Seit sieben Jahren macht die ARD den Märchenfans unter uns zu Weihnachten ein ganz besonderes Geschenk: neue Märchenverfilmungen, aufwändig produziert und modern inszeniert, aber im Geiste den bekannten (und weniger bekannten) Vorlagen treu bleibend.
In diesem Jahr hat man drei Märchen der Brüder Grimm inszeniert und – erstmals – ein Märchen nach Ludwig Bechstein.
Los geht’s am 1. Weihnachtsfeiertag dann um 14:15 Uhr auch gleich mit dem Bechstein-Märchen “Siebenschön”; im Anschluss läuft “Sechse kommen durch die ganze Welt”.
Am 26. Dezember folgen – ebenfalls ab 14:15 Uhr – “Die drei Federn” und “Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen”.
Ich habe alle vier Filme vorab gesehen und kann euch einen kleinen Vorgeschmack darauf geben, was uns erwartet.
Heute gibt es einen Ausblick auf die Filme des ersten Weihnachtsfeiertages 2014:
Obwohl “Siebenschön” zu den bekanntesten Märchen von Ludwig Bechstein zählt, ist es dennoch das Märchen, dass den meisten TV-Zuschauern an Weihnachten vermutlich am wenigsten vertraut ist. Mit der Geschichte um eine junge Frau, die schöner ist als alle anderen um sie herum, eröffnet die ARD dieses Jahr am 1. Weihnachtsfeiertag um 14:15 Uhr ihre Märchen-Premiere.
Als Bauerstochter ist Siebenschön ein einfaches Leben gewöhnt. Sie ist bescheiden, klug und gutmütig – doch alles, was andere von ihr wahrnehmen, scheint ihre außerordentliche Schönheit zu sein. Kaum einen Gang durch das Dorf kann sie wagen, ohne dass ihr die Männer hinterher pfeifen oder die Mädchen ihr giftige Blicke zuwerfen.
Dabei kommt Siebenschön ihr attraktives Äußeres manchmal eher wie ein Segen als wie ein Fluch vor. Sie hat Angst, dass sich niemand die Mühe macht, hinter die schöne Fassade zu gucken. Sie zieht sich in sich zurück und beschäftigt sich mit der Heilkunst und der Literatur. Unterstützung erhält sie dabei von der Nonne Genoveva, einer mütterlichen Freundin, die sie in der Klosterbibliothek unterrichtet.
Als dort eines Tages Prinz Arthur auftaucht, bringt sie kurzerhand einen Schleier vor ihrem Gesicht an. Obwohl er ihr Antlitz nicht sieht, fühlt sich Arthur von der gebildeten, freundlichen jungen Frau angezogen und er richtet es ein, ihr immer wieder zu begegnen. Sehr zum Missfallen seines Vaters – und eines schmierigen Barons, der Siebenschön für sich gewinnen will. Um sein Ziel zu erreichen, heckt er einen grausamen Plan aus …
Von den vier neuen Märchenfilmen der ARD ist “Siebenschön” am ehesten ein “Prinzessinnenmärchen”. Wie in der Vorlage erleidet Siebenschön eine große Tragödie, doch so finster wie bei Bechstein wird es nicht. Die ARD weiß um ihr Familienpublikum und hat nach einem Weg gesucht, den Schrecken aus dem Originaltext etwas abzumildern.
Dafür wird es im Film etwas romantischer. Die Liebesgeschichte zwischen Siebenschön und Arthur ist sehr gelungen, zumal die Botschaft der Verfilmung herrlich ist: Da Siebenschön ihr Gesicht vor Arthur verbirgt, ist es nicht ihre Schönheit, in die er sich Hals über Kopf verliebt, sondern ihr freundliches Wesen. Mehr noch: Sollte sie äußerlich hässlich sein, so sei ihm das egal, denn er mag sie so, wie sie ist.
Magie und Zauberei kommen im Märchen nicht vor. Der Film verlässt sich ganz auf seine Liebes- und Verwechslungsgeschichte. Sehr gelungen ist auch das Ende sowie die Szenen mit der herrlich schrägen Rokoko-Prinzessin Zilly, die den Film deutlich aufmuntert.
