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21. Oktober 2015

Stephan Russbült: Lord Limbus

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 21:09

Lord LimbusUnd das Gute am Tod war, dass er wesentlich länger anhielt als das Leben.”

Gast-Rezensentin Key hat sich “Lord Limbus” vorgeknöpft, den neuen Roman des deutschen Fantasy-Autors Stephan Russbült (Die Oger).

Aber bevor sie loswettert, erstmal die Inhaltsangabe gem. Verlag:

Der Erzmagier Reuben lebt zurückgezogen in einem Bergdorf. Krieg verwüstet das Land, und als die Barbaren einfallen, setzt der Magier all seine Macht gegen sie ein – doch die Feinde obsiegen.

Im Moment seines Todes verflucht Reuben die Barbaren und ihre Götter. Ein Fluch mit ungewollten Folgen: Jahrzehnte später erwacht der Magier als Untoter im Limbus, jenem Ort, wo alle enden, die von den Göttern verstoßen wurden.

Von unbändigem Hass erfüllt, kennt Reuben nur ein Ziel: Rache an seinen Mördern.

Und das sagt Key:

Die Götter müssen verrückt sein…

… das wissen Freunde der Fantasy schon seit verdammt langer Zeit.

Ob das Pantheon nun in Erscheinung tritt, ihre Lakaien entsendet oder bloß nur angebetet wird: es ist einfach, alles erklärend auf sie zu schieben. Krankheit, Krieg und Unbilden – irgendein Gott wird schon dran Schuld sein und das unterlegene Volk hat halt einfach an Seinen nicht fest genug geglaubt und nicht genug Opfer dargebracht.

Das Ganze ist auch unglaublich praktisch für den Autor, nicht nur für dessen Charaktere. Er kann allwissende, vorausschauende und endgültige Logiklücken schließen und zur Not behaupten: “Das war Absicht.” (Anmerkung: Absicht: Gott der vertuschten Ausflüchte.)

Da gibt es also dieses Volk der Vandalen… äh Vaalaker… und die haben den letzten Krieg gewonnen. Weil die Menschen aus “Unland” die Tochter ihres Anführers getötet haben! Und dafür haben sie kurzerhand Rache im Namen ihres Gottes “Krieger” gefordert und alles platt gemacht. Dann geht alles 30 Jahre lang gut. Die Sieger erfreuen sich ihrer Gesundheit und den guten Handelsbeziehungen zu den südlichen Ländern und treiben Export mit ihrem nachwachsenden Rohstoff: Sklaven.

Tja. Und dann kommt da so’n Pappenheini daher, der schon seit drei Jahrzehnten verfault und meint auf einmal, er wäre von seinem Gott “der Vater” ungerecht behandelt worden und der Limbus, jene Welt zwischen Tod und Leben, sei ihm zu fad (da is halt echt so gar nix los) und so steigert er sich da jetzt voll in seine Rache rein!

Erst versucht er, nur ein paar kleine Dörfer anzugreifen, aber weil die Schamanen net dumm sind, schlagen sie ihn immer wieder zurück. Und dann will er ganz tollkühn, aber ‘nen hohles Nüsschen, die Hauptstadt angreifen und den Mitas Kaar (Oberschami) ausschalten. Tz tz tz. Klar, dass die Vaalaker das nicht einfach so mit sich machen lassen!

Dafür habe ich einfach drei Köpfe zu viel, wenn du verstehst, was ich meine.“

Die Geschichte wird aus drei Perspektiven geschildert.

Oberschamane Hassbar (und ich glaube der Name ist absolute Absicht), Lich Reuben (so wie auf Seite 269 auch gern mal Reuen oder für seine Freunde: ‚Rosinenschrumpelhirn‘) und der 13jährige Sklave Jacob (öhm… ja einfach nur Jacob).

Es mag sein, dass der Tod nicht ansteckend ist, macht aber jetzt mit einem Totenerwecker auch wenig Sinn, diesen und anderen Irrglauben zu trauen. Deswegen wacht der halb vermoderte Reuben nun in genau dem Tempel wieder auf, in dem er zu Grunde ging und wundert sich erst mal nicht weiter, was genau um ihn herum los ist.

Bis auf einmal der verfaulte Bürgermeister ihm helfend eine Eisenstange reicht. Ja, das war jetzt auch eher ein Versehen, den Kerl wieder auf die Beine zu bringen und Reuben stellt fest: Er war zwar mal Erzmagier, aber seine Zauber leiden ein wenig unter dem Todsein. Der Limbus scheint da seine ganz eigenen Regeln zu haben. Zum Beispiel die, dass sich “flüchtige Sachen” nicht halten, wie Wind oder Wasser.

Im Handumdrehen stellt Reuben dann noch ein paar andere Dinge fest: zum Beispiel, dass er gar nicht mehr atmen muss. Was äußerst praktisch ist, auch wenn er das immer wieder vergisst. Und als nächstes bastelt er sich seine Armee zusammen: Ghule, Zombies und Skelette, Banshees, Verzehrer, Gruftschrecken, Höllenhunde und einen prächtigen Nachtmahrhengst. Ihm zur Seite steht dabei nicht viel Intelligenz, er ist auf sich allein gestellt und wagt immer mal wieder einen Vorstoß in die “Lichtwelt”.

