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19. Oktober 2013

Chris Howard: Der eiserne Wald

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 18:00

Der Eiserne WaldEine Gastrezension von Sabrina Z.

Es gibt keine Bäume mehr in der Welt. In einer Zukunft, in der die Menschheit ihren Planeten fast völlig zugrunde gerichtet hat, bleiben nur die Baummeister, die aus Schrott und Metall neue Wälder erschaffen und ihren Träumen eine Form geben.

Der junge Banyan ist ein solcher Baummeister. Und ihm bleibt auch keine andere Wahl, als einer zu sein, denn seit sein Vater spurlos verschwunden ist, muss sich Banyan allein über Wasser halten.

Dann aber stößt er auf ein Foto, das alles verändern könnte: Es zeigt echte, wahrhaftige Bäume – und seinen Vater. Entschlossen geht Banyan der Herkunft dieses Bilds nach und begibt sich auf eine gefahrvolle Reise, in deren Verlauf er alles verlieren kann. Oder aber sehr viel gewinnen …

Der Klappentext von Chris Howards “Der eiserne Wald” hat mich auf Anhieb fasziniert. Eine Welt ohne Pflanzen, ein junger Mann, der Bäume aus Eisen nachbaut und die Suche nach den letzten echten Bäumen: Das versprach eine Geschichte mit einem gewissen schwermütigen Zauber.

Bereits nach wenigen Seiten ist klar, dass Schwermut und Düsternis hier durchaus präsent sind – auf eine beklemmend realistische Art und Weise, die rein von der Atmosphäre her ein wenig an die Welt der Hunger Games erinnert. Die Welt ist nicht nur ein karger und bedrohlicher Ort geworden, sondern die Ernährung der Menschen liegt ganz in den Händen eines Konzerns, der genmanipulierten Mais als einziges Nahrungsmittel anbietet und eifersüchtig über dessen Rationierung und Anbau wacht. Das bereitet Gänsehaut, weil es vor dem Hintergrund realer und aktueller Debatten als eine keineswegs unwahrscheinliche Zukunftsvision erscheint.

In der Erzählstimme des Ich-Erzählers Banyan meint man teilweise Anklänge an die betont rotzige Art Huckleberry Finns zu spüren. Auch wenn wir Banyans Alter nie genau erfahren, skizziert seine Erzählweise doch einen Jugendlichen, der alles daran setzt, stark zu wirken – und der innerlich aber alles andere als das ist.

Märchenhaft geht es nicht zu in “Der Eiserne Wald“, eher dreckig und brutal. Dabei gelingt es Howard nicht immer, mit seiner Erzählweise der knappen, prägnanten Pinselstriche auch die nötige Dichte und Nähe zu vermitteln, sodass manchen an sich durchaus dramatischen Ereignissen die Intensität fehlt, um sie für den Leser greifbar zu machen. Dass auf die Ursprünge dieser Welt, wie wir sie im Buch erleben, nur schlaglichtartige Andeutungen geworfen und Infodump-Passagen nach Kräften vermieden werden, mag gerade Liebhaber ausgefeilter dystopischer Szenarien unzufrieden zurücklassen. Ein detailliertes »Warum?« oder »Wie?« liefert der Roman nicht, sondern stemmt nur die Kulissen hoch, die für die Handlung auch erforderlich sind. Ein Gefühl von Tiefe, gerade, wo es um die Frage der Nahrung geht, entsteht dabei durchaus. Störend wirkt hingegen zuweilen die doch etwas plakative Schilderung des Guten und des Bösen, wobei letzteres eben durch den skrupellosen Konzern GenTech vertreten wird.

Hier jedoch werden gerade im letzten Drittel des Buchs die Rollenbilder ein wenig aufgebrochen, und die Motivation mancher Figuren erweist sich doch als komplexer, als es zunächst den Anschein hatte.

Neben dem dystopischen Szenario waren es für mich persönlich vor allem die Figuren, die mich bei der Stange hielten. Auch hier muss man sich auf Howards knappe Art einlassen – doch anders als bei manchen Ereignisschilderungen funktioniert sie bei den Figuren und sorgt durchaus für ein Kopfkino, bei dem plastische Charaktere miteinander in Kontakt kommen. Im Lauf seiner Reise sammelt Banyan nämlich eine bunte Truppe um sich, und wie das gemeinsame Ziel, die Suche nach den legendären letzten Bäumen, diese ungleiche Gemeinschaft zusammenschweißt, ist einfach schön zu lesen. Gesagt sei hier auch, dass Howard keineswegs zimperlich mit seinen Figuren umgeht, und ich persönlich habe bis zur letzten Seite um meinen persönlichen Liebling unter den Figuren gezittert.

Das Finale des Romans kommt dann gleichermaßen tempo- wie actionreich daher und krankt bei aller Dramatik stellenweise wieder an einer Distanz, die sich nicht ganz überwinden lässt, und an dem Empfinden, dass es hier und da doch ein wenig zu schnell geht. Nicht alle Motivationen werden sauber ausgeklügelt, und nicht alle losen Fäden fühlen sich so an, als seien sie angemessen zusammengeführt. Überraschend die Erkenntnis, dass es sich um den Auftakt einer Reihe handelt – allerdings bietet das Ende zwar genug Anknüpfungspunkte und offene Fragen, ist jedoch gleichzeitig abgeschlossen genug gehalten, um keinen Frust aufkommen zu lassen.

Fazit:

Alles in allem bietet “Der eiserne Wald” ein flüssiges Lesevergnügen, das sich kurzweilig nennen ließe, wenn die beschriebene Düsternis der Welt sich nicht teilweise so greifbar anfühlen würde. Trotz einiger Defizite überzeugt das Buch letztlich doch, bietet stellenweise intensive Bilder und ein Figurenset, das sich bei aller Eigenwilligkeit hervorragend ins Herz schließen lässt. Ein dystopisches Roadmovie zwischen zwei Buchdeckeln, das trotz eines bisweilen moralintriefenden Holzhammers gleichermaßen unterhält und nachdenklich macht.

Popcorn, denke ich, werde ich nach diesem Buch eine Weile nicht mehr anrühren.

Sabrina, Jahrgang 1986, lebt zusammen mit einem virtuellen Lama und einem schwedischen Bücherregal in Berlin und Bonn, wo sie sich auf die brotlosen Künste der Altamerikanistik, der Tagträumerei und der Schriftstellerei spezialisiert hat. Außerdem leidet sie an unheilbarer Tee- und Büchersucht, wobei sie vor (fast) keinem Genre Halt macht.

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