In den Hauptrollen spielen Xenia Assenza (“Das finstere Tal”) als Siebenschön, Franz Dinda (“Der Medicus”) als Arthur und Esther Schweins als fürsorgliche Nonne Genoveva.
Das Tüpfelchen auf dem i fehlt dennoch bei “Siebenschön” irgendwie. Die Schauspieler agieren glaubwürdig, Kulissen und Kostüme sind schön, diverse Ideen sind witzig aber insgesamt ist der Märchenfilm eher “nette Nachmittagsunterhaltung” als “moderner Klassiker”. Siebenschön richtet sich vor allem an die Romantiker unter den Märchenfans.
Sechse kommen durch die ganze Welt
Prinzessin Ella liebt Jasper, den mittellosen Musikus am Hof ihres egozentrischen Vaters, und träumt davon, mit ihm die Welt zu bereisen. Als die beiden dem König jedoch mitteilen, dass sie sich eine gemeinsame Zukunft wünschen, ist der freilich alles andere als begeistert. Er lässt Jasper in den Kerker werfen und täuscht seiner Tochter vor, dieser hätte kalte Füße bekommen und sie kurz vor der Hochzeit sitzen lassen.
Ella verzweifelt, Jasper allerdings denkt gar nicht daran, einfach aufzugeben. Im Kerker lernt er den bärenstarken Lukas und die Waldhese Flora kennen, zwei Außenseiter, die nirgends dazu zu gehören scheinen und auch den Zorn des Königs auf sich gezogen haben. Gemeinsam gelingt ihnen die Flucht. Bald schließen sich ihnen die traurige Lisa, der übermenschlich schnelle Läufer Markus und Benjamin an, ein Schütze, der niemals sein Ziel verfehlt, egal wie weit es weg ist.
Mit Hilfe seiner neuen Freunde tüftelt Jasper einen Plan aus, den König zu täuschen und Ella für sich zu gewinnen. Doch der perfide Herrscher greift zu unfairen Mitteln …
Dem klassischen Grimmschen Märchen “Sechse kommen durch die Welt” hat die ARD in ihrer diesjährigen Verfilmung eine ordentliche, (bitter nötige) Frischzellenkur verpasst. Der Plot wurde modernisiert, ein paar Männerrollen wurden durch Frauenrollen ersetzt und die Handlung um eine romantische Liebesgeschichte (und zwei weitere kleinere am Rand) bereichert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen:
“Sechse kommen durch die ganze Welt” ist die mit Abstand beste Märchenverfilmung der diesjährigen “Sechs auf einen Streich”-Staffel und auch generell einer der besten Filme der Reihe überhaupt.
Hier stimmt fast alles: Die jungen Darsteller (darunter Rafael Gareisen als Jasper und Laura Maria Heid als herrlich sympathische Prinzessin) beweisen ordentlich Spiellaune, die eigens für den Film komponierte Musik ist zauberhaft und romantisch und die Geschichte um mehrere Außenseiter, die als Team das Unmögliche schaffen ist einfach schön.
Eigentlich bin ich eher ein Fan von ganz klassischen Märchenfilmen und trauere ein bisschen den ernsteren, melancholischeren und irgendwie verzauberterten tschechischen Verfilmungen hinterher. Zu Anfang von “Sechs auf einen Streich” gab es auch mehrere Verfilmungen, die ebenfalls in diese Richtung gingen. In den letzten Jahren richten sich die Filme aber immer deutlicher an ein junges Publikum und spielen mit viel Humor und mitunter Klamauk und wirken einfach moderner, fetziger, was nicht schlecht ist, aber nicht unbedingt mein Geschmack. Nun gilt das für “Sechse kommen durch die ganze Welt” zwar auch, aber hier stimmt die Mischung!
