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20. November 2015

Kathrin Lange: Herz aus Glas

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 08:00

Heute noch frage ich mich manchmal, wieso ich bei Davids Anblick sofort ans Fallen denken musste.

Gemeinsam mit ihrem Vater verbringt Juli in Kathrin Langes “Herz aus Glas” die Winterferien auf Martha’s Vineyard, einer Insel vor der Küste Massachussetts. Julis Vater, ein Bestseller-Autor, soll im Herrenhaus seines Verlegers sein jüngstes Romanmanuskript vollenden; der wahre Grund für ihren Besuch ist allerdings, dass Juli sich um David kümmern soll, den 18jährigen Sohn des Hausherrn. Dessen Freundin sprang vor sechs Wochen von den Klippen der Insel in den Tod, und offenbar gibt sich David die Schuld daran. Seither gilt auch er als Selbstmordgefährdet.

Die Aufgabe, der sich Juli stellen muss, ist alles andere als leicht, denn David verhält sich ihr gegenüber widersprüchlich: mal wortkarg und kalt, dann wieder traurig und manchmal auch freundlich. Wider besseres Wissen entwickelt sie langsam Gefühle für den jungen Mann. Doch dann gerät sie selbst in Gefahr. Denn ein über zweihundert Jahre alter Fluch sucht den Ort heim. Die Schiffbrüchige Madelaine Bower stieß ihn einst aus. Jeder, der sich auf den Klippen der Insel verliebt, ist dem Tod geweiht. Davids Freundin ist nicht die erste, die dem Fluch zum Opfer fiel. Vor ihr fanden bereits zahlreiche Frauen durch einen Sprung in den Ozean den Tod.

Juli glaubt nicht an Flüche. Doch als auch sie nachts geisterhaftes Wispern vernimmt, unter Erinnerungslücken zu leiden beginnt und von einer schönen Frau in einem blutroten Kleid träumt, bekommt sie es mit der Angst zu tun …

Meine Meinung

Die eiskalte Dezember-Stimmung, das zugige Herrenhaus, ein Touristenstädtchen im Winterschlaf und die scharfkantigen Klippen, an denen sich die eisigen Meereswogen brechen: Kathrin Langes “Herz aus Glas” ist die perfekte Mystery-Romanze für die kalte Jahreszeit!

Sowohl Setting und Charaktere wissen zu gefallen, und die mysteriöse Handlung lädt zum Miträtseln ein. Geht auf Martha’s Vineyard wirklich etwas übernatürliches vor? Wandert der Geist von Madelaine Bower tatsächlich nachts über die Insel? Oder ist das alles nur Aberglaube und jemand versucht, Juli in den Wahnsinn zu treiben? Für sie verwischen schnell die Grenzen zwischen Traum und Realität, und so weiß man ebenso wenig wie Juli, was echt ist und was nur Einbildung.

Erst zum spannenden Finale hin legt die Autorin dann ihre Karten auf den Tisch; manches mag der eine oder andere Leser schon erraten haben, anderes überrascht dann dennoch plötzlich. Es ist schön, dass Kathrin Lange mit den Erwartungen des Lesers spielt, Details einbaut, die fast schon zu offensichtlich scheinen, sich dann aber als etwas anderes offenbaren als man es vermutet hat.

Zudem besitzt die Autorin einen sehr schönen Schreibstil, dem man allenfalls vorwerfen kann, dass die Metapher, dass sich Juli fühlt, als würde sie selbst oder ihr Herz aus Glas bestehen, für meinen Geschmack einige Male zu oft strapaziert wurde. Juli ist eine emotionale Heldin, ohne schwach oder nervig zu sein, und das hat mir ebenfalls gut gefallen.

Herz aus Glas kann für sich stehend gelesen werden. Die Handlung wird mit dem Buch zufriedenstellend zu Ende geführt, auch wenn sich Kathrin Lange noch ein Hintertürchen offen gelassen hat. Kein Wunder, denn bei dem Roman handelt es sich um den Auftakt einer Trilogie.

Auch wenn ich die Figuren des Buches nach Umschlagen der letzten Seite mit ruhigem Gewissen in eine unbestimmte Zukunft entlassen könnte, bin ich allerdings gespannt, was in Herz aus Scherben auf sie zukommt.

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