie so sehr in den Mittelpunkt, als dass der Streifen die Haupthandlung aus den Augen verlieren würde.

Seelen: Wanderer oder Melanie?Dass diese Szenen überzeugend gelingen, liegt natürlich nicht zuletzt am glaubhaften Spiel der Hauptdarsteller: Saoirse Ronan (In meinem Himmel, Wer ist Hanna) überzeugt als Melanie / Wanderer, macht den Zwiespalt ihrer Figur(en) sehr transparent. Auch dank ihrer Mimik und Gestik ist für den Zuschauer erkennbar, wann Wanderer und wann Melanie die Herrschaft über den gemeinsamen Körper hält. Die Chemie zwischen ihr und ihren beiden männlichen Kollegen Max Irons (Jared; bekannt aus Red Riding Hood) und Jake Abel (Ian; Percy Jackson-Filme) stimmt. Darüber hinaus agieren William Hurt und Frances Fisher als Melanies pragmatischer Onkel Jeb und ihre abweisende Tante Maggie.

Seelen - Die Sucherin (Diane Kruger)Der für mich überraschende Star des Films ist allerdings Diane Kruger (Troja, Inglourious Basterds), die hier eine Leinwandpräsenz besitzt, die ich ihr nicht zugetraut hätte. Sie spielt eine “Sucherin”, eine Seele, die davon besessen ist, herauszufinden, wohin Wanderer verschwunden ist und sich durch nichts und niemanden von ihrem Vorhaben abbringen lässt.

Die Rolle der Sucherin ist im Vergleich zur Buchvorlage etwas uminterpretiert und wesentlich erweitert worden – übrigens sehr zum Vorteil des Films, weil dadurch das dramatische Element viel größer und die Spannung konsequent oben gehalten wird. Die Filmversion von “Seelen” weißt nicht die Längen des Buches auf; dafür muss man aber in Kauf nehmen, dass einige Zuschauerfragen nicht beantwortet werden und die Story dadurch einige wenige Logiklöcher zu haben scheint, die die Vorlage gar nicht besitzt. Warum Melanie sich beispielsweise nicht gleich ihren menschlichen Freunden offenbart, bleibt im Film frustrierend unklar.

Seelen - Wanda und IanVisuell überzeugt “Seelen”: Die gewaltfreie, klinisch reine Welt der Seelen bzw. der Sucher ist in pures Weiß, Cremefarben und in Chrom und Silber gehalten und hebt sich so von der schmutzigen, erdbraunen Wüstenlandschaft ab, in der die überlebenden Menschen Unterschlupf gefunden haben.

Ich wünsche dem Streifen wirklich, dass er nicht nur das typische Twilight-Publikum in die Kinosäle lockt, denn er hat das Potential, auch Zuschauer zu überzeugen, die mit Glitzer-Vampiren und liebestollen Schulmädchen nichts anfangen können. Was das angeht, könnte der Twilight-Ruhm sich für den Film sogar eher als Handicap erweisen. Auch wenn die Tatsache, dass die Story von Stephenie Meyer stammt, vermutlich dafür Sorgen wird, dass die Kinokasse klingelt.

Wer sich unsicher ist, sollte sich den Trailer anschauen. Der vermittelt ein sehr gutes Gefühl dafür, was einen im Kino erwartet. Wen der Trailer anspricht, dem wird auch der Film gefallen.

Ein Kommentar »

  1. Endlich mal jemand, der nicht gleich alles von der Meyer in den Boden stampft.
    Ich mochte das Buch von Anfang an gerne, weil ich die Idee der ‘gewaltfreien Körperfresser’ klasse finde. Die übliche Variante ist so banal.

    Aber wieso findest du, dass sie eine erzkonservative Rollenverteilung benutzt?
    Melanie Stryder ist eine echte Powerfrau. Sie zieht alleine los, um nach ihrer Cousine zu suchen, sie hat sich und ihren Bruder lange alleine über Wasser gehalten.

    Kommentar by Djamena — 9. Juni 2013 @ 20:13

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