Nachdem ich mich bereits seit mehreren Jahren sowohl als Blogger als auch in meiner Tätigkeit als Redakteur für die Nautilus und als Gutachter mit dem phantastischen Literaturbetrieb in Deutschland intensiv beschäftige, habe ich beschlossen, dieses Thema hier im Blog aufzugreifen. Und weil ich nicht nur mein gefährliches Halbwissen in die Waagschale werfen wollte, dachte ich, es sei interessant, mal ganz freundlich, aber direkt bei den Verlagen nachzufragen, bei denen geteilte Bücher erschienen sind oder in Kürze erscheinen werden, und die verantwortlichen Lektoren zum Thema zu Wort kommen zu lassen.
Erfreulicherweise haben alle, die ich gefragt hab, auch sofort zugesagt, zur “Bücher-Teilung” Stellung zu nehmen. Ihre – wie ich persönlich finde – interessanten Antworten lauten wie folgt:
Carsten Polzin (Piper-Verlag) schickt voraus:
“Teilungen kommen heutzutage sehr selten vor. In jedem Fall sind sie äußerst bedauerlich – aus Sicht des Lesers, aber – was viele nicht im Blick haben – auch aus Sicht des Verlags. Denn Romane, die in sich abgeschlossen sind, haben größere Chancen auf Erfolg und lassen sich besser vermarkten. Es ist also nicht so, dass man sich über ein besonders dickes Werk aus den USA freuen würde, im Gegenteil. Wir setzen alles daran, eine Teilung zu vermeiden. Das führt im Extremfall dazu, dass man sich als deutscher Verlag gegen die Veröffentlichung entscheidet, weil die Bücher zu lang sind. Sie müssten zu einem utopischen Ladenpreis verkauft werden, den niemand bezahlen wollte.”
(Mehr zu einer Buchkalkulation gibt’s übrigens weiter unten).
Welche Gründe gibt es dann für einen deutschen Verlag, einen US-Roman zu teilen? Macht ein Verlag wirklich mehr Profit mit zwei Büchern statt mit einem?
Sämtliche Verlage räumen natürlich ein, dass finanzielle Gründe bei der Entscheidung eine Rolle spielen. Klar, ein Verlag sei ja auch ein Wirtschaftsunternehmen und müsse Geld einnehmen, um erfolgreich fortbestehen und weiterhin Autoren einkaufen zu können.
Teilweise flößen für ausländische Autoren riesige Beträge, für die man sich problemlos ein Traumhaus bauen könne.
Carsten Polzin: “Bei einem herausragenden Roman steht man dann vor der Frage: Gar nicht veröffentlichen oder teilen?
Es darf nicht sein, dass Spitzenautoren nicht auf dem deutschen Markt Fuß fassen können, weil sie an einer solchen Hürde scheitern. Dann entschließt man sich lieber dazu, zwei günstige Ausgaben in schneller Folge herauszubringen. Wie gesagt sind das aber absolute Ausnahmefälle.”
Beim “Rad der Zeit” beispielsweise habe das auch historische Gründe. “Denn die Bände waren bis 2003 beim vormaligen Verlag (Heyne) in geteilter Form erschienen, und als wir die Serie übernahmen, gab es nur die Möglichkeit, sie im Taschenbuch fortzuführen, um den Reihencharakter zu erhalten.
Deswegen gibt es daneben auch die “Original”-Bände, die die Rad der Zeit-Romane wie im amerikanischen Original ungeteilt präsentiert. Wer also die große, komplette Ausgabe bevorzugt, bekommt sie auch auf Deutsch.”
Die Mär, dass eine Splittung produktionstechnisch manchmal unumgänglich wäre, ist falsch:
“Produktionstechnisch ist es nicht notwendig. Mittels speziellem Papier (man denke an Bibeln) kann man 1.500 Seiten zwischen zwei Buchdeckel packen.” erklärt Urban Hofstetter vom Penhaligon Verlag.
Aber: “Nur wird das dadurch nicht günstiger als zwei separate Bücher. Man spart zwar am Einband, aber das Teuerste ist das Papier. Es werden ja nicht weniger Seiten und es wird ein sehr spezielles Papier und ein aufwändigeres Druckverfahren nötig.”
Ein kleines Rechenbeispiel:
2 Bücher mit je 700 Seiten kosten jeweils 19,99 €.
1 Buch mit 1.400 Seiten kostet 39,99 €
“Die Buchhändler würden bei diesem Preis sicher zögern, das einzukaufen”, vermutet Penhaligon. Kaum ein Leser würde für einen Roman 40 € hinblättern, daher würde man den Preis auf 24,99 € setzen und letztlich damit Verluste machen.
Stephan Askani von der Hobbitpresse verweist auf die einbändige rote Ausgabe des Herrn der Ringe: “Oft wird uns gesagt, Der Herr der Ringe sei neben der dreibändigen Ausgabe auch in einer einbändigen Ausgabe erschienen.
