Meine Schwester starb am 1. März, und das war richtig blöd. Immerhin war das mein Geburtstag.
Es war unser Geburtstag.
Laura war mein eineiiger Zwilling.
“Mein Herz schlägt für uns beide” ist kein Fantasy-Roman. Aber ab und an verirren sich hierher auf meinen Blog auch Bücher, die keine fantastischen Elemente enthalten und doch fantastisch sind. Bücher, über die ich reden möchte und die ich teilen möchte – wie dieses Buch von Suzi Moore. Es geht um eine Familie, der das schrecklichste zustößt, was einem zustoßen kann: Sie verliert eines ihrer Kinder.
Obwohl es sich mit einem ganz traurigen Thema beschäftigt, ist es kein trauriges Buch! Durch die Augen von Lauras Zwillingsschwester Emma als Ich-Erzählerin beobachten wir auf rund 250 Seiten, wie sehr sich das Leben jeden einzelnen Familienmitglieds durch den Tod von Laura verändert hat: Ihre Mutter ist ein nervliches Wrack (“Emma hat solche Ähnlichkeit mit Laura, dass es mir an manchen Tagen schwer fällt, sie auch nur anzusehen.”); ihr Vater vergräbt sich in Arbeit und ihr vierjähriger Bruder schleppt das Lieblingsstofftier von Laura mit sich herum.
Auch Emma ist verändert. Sie ist wütend und traurig und genervt von ihrer Mutter, die ihr seit Lauras Tod alles verbietet, was Spaß macht, weil es “gefährlich” sein könnte. Und manchmal, nachts, wenn sie eigentlich schlafen sollte, spricht sich mit ihrer toten Schwester. Dann geht es ihr besser.
In der Schule ist sie die Sonderbare, die Außenseiterin. Bis Lexi in ihre Klasse kommt, ein echter Wirbelwind mit roter Lockenmähne. Sie nennt ihre Mutter nicht “Mom”, sondern “Hannah”, fehlt oft beim Unterricht und – das ist das merkwürdigste an ihr – sie verbirgt ein Auge hinter einer Piraten-Augenklappe. Lexi wird schnell zum umschwärmten Mittelpunkt der Klasse, und obwohl Emma sie total faszinierend findet und Lexi sie an Laura erinnert, enden die Unterhaltungen mit ihr immer in einer Katastrophe.
Emma muss erst lernen, nicht mehr Teil eines Zwillingspärchens zu sein und sich in einer Welt ohne Laura zurecht zu finden. Über Monate hinweg begleitet der Leser ihre zaghaften Gehversuche und ihre Rückschläge – und beobachtet sie dabei, wie sie zu sich, zu Lexi und zu ihrer eigenen Familie schließlich vertrauen findet.
Mit viel Gespür für ihre kindliche Protagonistin hat Suzi Moore ein berührendes Buch über Trauer, Verlust, Loslassen und Weitermachen geschrieben. Ihr großer Verdienst ist die Authentizität, die jede Zeile von “Mein Herz schlägt für uns beide” durchtränkt. Der Roman scheint tatsächlich von einer Fünftklässlerin geschrieben, deren große und kleine Sorgen und Nöte lebendig und greifbar werden. Dazu trägt auch die Art bei, wie Suzi Moore Dialoge oft darstellt. Ein Beispiel:
Beim Frühstück:
Ich: Ich will meinen Geburtstag ändern, der soll nicht mehr am 1. März sein.
Dad: Ach, wirklich? Willst du auch deinen Namen ändern?
Ich: Ja. Du kannst mich … die Allerhöchste Herrscherin auf der ganzen Welt nennen.
Dad: Also, Allerhöchste Herrscherin auf der ganzen Welt, wann soll denn dein Geburtstag sein? Im November?
Ich: Nein. Zu dicht an Weihnachten.
Dad: August?
Ich: Zu heiß und außerdem sind im August alle in Ferien.
(…)
Man ist emotional ständig sehr dicht bei Emma und versteht, was sie durch macht. Trotz der Trauer um sie herum gibt es auch viele Momente, in denen man mit ihr Schmunzeln und Lachen kann. Dadurch, dass wir erst im Verlauf des Romans begreifen, woran Laura tatsächlich gestorben ist, entsteht zudem eine Spannungskurve, die den Leser dazu bringt, ständig am Ball zu bleiben. Das Geheimnis um Lauras Tod wird zum Schlüssel für das Verhalten der Menschen um Emma.
“Mein Herz schlägt für uns beide” ist ein sehr gelungenes Kinderbuch, das sich sehr unbeschwert, aber aufrichtig mit dem Thema Tod und Trauer auseinandersetzt und aus dem auch ältere Leser noch etwas für sich ziehen können.
Fakten:
Titel: Mein Herz schlägt für uns beide
Autor: Suzi Moore
Originaltitel: Lexiland
Übersetzung: Gabriele Haefs
Aufmachung: gebunden, 267 Seiten
Verlag: cbj
Preis: 12,99 €