Darkstars Fantasy News


9. März 2010

Tim Burtons Alice im Wunderland überzeugt mich nicht

Category: News – Darkstar – 22:22

Tim Burtons Alice im WunderlandRecht kurzentschlossen habe ich es dann doch bereits heute ins Kino geschafft – und bin ein bisschen traurig darüber, dass ich mich den euphorischen Meinungen leider nicht anschließen kann. Tim Burtons Alice im Wunderland ist ein recht netter Fantasy-Streifen geworden, der vor allem durch seinen Look besticht. Das war es dann aber auch schon. Anders gesagt:

Für einen 3D-Film ist er reichlich flach !

Natürlich ist die Wunderland/Unterland-Optik des Film großartig: Detailreich und verspielt; die Charakterdesigns sind wirklich wunderbar und schon ein Augenschmauß. Aber, und da mag ich Avatar-verdorben sein, von der 3D-Optik hätte ich mehr erwartet. Da hat der James Cameron-Blockbuster deutlich mehr geboten und, im Umkehrschluss, Alice im Wunderland zu wenig aus den Möglichkeiten herausgeholt.

Ich möchte sogar so weit gehen zu sagen, Tim Burtons Alice im Wunderland ist kein Film, den man sich in 3D anschauen muss.

Das große Manko des Films war aber nicht dieses unbeeindruckende 3D-Erlebnis, sondern leider die Story selbst, der meiner Meinung nach das Herz gefehlt hat. Das Besondere, den Sense of Wonder, das über eine Aneinanderreihung von hübschen Bildern und netten Einfällen hinausgeht.

Was mir gefehlt hat 

Bei Filmen wie bei Büchern oder Serien bin ich ein Fan von einer spezifischen Mythologie, die für die Welt, in der die Handlung angesiedet ist, spezifisch ist. Gerade bei dieser Geschichte hätte man so unglaublich viel herausholen können.

Die Charaktere sind allesamt gut gelungen, die Schauspieler liefern gute Leistungen ab – und doch fehlt etwas. Vielleicht sind sie zu einseitig. Es fehlt ein Bruch in den Rollen, durch die sich die einzelnen Figuren noch besser definieren. Ein schönes Beispiel sind die Rote und die Weiße Königin: beide wunderbar verkörpert, beide herrlich schräge Charaktere – was sie genau jedoch antreibt, erfährt der Zuschauer nicht. Wieso sind die beiden verfeindet? Warum wurde die Rote Königin zu einer solch schrecklichen Monarchin, die sie ist? Weshalb leistete die Weiße Königin den Schwur, nie ein lebendes Wesen zu töten?

Es ist eine Sache, es dem Zuschauer zu überlassen, sich manche Fragen selbst zu beantworten; eine andere aber, ihm nichts an die Hand zu geben, das seine Phantasie wirklich anregt.

Andere Beispiele gefällig?

Wieso treffen die beiden Armeen auf dem Schachbrett-Schlachtfeld aufeinander? Wieso gehorcht der Jabberwocky der Roten Königin?

Dann sind da Szenen wie etwa das Aufeinandertreffen von Alice und der Roten Königin in deren Thronsaal oder – meine Lieblingsszene – der Moment, wenn die Weiße Königin für Alice auf sehr unerwartete Art einen Zaubertrank zubereitet, die einem das Gefühl geben, etwas individuelleres zu sehen als einfach seelenloses Popcorn-Kino nach altbekanntem Strickmuster. Doch diese tolle Szenen gehen im Einheitsbrei unter. Von diesen hätte man mehr gebraucht. Viel mehr!

Der Hype zu groß?

Vielleicht waren die Erwartungen nach dem Hype und der massiven Werbekampagne einfach zu hoch geschraubt. Wie gesagt, die Bilder sind schön und die Story ist an sich nett. Aus Alice eine erwachsene junge Frau zu machen, die im Verlauf des Films zu sich findet, ist eine nette Idee – aber nichts neues.

Die inzwischen verworfene Verfilmung von American McGees Alice, für die Sarah Michelle Gellar in die Titelrolle schlüpfen wollte, setzte genau an diesem Konzept an; einige gute Einfälle aus dem Tim Burton-Film wiederum haben mich an Frank Beddors wunderbarer Neuinterpretation des Mythos in seinem Roman “Das Spiegellabyrinth” erinnert.

Das wäre ein Stoff, den ich gern verfilmt gesehen hätte. Tim Burton hat leider einen sehr weichgespülten Film ohne große Highlights und mit ein paar wenigen burtonesquen Momenten gemacht, den man sich auch getrost mal im Heimkino angucken kann, ohne den gesalzenen Preis für eine 3D-Vorstellungs-Kinokarte zu zahlen. Schade!

Ernsthaft: Tim Burtons Alice im Wunderland ist ein Film für einen netten DVD-Abend; mehr nicht!

