Lynn Flewelling war für mich seinerzeit eher eine Zufallsentdeckung. Über ihren ersten Roman bin ich eher zufällig gestolpert, als er 1998 bei Bastei-Lübbe unter dem Titel Das Licht in den Schatten hierzulande erstveröffentlicht wurde. Nach Durchlesen des Klappentextes hätte ich den Roman sogar beinahe nicht gekauft. Es war jedoch der Tipp des Buchhändlers meines Vertrauens (“… wirklich lohnenswerte Lektüre, obwohl der Hauptprotagonist nun … äh … schwul zu sein scheint”) der mich dazu bewegt hat, zuzugreifen und in Null-Komma-Nichts hatte mich Lynn Flewelling am Haken.
Zu meiner absoluten Lieblingsautorin wurde sie jedoch durch den unschlagbar guten Fantasy-Roman The Bone Doll’s Twin – bis heute der beste charakterorientierte Fantasy-Roman, den ich jemals gelesen habe.
Lynn zählt zu den wenigen Autoren, von der ich alle Bücher ausnahmslos gelungen fand und deren Werke auch meine Mutter alle gelesen hat. Aus diesem Grund freut es mich besonders, dass sie sofort dazu bereit war, mir für diese Seite ein sehr ausführliches Interview zu geben und sogar noch das Cover-Bild für ihren neuen Roman mitzuschicken, damit ich ihn hier posten kann – und das obwohl zu diesem Zeitpunkt diese Seite noch gar nicht existierte.
Unter “weiterlesen” findet ihr jetzt das Interview in ganzer Länge. Den englischen Originaltext werde ich übrigens ebenfalls in Kürze hier posten – das für all diejenigen, die es ganz genau wissen wollen.
Lynn Flewelling Interview
Du hast eine große Fangemeinde in Deutschland. Deshalb diese Frage gleich zuerst: Hast du Pläne, Deutschland zu besuchen um deine Bücher zu promoten – oder einfach zum Spaß?
Nebenbei bemerkt, der Otherworld Verlag hat gerade die Rechte an der Tamír-Trilogie erworben, so dass bald alle drei Bücher auf Deutsch erhältlich sein werden.
Zur Zeit arbeitest du an einem weiteren Nightrunner-Roman (Schattengilde). Ich kann mir vorstellen, du darfst zu diesem Zeitpunkt nicht zu viel verraten, aber vielleicht kannst du uns erzählen, warum du dich dazu entschlossen hast, dieses familiäre Setting wiederzubesuchen. Und wie fühlst du dich dabei, einen weiteren Alec & Seregil-Roman zu schreiben?
Mein Herausgeber hat mir inzwischen das Umschlagsbild geschickt – es ist fantastisch! Ich habe es auch in meinem livejournal gepostet: http://otterdance.livejournal.com. Veröffentlicht werden soll das Buch in den USA am 24. Juni 2008. Ich arbeite gerade an der Fortsetzung, zu der es aber bisher noch keinen Titel gibt.
Um ein bisschen bei den Nightrunners zu bleiben: Als du “Luck in the Shadows” (dt.: Das Licht in den Schatten) geschrieben hast, wußtest du von Anfang an, dass daraus eine ganze Romanreihe werden würde?
Ich weiß du hast gesagt, es wird keinen weiteren Tamír-Roman geben. In einem der Seregil-Romane erfahren wir jedoch, dass Tamír während eines Krieges auf See verschollen war und es lange Zeit dauerte, ehe sie zurückkam und ihre Krone zurückforderte. Das klingt doch nach einem ziemlich genialen Plot. Besteht die Chance – vielleicht innerhalb eines Nightrunner-Romans, dass du uns von diesen Ereignissen mehr erzählst?
Wenn ich die beiden neuen Nightrunner-Romane geschrieben habe, könnte ich darüber nachdenken, einen weiteres Tamír-Buch zu schreiben, wenn mir eine gute Idee hierzu über den Weg läuft. Wie ich bereits sagte, ich möchte wirklich gute Geschichten schreiben und ich warte so lange, bis sie zu mir kommen.
