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13. September 2015

Tom Jacuba: Kalypto – Die Herren der Wälder

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 10:00

KalyptoGeistreich, unverbraucht und sprachlich gekonnt!

In einem Genre, in dem auch hierzulande Jahrzehntelang fast ausschließlich amerikanische und britische Autorinnen und Autoren veröffentlicht wurden, tut sich in den letzten Jahren erfreulicherweise ordentlich etwas.

Auch “Kalypto – Die Herren der Wälder“, Auftaktband eines neuen High Fantasy-Zyklus, stammt aus deutschsprachiger Feder. Tom Jacuba ist allerdings kein Debütant, sondern das Pseudonym eines Autors, der 2001 bereits mit dem Deutschen Phantastik Preis als Autor des Jahres ausgezeichnet wurde. (Wenn ihr wissen wollt, wer Tom Jacuba ist, könnt ihr also hier nachgucken).

Gast-Rezensentin Key hat sich den Auftaktband der High Fantasy-Saga vorgeknöpft und verrät wie immer unverblümt, was sie davon hält.

Zuvor aber noch die Verlagsbeschreibung, damit ihr wisst, worum es in dem Buch überhaupt geht:

Der junge und impulsive Lasnic, Angehöriger des Waldvolks, kann es nicht glauben: Ausgerechnet er wurde von der Ratsversammlung zum Waldfürsten berufen! Kurzentschlossen packt er seine Sachen und flüchtet vor der Verantwortung, ohne zu ahnen, dass er in ein viel größeres Abenteuer hineinstolpert.

Denn im Verborgenen naht eine Gefahr, die alle freien Völker bedroht: Die Magier des vor Jahrtausenden untergegangenen Reichs Kalypto sind wieder erwacht – und sie schicken vier Späher aus, um das Volk zu finden, das sich am besten zur Versklavung eignet

“Was im Namen der Baumgeister geht hier ab?”, fragt sich Key, und verrät dann weiter:

Dieses Buch hatte ich in der Buchhandlung in der Hand, es aber wieder weggelegt, wahrscheinlich weil mir der Klappentext nicht genug Feuer gemacht hat. Jetzt fand dieses Werk dennoch zu mir. Und ohne Untertreibung merke ich schon nach den ersten halben Dutzend Kapiteln, dass hier ein Autor dran gesessen hat, der die deutsche Sprache in ihrer Tiefe auszukosten versteht. Es fühlt sich an wie eine Melodie, so wie er Satzbau und wörtliche Rede nutzt.

Wer steckt hinter dem Pseudonym? Ich kann nur nicken, dieser hat es verdient, mit diversen Preisen behangen zu werden. Die Ideen sind geistreich und unverbraucht. Er spielt, bremst sich nicht, scheut nicht. Sein Erzähler schlüpft in die Perspektiven einzelner Hauptfiguren und dessen Blick fällt auf die Haupthandlung, nur um dann begleitend, wie in Nebensätzen zu erwähnen was um ihn herum geschieht ohne dabei zu sehr abzuschweifen.

Doch nehmt euch in Acht, der Prolog ist einfach fad – jemand der aus einem Traum aufwacht, da könnte man meinen, das wäre ein ziemlich abgedroschener Anfang. Aber dann geht es los. Es ist zwar ebenfalls eine hübsche Karte beigefügt im Buchdeckel, aber ich brauchte sie nicht. Seit langem vermittelte mir rein das erzählte Wort wo ich mich wirklich befand. „Irgendwann, Irgendwo“ mögen vielleicht auf den ersten Blick ziemlich fiese Angaben sein, aber das täuscht. Der Mann mit dem wir es dann erst einmal zu tun bekommen, ist Vogler, der um seine Rotbuche (samt Mitbewohner Rotbuchengeist) herum tigert und weniger Angst vor Flusspardern hätte, als seiner Frau dabei zuzuhören wie sie in den Wehen liegt. Auf seinem Baum sitzt der Wettermann und sein Gehilfe. Kolk Tekla sitzt auf seiner Schulter, ihr Gefährte Schrat fliegt herbei und dann kommen die Schlammwelse!

Kurz darauf leitet Catolis über, die aus ihrem Mondsteinsarkophag entsteigt und sich vom Meister des Schlafes auf den neuesten Stand bringen lässt.