Die einbändige Der Herr der Ringe-Ausgabe aber ist eine Dünndruckausgabe, in kleiner Schrift, auf besonderem Papier, deshalb auch hochpreisig. Sie ist mit 49,95 € teurer als die beiden Teile von “Die Furcht des Weisen” zusammen sein werden.”
Das heißt, rein durch die Buchteilung machen die Verlage nicht automatisch einen großen Gewinn?
“Eine sehr fundierte Buchkalkulation rechnet Hans-Helmuth Röhring in seinem Fachbuch Wie ein Buch entsteht (Darmstadt, 2011) vor”, berichtet Askani. “Danach bleiben dem Verlag bei 22,95 € Ladenpreis gerade mal 3,30 €, um die gesamten Verlagskosten und die Übersetzung zu decken. Die Differenz zum Ladenpreis fließt in die Mehrwertsteuer, den Händlerrabatt, die Druckkosten, die Honorare des Autors, die Vertriebsprovisionen und in Werbekosten.”
Ich glaube, gerade das ist vielen Lesern gar nicht so bewusst. Mir jedenfalls war nicht bewusst, dass von rund 3,30 € pro Exemplar auch noch Übersetzungkosten gedeckt werden müssen.
Und gute Übersetzungen sind in Deutschland teuer. Amerikanische Verlage müssen die gar nicht tragen. “Klett Cotta”, erklärt Stephan Askani, “investiert sehr viel Zeit und Geld gerade in die Übersetzung des Werks “Die Furcht des Weisen” und in das Lektorat.”
Zu recht, steht doch der Vorgängerband “Der Name des Windes” für seine auch in der deutschen Übersetzung erhalten gebliebenen sprachlichen Schönheit hoch in der Gunst der Leser.
Durch die Übersetzung wird’s länger
Sebastian Pirling (Heyne) betont: “Die Teilung des Romans (Sandersons “Way of Kings” in “Der Weg der Könige” und “Der Pfad der Winde“) ist letztlich auch aus produktionstechnischen Gründen erfolgt: Die Übersetzung ist – übrigens charakteristisch für das Deutsche – erheblich länger als das englische Original, und der Druckprozess durch die vielen Illustrationen so aufwändig, dass der Roman physisch nicht in ein Buch gebunden werden konnte.”
Und warum ergeben ca. 990 Seiten amerikanisches Originalmaterial in einer deutschen Buchausgabe ca. 1.300 bis 1.400 Seiten?
Als Richtwert gibt Pirling an, dass eine Übersetzung aus dem Englischen aufgrund der sprachlichen Eigenheiten immer ca. 1/3 länger wird.
Askani ergänzt, dass amerikanische Verlage oft auch ein größeres Buchformat haben, da passt mehr auf die Seite.
Zudem “braucht die deutsche Sprache mehr Raum als das Englische, wie jeder, der mit Übersetzungen zu tun hat, weiß.” Er rechne mit ca. 15% mehr Text. Bei vielen Dialogen können es auch schnell 20% und mehr werden, weil für jede Frage und Antwort jeweils neue Zeilen begonnen werden.
Ein weiterer Grund: Verkürzung der Wartezeiten
Aber es gibt auch noch einen weiteren Grund, der den Verlagen zufolge für eine Zweiteilung spricht: “Vor allem in der Fantasy erscheinen Romane oft in Reihen, die nie enden wollen”, erklärt Penhaligon. George R. R. Martins Erfolgszyklus ist da nur ein Beispiel. Um die Wartezeit für Leser zu verkürzen, ist eine Aufteilung sinnvoll.
Gerade in Zeiten, in denen so mancher Autor Jahre für die Vollendung eines nächsten Bandes braucht, ist diese Idee nachvollziehbar.
Und last but not least:
Viele Verlage sprechen eine Teilung mit dem jeweiligen Autor ab!
Klett Cotta berichtet, dass man sich in der Teilungs-Frage mit dem Autor abgesprochen hat:
“Die Teilung [von Patrick Rothfuss’ “The Wise Man’s Fear” in “Die Furcht des Weisen – Teil 1” und “Teil 2“] und auch die genaue Stelle ist selbstverständlich mit Autor Pat Rothfuss abgestimmt.
Übrigens: In anderen Ländern wird “The Wise Man’s Fear” in drei Bände aufgeteilt werden.”
“Das ist ein wichtiges Argument”, bekräftigt auch Heyne: “Die Teilung ist mit Zustimmung des Autors erfolgt, der selbst die Stelle vorgeschlagen hat, an der der Roman geteilt wurde.”
So, ich hoffe, dieser Artikel hat den einen oder anderen dazu bewegt, über das Thema “Bücherteilung” mal etwas intensiver nachzudenken – oder zumindest interessiert und gut informiert. ;-)
Abschließend möchte ich allen Lektoren und Presseleuten, die so ehrlich und geduldig auf meine Fragen geantwortet haben, ein großes Dankeschön aussprechen.