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8 Comments »

  1. Der Film wurde in 2D gedreht und nachträglich in 3D konvertiert. Die daraus entstandene Optik ist somit eine reine Marketing-Entscheidung von Disney gewesen, die mit dem Filmemacher Tim Burton und seinem Film nur wenig zu tun hat.

    Warum Iracebeth, die Rote Königin, ihre schöne jüngere Schwester, die Weiße Königin Mirana, nicht mag und so finster drauf ist? Iracebeth temperamentvoller Charakter ist eine Kombination aus der Herzkönigin aus “Alice im Wunderland” und der Roten Königin aus “Alice hinter den Spiegeln”. Tja, und mit DEM Kopf hat sie so einige Selbstwert-Probleme, die sie eben durch Unterdrückung und Tyrannei kompensiert. Aber aufgrund des eigenen großen Kopfes findet Iracebeth eben die überlebensgroße Alice auch so sympathisch. Und die liebliche Mirana ist eigentlich auch nicht so lieb wie sie tut, muß aufgrund der Dualität des Unterlandes aber so gestelzt und künstlich den liebreizenden Gegenpol spielen. Geschwister-Liebe gibt es im geteilten Königreich des Unterlandes deshalb wenig …

    Der Jabberwocky hat auch einen großen Kopf – und ist von Natur aus frumious-bösartig. Da haben sich beiden richtigen gefunden. Dass ihm im Film jedoch schon nach einem Satz von Alice die Zunge abgehackt wird und er somit nicht mehr sprechen kann, ist eine üble Hollywood-Finte …

    Dass Armeen, die aus belebten Schachfiguren bestehen, ihren Krieg ordungsgemäß auf dem Schachbrett austragen, ist konsequent und ergibt sich aus dem Motiven von “Alice hinter den Spiegeln” (der Film bezieht sich auf beide Romane) …

    Dass der Film ingesamt unrund-episodenhaft wirkt und nur schwer ein Handlungsstrang auszumachen ist, folgt den Büchern von Lewis Carroll. Auch diese bestehen quasi nur aus lose verknüpften Einzelschauplätzen.

    Was dem Film für Kenner fehlen mag, ist der Wort- und Sprachwitz der Original-Bücher. Aber dieser ist leider kaum übersetzbar. Für ein internationales Publikum wurde das offensichtlich abgeschwächt. Auch den Film sollte man möglichst im englischen Original sehen: Der Hutmacher (Johnny Depp) rezitiert z.B. das Jabberwocky-Gedicht mit schottischem Akzent – ein beeindruckendes Hör-Erlebnis.

    Kommentar by Jabberwock — 10. März 2010 @ 11:03

  2. Interessanter Kommentar! Danke dafür!

    Gerade deine Anmerkung, was die Weiße Königin, angeht und die Dualität des Wunderlandes, ist sehr interessant – und hatte sich mir nur aufgrund des Filmerlebnisses nicht erschlossen. Interessanterweise fand ich übrigens Mirana immer dann interessant, wenn sie aus der Rolle, in die sie gezwungen wurde, ausgebrochen ist: beispielsweise wenn sie – für ihre Verhältnisse stürmisch – den Hund begrüßt oder, wie bereits erwähnt, den Zaubertrank mischt.

    Ganz persönlich hätte es mir gefallen, wenn dieses “Dualitäts-Gesetz des Wunderlands” im Film tatsächlich auch ganz offensiv angesprochen worden wäre. Figuren, die durch dieses Gesetz gezwungen sind, ihre Rollen so auszuleben, wie es die Dualität will, wären dann ja tatsächlich zu tragischen Charakteren geworden ,-)

    Alles nachvollziehbare Punkte, die aber leider an meinem persönlichen Eindruck nichts ändern. ;-)

    Kommentar by Darkstar — 10. März 2010 @ 13:52

  3. Euphorische Meinungen? Wo hast du die denn gehört? Ich habe bisher fast nur zurückhaltende Kritiken gelesen, meine große Vorfreude hat einen dementsprechenden Dämpfer erhalten. Ich werde ihn mir trotzdem im Kino anschauen, allerdings befürchte ich jetzt schon, dass das Erlebnis ein ähnliches wird wie die sehr enttäuschende Sichtung von “Avatar” …

    Kommentar by Dr. Borstel — 10. März 2010 @ 14:16

  4. Der Film erzählt bewußt nicht alles neu. Alice kehrt ZURÜCK ins Unterland (das sie fürs Wunderland hält). Der Film geht davon aus, dass der Zuschauer grundlegend weiß, wie diese Wunderland-Welt funktioniert:

    Es gibt natürlich kein solches “Dualitäts-Gesetz”. Die beiden Schwestern sind auch keine Zwillinge. Beide sind sie mehr oder minder morbide. Iracebeth hat einen deformierten Kopf und ist somit per se der Freak, so dass sie eher über die Stränge schlägt und ihre Fantasien auslebt, wo Mirana es eher unterdrückt und klischeehaft lieb ist.

