Darkstars Fantasy News


16. September 2008

George R. R. Martin: Das Lied von Eis und Feuer – Teil 1 (Hörbuch)

Category: Hörbücher,Rezensionen – Darkstar – 21:57

Das Lied von Eis und FeuerMit “Das Lied von Eis und Feuer” hat George R. R. Martin zweifelsfrei eines der spannendsten und beliebtesten Fantasy-Epen geschaffen, die bisher verfasst wurden. Weltweit hat die Geschichte der Herren von Winterfell und ihren Freunden und Feinden ihre Anhänger gefunden, es gibt Kalender zu den Romanen, Comic-Adaptionen von Kurzgeschichten, die im Dunstkreis der Bücher angesiedelt sind, Sammlerfiguren, Rollenspielsysteme – und jetzt auch erfreulicherweise eine ungekürzte Hörbuchversion der ersten Teile!

Worum es geht

Seit sie Seite an Seite gekämpft haben, um die Tyrannenherrschaft der Targaryens zu beenden, sind die Adelshäuser der Baratheons und der Starks in enger Freundschaft verbunden. Während Robert Baratheon nach gewonnenem Kampf zum König des Kontinents Westeros ausgerufen wurde, behilet Eddard Stark seinen Status als Wächter des Nordens: Vom Familiensitz Winterfell aus herrscht er über die nördlichen Regionen Westeros’.

Als „die Hand“, der engste Berater des Königs, unter mysteriösen Umständen stirbt, ist es Eddard, der von Robert gebeten wird, sein neuer Ratgeber zu werden. Zwar scheut sich Eddard, seine vielköpfige Familie zu verlassen, als aber der Tross des Königs samt der ganzen royalen Familie in Winterfell auftaucht und der Vorschlag offeriert wird, die politische Allianz der beiden Adelshäuser durch eine Hochzeit weiter zu festigen, sieht sich Eddard gezwungen, auf den Handel einzugehen. Schließlich wird durch eben diese Hochzeit seine älteste Tochter eines Tages Königin des ganzen Kontinents werden.

Als es jedoch zu weiteren „Unfällen“ kommt, die auch seine Familie betreffen, wird Eddard misstrauisch. Roberts Ehefrau, die Königin, und deren Geschwister scheinen eigene Pläne zu verfolgen. Bald ist ihm klar, dass das Spiel der verschiedenen Adelshäuser um den Königsthron wieder begonnen hat. Was er jedoch nicht ahnt ist, dass jenseits des Meeres die letzten verbliebenen Targaryens ebenfalls ein Bündnis schmieden, das ihnen helfen soll, ihre verlorene Vormachtstellung wiederzugewinnen – und dass sich hinter den Grenzen der zivilisierten Welt im Reich der klirrenden Kälte und des ewigen Eises dunkle Wesen regen und sich anschicken, ihr Schattendasein aufzugeben und die Welt der Menschen zu erobern.

Wie es ist

Inspiriert von den englischen Rosenkriegen hat der amerikanische Autor George R. R. Martin ein gewaltiges Fantasy-Epos geschaffen, das sich als Überraschungshit und richtungsweisend für das ganze Genre erwiesen hat. Dabei merkt man seiner Geschichte an, dass er jahrelang als Drehbuchautor für TV-Serien (u. a. „Twilight Zone“; „Die Schöne und das Biest“) tätig war, denn es gelingt ihm, seine Handlung aus der Sicht bemerkenswert vieler, unterschiedlicher Charaktere zu erzählen. Während im Verlauf des Zyklus die Erzählperspektive auch zu weiteren Adelsgeschlechtern wechselt, konzentriert sich Martin in diesem ersten Teil nahezu ausschließlich auf die Mitglieder des Herrscherhauses der Starks von Winterfell. Hauptsächlich aus der Sicht von Eddard selbst, seiner Ehefrau, seinen beiden Töchtern, seinem leiblichen Sohn und seinem Bastard erzählt er eine überdurchschnittlich komplexe Geschichte mit epischem Ausmaß.

Das Lied von Eis und Feuer“ ist nichts für Fantasy-Liebhaber mit kurzem Atem. Die Buchvorlage umfasst bereits mehrere tausend Seiten und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Zudem werden die verschiedenen Handlungsstränge zu einem filigranen, überraschenden Netz versponnen. Zufällige Vorkomnisse erweisen sich zu einem viel späteren Zeitpunkt in der Handlung als katalysatorisch oder essentiell für einen Story-Verlauf.