Was ist für dich der Hauptunterschied zwischen den Nightrunner-Büchern und der Tamír-Trilogie? Waren diese Reihen für dich unterschiedliche Schreib-Erfahrungen?
Ja, sehr unterschiedliche. Ich glaube, wir Schriftsteller stecken sehr viel von uns selbst in unsere Werke, in der einen oder anderen Form, und bei diesen beiden Serien ist das auf sehr unterschiedliche Weise zu Tage getreten.
Als ich Traitor’s Moon (dt.: “Unter dem Verrätermond”) fertig hatte, war ich wirklich erschöpft und brauchte Veränderung. Ich hatte Tamír als nichts weiter als ein Stückchen Geschichte erfunden, über die sich Seregil auslassen konnte, aber ihr Schicksal drückte sich für Jahre in meinem Hinterkopf herum. Als ich also mit den Nightrunner-Jungs fertig war, sprang sie ins Rampenlicht meiner Gedanken und verlangte Aufmerksamkeit. Ich bin froh, ihr zugehört zu haben. Ich bin sehr stolz auf diese Bücher.
Was ist sonst so geplant von der Autorin Lynn Flewelling? Kurzgeschichten oder etwas ähnliches?
Im Vorwort eines deiner Romane erwähnst du Anne Bishop. Und sie erwähnt dich in einem der ihren. Kennt ihr euch also beide?
Ja, sie ist eine gute Freundin! Vor Jahren hat mir ihr Verleger den ersten Black Jewels-Roman zugeschickt, damit ich eine Empfehlung dazu abgebe. Ich hab’ ihn gemocht und einen guten Kommentar abgegeben. Anne hat mir geschrieben, um mir dafür zu danken und wir sind in Kontakt geblieben. Sie ist eine großartige Brieffreundin. Ein paar Jahre später bin ich nach Buffalo gezogen, wo sie lebt, und wir hatten Gelegenheit, Zeit als Freunde zu verbringen. Jetzt lebe ich in Kalifornien, aber wir eMailen uns immer noch oft und sehen uns auf Conventions.
Könntest du dir eine Zusammenarbeit mit ihr (oder jemand anderem) vorstellen oder ist das nicht dein Ding?
LOL!
Davon abgesehen habe ich diesen geheimen Traum, eines Tages jemanden zu finden, der sehr gut im Erfinden von Plots ist. Derjenige könnte den Handlungsrahmen einer Geschichte erarbeiten und ich könnte mich auf die Charakterentwicklung, die Dialoge und das Worldbuilding konzentrieren. Das sind meine Lieblingsaspekte beim Geschichtenerzählen.
Was glaubst du ist der Grund dafür, dass so viele Fantasyautoren ihre Geschichte als Trilogie erzählen?
Ich gebe J. R. R. Tolkien die Schuld.
Zur Zeit scheinen sehr epische Fantasy-Sagas mit zahlreichen Teilen und einer riesigen Anzahl Charaktere sehr “in” zu sein, wie z. B. “A Song of Ice and Fire” (dt.: Ein Lied von Eis und Feuer). Wäre das Schreiben eines solchen Mammutprojekts eine Obtion für dich?
Manchmal passiert es, dass die Leute einen Roman eines Autors (oder eine Figur) mehr lieben als alle anderen. Und ich könnte mir vorstellen, dass die Leser dich das auch wissen lassen. Ist es manchmal schwer, damit umzugehen?
Ja, manchmal, vor allem dann, wenn ein Buch gerade frisch heraus kommt. Es ist dann dein brandneues Baby und du wünscht dir, dass jeder es liebt. Glücklicherweise wurde bislang keines meiner Bücher generell abgelehnt. Traitor’s Moon (dt.: “Unter dem Verrätermond”) erhielt die meisten unterschiedlichen Resonanzen. Die Leute haben es entweder gemocht oder gehasst. Ich glaube, das liegt daran, dass manche Leser die gleiche Art Geschichte wieder und wieder hören wollen, und ich wollte ein anderes Terrain erkunden.