Danach lernen wir die 7-jährige Ayrin des Bergvolkes kennen, denen die Schwertdamen zur Seite stehen, sowie Throngardistinnen und Priesterin. Sie alle schreiten zu den Kuppeln des Mutterhauses um der Ritterweihe der jungen Männer zuzusehen. An ihrer Seite der Harlekin, der mit seinen schlüpfrigen Witzen Queen Mom unterhält, in deren Haar sich nur allzufrüh die grauen Strähnen zeigen.

Alleine diese drei unabhängig voneinander aufgebauten Geschehnisse wünschte ich erst einmal vollends auszukosten. Das ist keine normale Welt, das merke ich sofort.

„Die Prüfung beginnt, das Spiel ist eröffnet.“

Ich gebe zu, ich war beinah versucht, in diese Rezension einfach nur zu schreiben: ‚Empfehlung: lesen Punkt‘ Wäre für mich ja sicher mal eine etwas andere Art der Stellungnahme. Ich hatte schon die Befürchtung, hinter dem Pseudonym stecke ein Name, den ich womöglich kennen könnte, den ich vielleicht einmal geschmäht habe! Aber auch der Name Thomas Ziebula sagt mir bisher nichts – kann man aber mal im Auge behalten. Ich weiß schon nach 30 Seiten, dass ich den nächsten Teil haben werden will. Das passiert ja auch nicht immer.

Man merkt ganz deutlich, Jacuba ist im Fantasy und Sciene-Fiction Bereich beheimatet. Das mache ich zum Beispiel an seinen taktischen Manövern und der Handhabe von 500 Schiffen fest. Catolis Volk, welches das zweite kalyptische Reich einläuten will, entsendet vier Meister in jede Himmelsrichtung, auf dass sie ein Menschenvolk finden mögen, welches stark genug ist diesem Reich zu dienen. Die Sprache der einheimischen Menschen erscheint manchmal rau und subtil. Ihre Lebensweise ist teilweise für etwas über 1000 Jahre belegt, ihre kulturellen Unterschiede massiv. In manchen Momenten fühlte ich mich an das Zukunftsszenario des ‚Cloudatlas‘ erinnert. Wobei man meinen möchte, diese ominöse kalyptische Hohepriesterin mit ihren Kannibalen-Azteken auf Inseln, die die Welt erobern sollen, den Tarkaner – hätte ein leichtes Spiel mit Lasnics und Ayrins Leuten. Wäre da nicht dieses Spiel, dass die Meister aus Catolis Reihen im Wettlauf um das würdigste Volk aufführen. Und wie es scheint ist ein Zauberring auf für den Leser unbekanntem Wege ins Waldvolk gelangt. Der blaue Stein in diesem Ring gebietet über die Macht des ERSTEN MORGENLICHTS. Und so wird es auch die ganze Zeit über im Buch geschrieben; eine Art Zauber dessen Handhabe wohl geübt sein will.

Hier hätte ich mir schriftstellerisch noch größere Unterschiede zwischen dem Volk der erhabenen Kalypto-äh … Kalyptoner? Kalyptiker? Kalypter? gewünscht um noch besser heraus zu arbeiten wie anders beziehungsweise alt sind.

„Armbruscht (…) So nenne mir des do.“

Zum Stil kann man Wiederholungen zählen wie dies hier: „Jetzt hob Lasnic doch den Bogen, spannte nun doch den Pfeil.“ (S. 273) Füllwörter anyone? Oder auch ab und an kleinere Anfälle von akutem Adjektivismus. Ich darf doch sicherlich ehrlich sein, finde ich das schlimm? Nein. (Wisst ihr was mich viel mehr madig macht? Das Achselzucken! Jawohl Achselzucken, vielleicht werde ich darüber mal einen Beitrag verfassen, wie sehr mich diese ratlose, gleichgültige, nebensächliche, plumpe, alltägliche und gelangweilte Geste anwidert. Aber nicht hier und jetzt.) Viel lieber mag ich auf eine andere Sache hinweisen. Auf hübsches Vokabular, das man nicht allerorten finden wird, hier wahllos ein paar Beispiele: „quorksen“, „das Kollern“ und: „nie nicht“. Wenn es ganz spontan nach mir ginge, hätte Jacuba gern noch viel mehr machen dürfen. Sein: Flaumbart statt Jungspunt; sein: Axtmann statt Sensenmann; sein: „ins Vorjahrslaub steigen“ statt ‚ins Gras beißen‘, passt sich hervorragend seinem Waldvolk an.

