In einem Augenblick steht Spitzenanwalt Wallace Price noch (wie meist) in seinem Büro. Im nächsten befindet er sich auf einer Beerdigung. Und zwar auf seiner eigenen.
Wallace ist tot, und so recht traurig scheint darüber, wie er nun feststellt, niemand zu sein. Statt ihn in den Himmel – oder in die Hölle?! – zu begleiten, schleppt ihn seine Sensenfrau Mei in die skurrile Teestube von Hugo Freeman, Wallace designiertem Fährmann ins Jenseits.
Bevor er diese Reise antreten darf (oder muss?), verbringt Karrieremensch Wallace jedoch noch eine Zeit in Hugos seltsamer Zwischenwelt. Und bekommt so die Gelegenheit, noch einmal über sein Leben und vertane Möglichkeiten nachzudenken. Und wer weiß, vielleicht tut sich ja ausgerechnet hier eine neue Chance auf …
Meine Meinung
Das unglaubliche Leben des Wallace Price gehört zu jenen Büchern, die ich wirklich extrem gern gemocht hätte – aber nicht gemocht habe. T. J. Klunes warmherzige Art zu schreiben und seine queeren Geschichten wurden mir schon so oft ans Herz gelegt, dass ich es kaum erwarten konnte, in den Roman einzutauchen.
Und vielleicht ist das das Problem. Vielleicht hätte ich mit einem anderen seiner Bücher anfangen müssen. Denn um ehrlich zu sein: Mit diesem hier wurde ich nicht warm.
Um es vorwegzunehmen: Es ist auch nicht wirklich schlecht! Ich bin sicher, es wird seine begeisterten Leser:innen finden, denn das philosophische Thema, das Klune aufgreift, ist schön und wurde von ihm auch streckenweise toll umgesetzt.
Ein Wort zum Figurenensemble
Das unglaubliche Leben des Wallace Price ist ein sehr charakterorientierter Roman – auch etwas, das ich eigentlich extrem gern mag. Das Problem für mich war hier allerdings bereits die Titelfigur selbst. Wallace ist ein egozentrischer Karrieremensch, ziemlich rücksichtslos und nicht empathisch – und deshalb fällt der Einstieg in das Buch schwer. Klune konzentriert sich auf die Situationskomik, die daraus entsteht, dass sein Protagonist nach seinem Tod erst mal überhaupt nicht mit dem neuen Status Quo zurechtkommt. Leider hat das auch nicht für mich funktioniert. Und, für mich deutlich problematischer: Ebenso gelang es mir, eine emotionale Verbindung zu den anderen Figuren aufzubauen.
Sobald Wallace in Hugos Teestube ankommt, vergrößert sich das Figurenarsenal und das macht das Buch besser. So recht in den Bann gezogen hat mich jedoch kein Nebencharakter.
Stark sind vor allem die berührenden Momente im Buch. Diese kamen mir jedoch zu spät und zu selten.
Irgendwann zu Beginn des dritten Drittels habe ich Das unglaubliche Leben des Wallace Price abgebrochen und den Rest nur noch quergelesen. Und wenn das Buch nicht von T. J. Klune gewesen wäre, hätte ich letzteres vermutlich noch nicht einmal getan.
Was für den Roman spricht, sind Klunes schöner Schreibstil, den auch die Übersetzung durch Michael Pfingstl gut eingefangen hat, das Einweben diverser und queerer Themen (Wallace z. B. ist bisexuell) und das Konzept der “gefundenen Familie”.
Im Buchregal warten noch zwei weitere Romane von T. J. Klune auf mich: Der SPIEGEL-Bestseller “Mr. Parnassus Heim für magisch Begabte” und Klunes Superhelden-Jugendbuch “The Extraordinaries“. Auf beide freue ich mich extrem. Ich glaube, dass mich durch einen dieser beiden Titel der Klune-Zauber erreicht, denn das kann ich sagen: Schreiben kann der Autor.
Das unglaubliche Leben des Wallace Price ist als Klappenbroschur im Heyne Verlag erschienen. Ein E-Book gibt es natürlich auch. Ob der Roman etwas für dich ist, solltest du am besten dann entscheiden, wenn du dir die Leseprobe angeschaut hast.
Du suchst weitere Fantasy-Bücher mit queeren Figuren? Zahlreiche Buchtipps findest du in der Rubrik “Gay Friday”.