Hast du Pläne, einen Roman zu schreiben, der nicht im Nightrunner-Universum spielt? Oder gar in einem anderen Genre?
Warum eigentlich Fantasy? Was ist deine persönliche Meinung: Was macht das Genre so anziehend für manche Leser (und Autoren)?
Ich webe [in meine Werke] ebenfalls viel meiner Lebenserfahrungen mit ein, wenn auch in synthetisierter Form. Mutterschaft und Kinderkriegen, Liebe und Sex, Alpträume, Stricken, Jagen … all diese unterschiedlichen Arten von Schnee und wie die Luft riecht, Essbares, das man im Wald findet… nicht zu sprechen von meiner Erfahrung in der Tier-Autopsie im Labor im College. Ich beziehe sehr viel Dinge auch aus richtig widerwärtigen Erfahrungen.
Glaubst du, ein Autor ist für seine Werke verantwortlich? Und können Bücher etwas im Leser verändern?
Ja, und ja, zumindest meiner Erfahrung nach. Ich habe alle mögliche Art von gutem Feedback erhalten, in dem es darum ging, das Leser sich durch etwas erhellt oder berührt fanden. Durch die Nightrunner-Bücher erhalte ich natürlich sehr viel Post über die sexuelle Ausrichtung.
Bittet dich dein Verleger darum, Änderungen in deinen Büchern vorzunehmen – oder verlangt er das gar? Musstest du jemals dramatische Änderungen vornehmen? Und was war seine Reaktion, als du offenbart hast, dass einige der Figuren schwul sind?
Der erste Entwurf ist der schwerste Teil für mich. Das Umschreibe- und Editier-Stadium macht sehr viel Spaß und ich füge dabei oft nette neue Passagen mit ein.
Dank des “Herrn der Ringe” und “Harry Potter” werden viele erfolgreiche Bücher zu Kinofilmen verarbeitet oder für’s Fernsehen optioniert. Gibt es Chancen, dass eines deiner Bücher bald den Sprung auf die große Leinwand schafft? Fändest du das toll oder eher nicht?
Momentan ist nichts geplant. Ich würde ernsthaft darüber nachdenken, wenn ein Angebot hereinkäme, aber, um ehrlich zu sein, würde ich mir auch Sorgen darüber machen, wie Hollywood die Bücher verändern würde. Romane schaffen es beinahe niemals auf den Bildschirm, ohne dass ihre ursprünglichen Elemente heil bleiben. Wie dem auch immer, wenn Peter Jackson vor meiner Tür stünde, mit Johnny Depp, Russell Crowe, Peter O’Toole und Vanessa Redgrave im Schlepptau? Nun, ich würde sie sicher nicht weg schicken!
Erinnerst du dich noch daran, wovon deine erste Geschichte (oder dein erster Roman) handelte? Wie hast du bemerkt, dass du Talent zum Schreiben hast?
Als ich in der achten Klasse war, gab ein Student einen Kurs über Kreatives Schreiben. Das war immer noch sehr neu damals. Sie schrieb ein paar Titel an die Tafel und wir durften uns einen aussuchen und darüber eine Geschichte schreiben. Meine erste war “Zehn Tage im Ameisenhügel” und war eine Science Fiction Story über einen Mann der (irgendwie) auf die Größe einer Ameise geschrumpft wurde und mit ihnen gelebt hat. Ich besaß eine Ameisenfarm (sind die auch in Deutschland üblich, frage ich mich gerade?) und wußte viel über Ameisen. Ich erhielt eine Eins.
Als ich nach dem College mit dem Schreiben anfing, bekam ich unglaubliche Unterstützung durch meinen Ehemann. Ihr müsst ihm dafür danken, dass ich das erste Buch fertig gestellt habe und all die anderen.