Und löst damit versehentlich die Auslöschung des Limbus aus. Toll … da war es bis dahin doch so friedlich, man konnte ganz entspannt tot sein und vor sich hin verwesen und vergessen werden.

Und darum geht es hier wirklich:

Um einen Mann weit über die Midlife Crisis hinaus, der einfach nicht will, dass er in die Geschichtsbücher eingeht als: Reuben? Who the f* war bitte dieser Reuben? Aber lieb haben kann man ihn schon, diesen alten Lord:

Um genau zu sein, benötigte man zwei Eigenschaften: große Macht, um es möglich zu machen, und das Kind in sich, um diese Macht nicht zum Bösen zu verwenden.”

Wirklich ins Herz geschlossen habe ich Nyle, das kleine Ghoulkind – wobei vielleicht auch eher der Kindghoul. Das ist verwirrend, ich weiß, aber ICH habe genauso wenig Ahnung von den Regeln wie Reuben. Gut, ich hab jetzt aber auch keinen Rachefeldzug der Untoten geplant!

Da kommt es dann doch wirklich gelegen, dass wenigstens EINER in diesem ganzen Roman Ahnung hat: Drilling Gru (und ja, dieser glatzköpfige Jüngling taucht zu dritt auf.) Der will auf Teufel komm raus sich mit Reuben anfreunden, stößt aber nicht auf viel Gegenliebe – was sehr schade ist, denn die Gespräche der beiden – äh der Vier – sind stets sehr unterhaltsam!

Wirklich viel mehr Grips als bei den Untoten braucht man auch bei den anderen Charakteren nicht erwarten. Die kriegerischen Horden sind billiges aber schön blutiges Frischfleisch, wenn sie nicht gerade saufen und sich gegenseitig die Köppe einschlagen oder eben ihre Sklaven misshandeln. Und die Sklaven sind halt aufgrund ihrer niedrigen Stellung auch nicht sehr gebildet. Da blitzt hier und da noch mal ein bisschen Initiative und Intuition auf, aber was will man von Kindern dann letztlich auch erwarten?

Lich(t)blick war dann Callum.

Nun zumindest auf den ersten Strahl. Denn dieser Greis kümmert sich um die kleine Ava und kauft Jacob, um ihn freizulassen. Warum weiß er anscheinend selbst nicht. *hö hö* von wegen.

Als es dann aber darauf ankommt, hält er sich plötzlich wahlweise für einen Zauberer oder eine Blumenbinderin – und wenn die Sache so richtig brenz„lich“ wird, wird er einfach ohnmächtig und freut sich, dass die beiden Halbstarken ihn über ein Handelsschiff quer durchs Land nach Middar gebracht haben. Im Sinne: „Oh wir machen einen Strandausflug, wie schön!“ Während im Hintergrund das Schiff untergeht! Da hab’ ich echt geschmollt, mit meinem Faible für schicke Kapitäne war ich da echt traurig. Sei es, wie es ist, auf den alten Kerl ist also auch kein Verlass. Das lässt jetzt nicht mehr viel Spielraum.

Laaanges Fazit:

Dieses Buch hat die besten Voraussetzungen, um aus einem klassischen Antagonisten, den Laufburschen des Teufels, die Geißel der Menschheit, den Verabscheuer allen Lebens, einen – wenn nicht sogar DEN – Hauptcharakter zu machen. Reuben ist intelligent, mächtig und doch klebt in seinem untoten Herz noch ein Hauch Liebe und Fürsorge. Ideale Voraussetzungen um etwas Großartiges zu erschaffen.

Wie Autor Russbült auf seiner Homepage ankündigt: Er wolle Geschichten schreiben, die er selbst lesen wollen würde – kann ich es verstehen, was die Faszination an Reuben ausmacht.

Doch hat er sich diesen Ansatz ungeschickt selbst verbaut. Ich mag nicht spoilern, denn wenn man dieses Buch liest, hat es schon einige schicke Höhepunkte. Der Hirsch zum Beispiel war herrlich. Ich sehe nur in den Beweggründen des Lich keine Rache – ganz im Gegenteil – sondern Wiedergutmachung. Was dann irgendwie etwas kontraproduktiv läuft. Darüber hinaus hatte Reuben zu keinem Punkt in der Handlung die Oberhand, denn der Schamane war schlichtweg besser.

Außerdem schade ist, dass die Vaarlaker als das Grundböse dargestellt werden. Rauben, morden, brandschatzen, man kann gar nicht oft genug betonen, wie abgrundtief verdorben dieser Menschenschlag ist. Damit es dem Leser leichter fällt, hier von Gut und Böse zu unterscheiden und um Reubens Treiben in das richtige Licht zu rücken.

Aus dieser Idee hätte man etwas Besonderes machen können.

Aber so, kann ich jemandem, der wissen möchte, worum es in dieser Geschichte geht, nicht einmal erklären, was der Limbus ist, geschweige denn ob es hier einen tieferen Hintergedanken gab, außer dass jeder an jedem mit Blut Rache nimmt und die Götter sich das ansehen wie HartzIV-TV.

Von mir deshalb ein hartes ungnädiges Urteil, zu dem ich ein Glas des schweren süßen Rotweins aus Ratalla probiere: “Das war schon ganz gut, aber das kannst du bestimmt noch besser!”

Diese Gast-Rezension stammt von Key.

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