Wenngleich Martin mit dem fantastischen Element in seiner Erzählung eher sparsam umgeht und Magie zwar von den Bewohnern Westeros gefürchtet wird, es für deren tatsächliche Existenz aber kaum einen Beweis gibt, kann sich dieses Epos sehen lassen. Das liegt vor allem am Talent des Autors, gleichsam faszinierende wie realistische Charaktere zu entwerfen, die sich nicht zu sehr ähneln. Sowohl die Kapitel, die aus Sicht eines geübten Taktikers wie Eddard Stark als auch jene, die aus der Perspektive seiner verwöhnten, naiven Tochter geschildert werden – um nur zwei Beispiele zu nennen – überzeugen stilistisch und ermöglichen es dem Zuschauer, einen ungewöhnlich facettenreichen Überblick über das Geschehen zu erhalten. Dabei erschließt sich der eigentliche Sinn nicht immer aus dem, was einzelne Figuren zueinander sagen, sondern daraus, was sie nicht sagen. Martins Figuren belügen sich, halten mit der Wahrheit hinter’m Berg und sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie verhalten sich so menschlich, dass sie nicht nur so manches mal ihre Freunde und Gegenspieler hinter’s Licht führen, sondern auch den Zuhörer selbst, der erst viel später merkt, dass er einem Charakter – bzw. dem Autor – auf den Leim gegangen ist.
Dank Martins Vorliebe zu Cliffhangern am Ende der einzelnen Kapitel bleibt die Handlung auch konsequent spannend. Drannbleiben muss man also schon, wenn man mal angefangen hat mit dem Epos. Zum Nebenher-Hören eignet es sich nicht ganz so gut. Zwar wird man auch dabei ganz gut unterhalten, die eigentliche Raffinesse des Werks entgeht einem aber.

Wer also gleichsam opulente, gut durchdachte und gut erzählte Epen mag, hat hier einen Meilenstein gefunden.

Die Hörbuch-Version

Auch die exklusiv vom Download-Portal Audible produzierte Hörbuch-Version zieht den Zuhörer in ihren Bann. Ungekürzt setzt man die deutsche Übersetzung um, der Kenner schließt darauf: zahlreiche Stunden Hörvergnügen warten auf ihn. Rund zehn Stunden umfasst allein der erste Teil, im September soll bereits der sechste Teil erscheinen. Jeder Teil kostet ungefähr 20,- EUR, im Audible-Abo gibt’s die einzelnen Teile sogar für die Hälfte.
Reinhard Kuhnert liefert eine solide Lese-Leistung ab. Zwar spricht er manche Namen etwas eigen aus und trifft auch nicht immer unbedingt jeden Charakter, aus dessen Sicht einzelne Abschnitte erzählt werden, gleich gut oder so, wie sich ein Eis-und-Feuer-Fan die Figur vorgestellt hat, nach einer Weile hat man sich an seine Interpretation jedoch recht gut gewöhnt. Der eigentliche Schwachpunkt liegt da eher in der zumindest nicht überragenden deutschen Übersetzung der Originaltexte. Es ist etwas ärgerlich, dass sich der Übersetzer offensichtlich nicht selbst mit sich eins wurde, ob Namen oder Ortsbezeichnungen nun übersetzt werden sollten oder eben nicht. Dieses Manko kann man jedoch schwerlich Kuhnert oder der Hörspielproduktion als solches anlasten.

Da bei der Eigenproduktion auch auf Hintergrundmusik und ähnliche „Special Effects“ verzichtet wurde und die Lesung im Vordergrund steht, wirkt die Klangqualität gut. Andere Produktionen mussten sich in ihrer Download-Version den Vorwurf gefallen lassen, dass diese im Vergleich zu CD-Veröffentlichungen abfällt. „Das Lied von Eis und Feuer“ ist hier jedoch solide, hauptsächlich kommt es sicher auf das eigene Lautsprecher-System an, im Auto konnte ich der Lesung ohne Probleme folgen. Verunsicherte Zuhörer finden hier auch einen Ausschnitt als Hörprobe.

Noch eins:

Wer die Bücher selbst nicht kennen, könnten sich mitunter schwer tun, bei der Vielzahl der Figuren, Ereignisse oder Prophezeiungen nicht die Übersicht zu verlieren. Hier hilft glücklicherweise ein bisschen Recherche im Internet ab, denn gerade zu „Das Lied von Eis und Feuer“ gibt es exzellente Fan-Seiten (ein Verweis auf die hervorragende Seite Tower of the Hand kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen).

Auch – oder vor allem Hörer – die mit der Romanvorlage bereits vertraut sind, kommen bei der Produktion auf ihre Kosten. Nicht nur, dass sie sich dadurch die Wartezeit auf „A Dance with Dragons“ – den nächsten, noch nicht erschienen Band des Zyklus’ – verkürzen, vielmehr können sie ihr Gedächtnis auffrischen und auf sehr entspannte Art und Weise die bisherige Handlung nochmal genießen. Nicht wenige Details werden gerade dann klar, wenn man spätere Erzählstränge zwar kennt, beim Hören aber nun bemerkt, wo die Saat bereits gesäht wurde.

Teil 1 direkt bei audible.de kaufen: hier!

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3 Comments »

  1. Hallo,
    meine Güte, schon wieder ‘was zu “Das Lied von Eis und Feuer”…
    Ich werde so langsam immer neugieriger darauf! Klingt super!!!
    Liebe Grüße,
    Corry

    Kommentar by Corry — 17. September 2008 @ 21:39

  2. […] alle so sehnlichst warten, sondern auf einen Bürgerkrieg, der Jahre vor den Ereignissen der “Herren von Winterfell” stattgefunden hat, und der in die Analen Westeros unter diesem Namen […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Geheimnisvolle Ritter und tanzende DrachenNoch mehr News zum Lied von Eis und Feuer | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 15. Januar 2010 @ 13:38

  3. […] und wer “Die Herren von Winterfell” wider Erwarten doch nicht kennt, der sei auf meine Rezension hier verwiesen.  Konzentrieren wir uns im Folgenden also komplett auf die Pros & Kontras der […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Die Herren von Winterfell - Die Neuausgabe | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 29. Januar 2011 @ 12:34

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