Vielleicht auch, weil die beiden jungen Liebenden sich 1:1 wie ein modernes Pärchen verhalten. Wenn die Prinzessin mit ihrem Vater spricht, rollt sie die Augen, stampft mit dem Fuß auf und Jasper und sie frotzeln herrlich realistisch. Beiden nimmt man die Verliebtheit total ab.
Und das Schloss des spielsüchtigen Regenten, in dem überall Domino-Steine, riesige Mikado-Stäbe, als Schachfiguren verkleidete Menschen und Bälle stehen, ist zwar überspitzt, aber in seiner Konsequenz überzeugend. Selbst die Palastwache ist einem Kartenspiel nachempfunden – das wirkt ein bisschen so, als wäre der König der Erbe der Herzkönigin aus Alice im Wunderland, der in unsere Welt übergesiedelt ist. Das klassische Ambiente wird durch einige wenige moderne Akzente in Kleidung und Frisur der Prinzessin noch untermalt.
Die Mischung klassische Geschichte, moderne Interpretation funktioniert und macht Spaß.
Unbedingt einschalten!
Beide Filme sind übrigens bereits auf DVD erhältlich:
“Sechse kommen durch die ganze Welt“
Mehr zu den Märchenfilmen: hier!
(c) Fotos:
Siebenschön (c) ARD/ HR & SWR
Sechse kommen durch die ganze Welt (c) ARD/rbb & SR
Oh, schön, neue Märchen. Ich muss zugeben, dass ich von den älteren Verfilmungen immer so niedergeschlagen werde, dass ich sie mir nie ansehen mochte und deshalb wirklich froh bin, dass es diese Neuverfilmungen mit einem modernen Grundton und etwas Witz gibt. Da probe ich dann auch schon mal den Aufstand, wenn der Verwandtenbesuch ansteht, ich aber Dornröschen noch nicht zu Ende geschaut habe. :D
Kommentar by nija — 18. Dezember 2014 @ 16:18
Vielen Dank für den schönen Blogeintrag. Ich mag wie du auch eher lieber klassische Märchenfilme, finde aber auch, dass das Moderne bei “Sechse kommen durch die ganze Welt” mich überraschenderweise nicht gestört, sondern mir gefallen hat. Ich freue mich schon auf 2015, scheinbar gibt es dann ja sogar sechs neue ARD-Märchenfilme, wobei mir ein Titel noch unbekannt ist. Ich bin echt gespannt, wie die diesjährigen Filme quotenmäßig abschneiden werden. Zudem freue ich mich auf deinen zweiten Teil, denn “Die drei Federn” kenne ich noch nicht, da es den Film ja noch nicht auf DVD gibt.
Kommentar by Märchenfan — 20. Dezember 2014 @ 04:08
@Märchenfan: Welches war denn dein Lieblingstitel dieses Jahr?
Und sechs neue Märchen? Das wäre wirklich toll. Vor allem, weil wir ja jetzt immer mehr zu unbekannteren Stoffen vordringen.
Trotzdem: Ich würde mir immer noch “Die Gänsehirtin am Brunnen” wünschen …
Kommentar by Darkstar — 20. Dezember 2014 @ 13:46
@nija: Geht mir genau so. Wenn die Verwandtschaft ausgerechnet dann aufschlägt, wenn Rotkäppchen vom Wolf gefressen wird, kommt man auf Gedanken ,-)
Kommentar by Darkstar — 20. Dezember 2014 @ 16:46
@Darkstar: Von den vier ARD-Märchenfilmen fand ich “Die drei Federn” am besten. Ich muss jedoch dazu sagen, dass ich von keinem Film wirklich enttäuscht bin. Andersherum gab es aber insgesamt schon bessere Filme als die vier diesjährigen. Für 2015 hat die ARD vorerst nur vier Filme offiziell bestätigt. Ich hoffe, dass die anderen beiden Filme dann tatsächlich für 2015 umgesetzt werden. Wahrscheinlich wird man dann als Ausgleich keinen märchenhaften Zweiteiler produzieren, bisher habe ich jedenfalls noch von keinem gehört.
Kommentar by Märchenfan — 26. Dezember 2014 @ 18:19