    Im zweiten Roman “Alice hinter den Spiegeln” beherrscht z.B. die Dualität des Spiegels (und sein Bild) sowie insbesondere das schwarz/weiß des Schachspiels optisch und inhaltlich das Wunderland – also der streng aufgeteilte Gegensatz wie im klassischen Märchen, das erst einmal keine Grautöne zuläßt: böse und gute Königin, starres Klischee und bewegliche Initiatve, oben (reale Welt) und unten (Wunderland/Unterland) bzw. vor und hinter dem Spiegel, groß und klein etc. treffen aufeinander.

    Gleichzeitig wird das Thema in allen Alice-Romanen variiert und aufgebrochen: Tweeledee und Tweedledum, die immer unterschiedlicher Meinung sind und dann doch gemeinsam handeln; die Raupe, die sich verwandelt, um Schmetterling zu werden; der Verrückte Hutmacher (der im Film bewußt in verschiedenen Dialekten spricht, um deutlich zu machen, dass er eine mehrfache Persönlichkeit hat) und natürlich die Grinsekatze, die als Sinnbild des Wunderlandes letztlich alles in sich vereint – letztlich der Prozess der Selbstfindung und die Überwindung der Grenzen.

    Der Film ist sicherlich Tim Burtons kommerziellste Arbeit bisher und stark durch Disney geprägt, also viel netter, glatter, familienfreundlicher und weniger burtonesque als es sich die Fans wünschen würden. Es hätte durch Disney noch viel schlimmer sein können als es geworden ist. Unter dieser Prämisse hat Burton das gut gemeistert.

    Kommentar by Jabberwock — 10. März 2010 @ 14:56

  5. Ich gebe mal meinen ganz persönlichen Eindruck dazu.
    Anders als viele andere war ich nach den Trailern des Films schon sehr zurückhaltend in meinen Erwartungen geworden. Zwar war das Bild an sich sehr ansprechend, doch die Texte der Trailer fand ich, offen gesagt, eher so lala .
    Da ich einer Freundin einen gefallen tun wollte, bin ich dann mit ihr auch in den 3D-Film gegangen und was soll ich sagen, ich war begeistert.
    Sicher sind die 3D Effekte nicht so deutlich und stark wie sie sein könnten, aber genau das fand ich gut. Ich möchte bei einem Film mit realen Menschen keinen Schauspieler haben der mir ins Gesicht springt. Ich fand es für diesen Film vollkommen ausreichend, zumal das Rendering die Farben wirklich fantastisch knackig gemacht haben.
    Von der Story her fand ich den Film auch sehr gut und sehenswert. Fragen, blieben bei mir keine offen, was wohl daran liegen könnte, das ich Tatsachen auch einfach hinnehmen kann, ohne sie hinterfragen zu müssen. Das macht das ganze Kinoerlebnis, wesentlich unkomplizierter.

    Ich denke mein sehr positiver Eindruck rührt vor allem daher, das ich mich diesem Hipe nicht hingegeben habe, sondern mit einer gesunden Skepsis an den Film heran ging.

    Wobei ich sagen muss das ein paar mehr burtonsche Einschläge schon schön gewesen wären. Und vielleicht eine nicht ganz so liebe und brave Alice, aber das ist ja eher Geschmackssache.

    Alles in allem werde ich mir den Film auf jeden Fall auf DVD kaufen und mich euphorisch drüber freuen :)

    Kommentar by Ninn — 17. März 2010 @ 17:26

  6. “In dieser Situation nimmt Bürgertum-Alice dann doch mal die prophezeite Rolle an und bricht mit der Gewaltlosigkeit. Da das feige Bürgertum sich immer noch im Rechtfertigungszwang für die Guillotine zu befinden scheint, wird das “Off with the head!” dann nicht an der Tyrannin vollstreckt, sondern an ihrer Massenvernichtungswaffe Jabberwocky, dem Monster, das sie gegen Alice in die Schlacht schickt.”

    http://www.classless.org/2010/03/16/alice-the-jabberwocky-slayer/

    Kommentar by classless — 25. März 2010 @ 17:10

  7. Wenn ich heute noch dazu komme, gibt es morgen meine Meinung zum Film bei mir im Blog. Leider haben wir Deine Warnung vom Vortag nicht ernst (genug) genommen und sind in den Film gegangen. Ich fand ihn nicht nur “nicht gut”, ich fand ihn einfach nur grottig. Noch nicht mal Johnny hat es geschafft, ihn zu retten. Schade.

    Kommentar by Soleil — 3. Mai 2010 @ 14:56

  8. […] bereits vor einigen Jahren mit “Alice im Wunderland” hat sich Disney eines bekannten Klassikers der Kinderliteratur angenommen und aus dessen […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Die fantastische Welt von Oz (DVD) | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy - ein Fantasy Blog — 24. Juli 2013 @ 08:00

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