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30. November 2010

Thomas Finn: Weißer Schrecken

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 19:15

Weißer Schrecken (Thomas Finn)Du glaubst, Knecht Ruprecht ist nichts weiter als der ein bisschen grimmig dreinblickende Kumpel vom Heiligen Nikolaus? Du irrst dich gewaltig!

Dezember 2010. Der 32jährige Arzt Andreas besucht nach Jahren sein Heimatdorf Perchtal in der Nähe von Berchtesgaden. Es ist keine glückliche Heimkehr. Nicht umsonst hat er die letzten Jahre im Ausland verbracht und den Kontakt zu seinen einstigen besten Freunden abgebrochen. Der Grund, der ihn jetzt zurückkehren lässt ist der gleiche, der ihn damals vertrieben hat: Denn in den Bergen und Wäldern Perchtals lauert ein uraltes Grauen, von dessen Existenz heute nur noch bruchstückhaft die alten Sagen und Legenden künden. Alle sechzehn Jahre jedoch verlangt es ein schreckliches Blutopfer. Wird sein Hunger nicht gestillt, droht es, die Welt mit Chaos und Verderben zu überziehen.

Vor sechzehn Jahren haben sich Andreas und seine Freunde schon einmal jener uralten Macht gestellt. Jetzt finden sie erneut zusammen, um diese endgültig zu vernichten.

Von Kinderbischöfen, Nikolauslegenden und Keltengöttern

Thomas Finns Weißer Schrecken ist auch, aber nicht nur, der Roman zur rechten Zeit! Gerade hat der Advent angefangen und Nikolaus nähert sich. Durch Finns Roman habe ich festgestellt, wie wenig ich doch eigentlich über dieses wohlbekannte Thema eigentlich weiß! Es gelingt ihm auf fast 500 Seiten beeindruckend, aus einem alten Brauch, auf den man sich freut, eine wirklich gruselige Geschichte zu stricken, die einem beim Lesen immer wieder eisige Schauer über den Rücken jagt.

Natürlich stellt sich am Anfang der Eindruck ein, der Autor wolle mit seinem Horrorthriller schlicht Stephen Kings Erfolgsformel aus Es kopieren – mit fortlaufender Seitenzahl verliert sich das jedoch mehr und mehr. Der größte Teil der Handlung spielt nicht in der Jetzt-Zeit, sondern berichtet von den wenigen Tagen im Dezemer 1994, in der die Leben einer kleinen Gruppe verschworener Freunde eine dramatische Wendung nahmen. Diese Freunde sind Andreas, der Sohn eines reichen Geschäftsmanns; Robert, Kind einer Alkoholikerin, Niklas, der dickliche Sohn der Bäckersfamilie sowie die Zwillinge Elke und Miriam, die unter der Knute ihres streng religiösen Vaters zu leiden haben. Die Dynamik einer Gruppe solcher Charaktere hat Thomas Finn gut eingefangen, die Charaktere verhalten sich authentisch – einziger Wehrmutstropfen ist, dass sie sich für meinen Geschmack manchmal ein bisschen zu gestelzt ausgedrückt haben. Darüber tröstet jedoch die packende Handlung hinweg. Wenige Tage vor dem 6. Dezember entdecken die Jugendlichen unter der Eisoberfläche des zugefrorenen Dorfsees die Leiche eines Mädchens, die den Zwillingen wie zum verwechseln ähnlich sieht. Als die schockierten Freunde versuchen herauszufinden, was hinter diesem unheimlichen Zufall steckt, kommen sie einer Verschwörung auf die Schliche, in die mehrere Einwohner Perchtals verwickelt zu sein scheinen.

Weißer Schrecken gibt seine Geheimnisse nur nach und nach Preis – und das ist gut so, denn das sorgt dafür, dass die Spannung hochgehalten wird. Der Roman war endlich mal wieder ein Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte. Zu interessant waren all die teils faszinierenden, teils schockierenden Entdeckungen, die die Clique nach und nach heraus bekommt. Gruselige Geistererscheinung von in Bischofsgewändern gehüllten Kindern, Kirchenlieder, die mit verzerrten Stimmen aus alten Radios ertönen, Seancen und Ausflüge zu uralten Orten wie etwa der beinernen Grabkammer eines alten Klosters tun ihr übriges, um den Adrenalinpegel hoch zu halten.

Thomas Finn hat wirklich verdammt gut recherchiert für seinen neuen Roman! Für mich waren es vor allem die interessanten Fakten, die er über das Berchtesgadener Land und den dort vorherrschenden Brauchtum zu Tage gefördert hat, die den Roman so lesenswert machten. Man erfährt viel über die alten, dunklen Seiten der Nikolaus-Bräuche und ihren Wurzeln im alten Keltentum. Krampusläufe, Raunächte, die Göttin Perchta und Winter und Eis spielen eine große Rolle.

Zum Schluss wartet der Autor noch mit einem Twist auf, mit dem ich nicht gerechnet hätte und der der stark mythischen Grundstimmung eine neue Wendung gibt. Die, ebenso wie eine Offenbarung beim Showdown, ist sicher nicht jedermanns Sache, funktioniert aber in der Retrospektive – vor allem, wenn man über den Roman noch etwas nachdenkt. Überhaupt macht es Thomas Finn seinen Lesern nicht zu leicht. Er stürzt seine Helden in ein moralisches Dilemma, das nahezu unlösbar ist. Hut ab vor der Entscheidung, es den Figuren schlussendlich nicht zu einfach zu machen, sondern sie zu Dingen zu drängen, die aus dem gemütlichen Sessel daheim heraus betrachtet zunächst unfassbar erscheinen. Zudem werden nicht alle Geheimnisse im Buch gelüftet. Viele Hinweise sind gut versteckt in die Handlung eingebaut und können nur allzu leicht übersehen werden. Hier wäre an mancher Stelle etwas mehr Deutlichkeit besser gewesen.

Weißer Schrecken ist ein Buch, das nachwirkt; das einen bewegt, selbst noch etwas im Internet über alten Brauchtum zu forschen und über das es sich lohnt, nachzudenken – am besten in einer Gruppe, um vielleicht gemeinsam jene Lösungen zu finden, die man selbst übersehen hat.

Trotz kleiner Mankos ist Weißer Schrecken deshalb definitiv DER Lesetipp für diesen Dezember!

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Mein Interview mit Thomas Finn: hier!

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