Was hälst du für deine Hauptstärke als Autorin?
Ich glaube – und basierend auf dem Feedback, das ich bekomme gehe ich davon aus – dass meine größte Stärke das Erschaffen von denkwürdigen Charakteren ist, denen sich Leser wirklich nahe fühlen können. Das ist definitiv der Teil den ich am meisten genieße.
Wenn du eine fiktive Figur (aus deinem eigenen Werk oder dem eines anderen) treffen könntest: Wer sollte es sein und warum?
Wow! So viele. Ich würde gern alle meiner Charaktere treffen, aber besonders gern Seregil, Alec, Ki und Tamír.
Was die Charaktere anderer Leute angeht? Sherlock Holmes und Watson. Mina Harker. Mary Renault’s Alexander der Große und Bagoas. Anne Rice’s Lestat und Louis, Bradbury’s Eletric Grandmother, Don Marquis’ artige poetische Kakerlake, Archy … Ich könnte jetzt weiter und weiter aufzählen, aber das vermittelt dir einen Eindruck.
Ich weiß nicht, ob du selbst noch Zeit zum Lesen findest, aber welche Art Bücher magst du? Welche Autoren kannst du empfehlen? Und wie wählst du ein Buch im Geschäft aus? Nur durch einen Blick aufs Cover?
Wenn ein Cover mir auffällt, lese ich den Umschlagsrücken und die ersten paar Seiten. Wenn die mich nicht fesseln können, stelle ich es ins Regal zurück. Ich werde eher vom Namen des Autoren beeinflusst als von der Umschlagsgestaltung. Und manche Umschlagsbilder schrecken mich ab; wenn ich nicht wollte, dass man mich dabei sehen würde, wie ich es in der Öffentlichkeit lese, kaufe ich es nicht.
Du pflegst einen sehr engen Kontakt zu deinen Fans durch deine Website, dein Livejournal und deine Yahoo-Gruppe. Deshalb gehe ich davon aus, dass du das auch gern magst. Aber hattest du auch schon unangenehme Erfahrungen in diesem Zusammenhang?
Ich liebe es, mit meinen Lesern in Kontakt zu sein. Ich bin eine gesellige Person und mit so vielen Leuten auf der ganzen Welt in Kontakt zu stehen ist großartig. Oft unterhalten wir uns über Dinge, die überhaupt nichts mit meiner Arbeit zu tun haben, und das ist auch nett. Sie schicken mir auch sehr viel Fan Art, was wirklich toll ist. Ich habe eine Art Gallery auf meiner Website.
Was ich nicht zu Gesicht bekomme, ist nicht mein Problem.
Gibt es eine Frage, die du schon immer in einem Interview gestellt bekommen wolltest, die bis heute jedoch nie aufgetaucht ist? Jetzt hast du die Chance: Welche Frage wäre das und bitte gib uns auch gleich die Antwort darauf.
Du hast sie bereits gestellt, und dabei noch sehr gut!
Vielen herzlichen Dank für deine Zeit und dafür, dass du so nett warst, meine Fragen zu beantworten. Vielleicht können wir das ja eines Tages wiederholen.
Jederzeit.
Alles Gute für deine anstehenden Romane und sowohl für dein Arbeits- als auch dein Privatleben!
Danke!
Lynns Homepage findet ihr unter:
Hallo,
haben Sie schon eine Information,
wann Shadows Return in der deutschen Übersetzung erscheint
Vielen Dank für Ihre Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Iris Michels
Kommentar by Iris Michels — 4. März 2008 @ 14:47
[…] Autoreninterview mit Lynn findet ihr hier (deutsch) und hier (englisch). Tags: « Ellen Kushner auf […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Lynn Flewelling & Schwulen-Rechte | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 22. März 2008 @ 15:14
[…] Interviews mit Lynn findet ihr hier und […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Jahresvorschau 2011: Lynn Flewelling | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 31. Dezember 2010 @ 07:04