Ähnlich aber nicht annähernd so hervorragend ausgebaut sind die beiden anderen Völker. Ganz unter gehen Eiswilde und Kalmuler, werden eben nicht gebraucht, sind halt da. Hingegen hat sich Lord Flix (eigentlich: Lord Fridóllusac Rutten Ivúsan Xundorís aus Baldor) einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen erobert: „Tätsch du mich frage, o Lord Lasnic, (…) dann sollten mir die Oiladung von dene Garonese auf koinen Fall annehme.“ (S.331)

Beleuchtet werden in den zu einzelnen Büchern unterteilten Abschnitten zu je 12 Kapiteln immer nur scheint’s sehr wichtige Schlüsselszenen, damit nachher keiner maulen kann: Wieso kann der Junge denn auf einmal mit den Wildtieren so gut? Na weil das im ersten Abschnitt, als er seine erste Beute erlegen wollte, so und so war. Es ist aber beim Lesen einfach schade, gerade am Anfang mehrfach Sprünge von mehreren Jahren drin zu haben. Wäre gern länger bei den einzelnen Figuren geblieben – besonders bei Tarbullo Zlatan ‚Der Tornado‘. Gibt halt nichts besseres, als den gut ausgearbeiteten ‚Bösewicht‘. Bösewicht unter Vorbehalt, für seine Insulaner, ist er der Herrscher der tausend Inseln und potenter Obermotz, nur für alle anderen ist er der braunhäutige Bluttrinker.

Kalypto – Magierin der tausend Inseln“ soll Anfang 2016 erscheinen, ich bin mal gespannt wohin sich das noch entwickelt. Erst einmal gehen diese – ich nenn sie liebevoll – Pygmäen, Baumkuschler, Zwerge und Yetis in eine wohl verdiente Ruhepause. Wobei ihr jetzt nicht auf falsche Gedanken kommen solltet … nur weil die Inselbewohner mit ihrem Vulkan und der Tempelpyramide klein sind; die Waldbewohner auf Bäumen leben im Sumpf; die Bergbewohner sich nicht zu schade sind durch Tunnelsysteme und Stollen zu kriechen (und auch nicht sehr groß) und die Eiswilden … äh hat schon mal jemand überhaupt einen zu Gesicht bekommen? – sind das lediglich Bezeichnungen von mir. Jacuba braucht keine Zwerge, Elfen und Riesen … es sind alles Menschen, die so ihre eigenen Regeln haben.

Wie jedes Spiel, hat auch dieses Regeln und der ein oder andere der vier Abgesandten Kalyptos versucht zu schummeln. Natürlich ist das hier kein ’Spiel um den Thron’. Es ist viel schlimmer und grausamer, denn hier werden die Stämme und Völker gegeneinander ausgespielt wie sorgsam bemalte Spielfiguren beim Tabletop. An sich ein sehr schöner Grundgedanke für den Roman. Allerdings finde ich rückblickend den Untertitel irreführend. ‚Herrinnen der Berge’ wäre hier durchaus angemessen gewesen. Um ‚Herren der Wälder‘ für den kommenden Teil zu sichern.

Und hätte Jacuba die Sprache noch mehr gekitzelt und herausgestellt wie anders die Meister gegenüber den Normalos sind … würde ich nicht scheuen hier das Wort: perfekt zu nutzen. Ab einem gewissen Punkt fängt man nämlich an mitzurätseln wer in welchem Volk dieser Meister ist und mit mehr Zeit in den ganzen übersprungenen Jahren, hätte man da sicher noch sehr viele Hinweise verstecken können und den Leser auch in die Irre führen können, das hätte das Buch wirklich über alle Klassen gehoben. Deshalb gibt es von mir, eine leicht an der Obermarke vorbei geschrammte Wertung.

Ein mit der Waldfurie tanzendes Urteil: Auf jeden Fall mitnehmen! 4 (4 1/2) von 5.

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