Darkstars Fantasy News


17. April 2011

Interview mit Seanan McGuire

Category: Interviews – Darkstar – 18:00

NachtmahrSeanan McGuire ist die Autorin der großartigen Urban Fantasy-Reihe um den Wechselbalg October Daye. Von „Winterfluch“, dem Auftaktband der Reihe war ich begeistert, nicht zuletzt, weil sich McGuire dazu entschlossen hat, nicht den breitgetrampelten Pfaden gängiger Urban Fantasy-Reihen zu folgen (auf denen Vampire und Werwölfe den weiblichen Protagonisten nicht von der Seite weichen). Stattdessen entführt die Autorin ihr Publikum in die faszinierende, durch und durch magische Welt des Feenvolks und ins moderne San Francisco, wo sich deren Reich mit unserer Realität überschneidet.

Leider scheint die Reihe bisher unter dem Radar vieler Leser durchgeflogen zu sein, denn auch wenn gerade aktuell der dritte Band um October Daye auf Deutsch erschienen ist, steht derzeit nicht fest, ob Lyx die Reihe fortsetzen wird. Es wäre schade, wenn October Daye eingestellt werden würde, denn Seanan McGuire ist eine fähige Autorin mit einer reichen Phantasie, die es sich lohnt zu entdecken.

Vielleicht regt ja das folgende Interview den einen oder anderen von euch an, den Romanen eine Chance zu geben. Beim Interview handelt es sich übrigens um eine Premiere. Es ist das erste, das in Zusammenarbeit mit hwm entstanden ist. Da hwm vor allem McGuires Zombie-Serie Newsflesh zu schätzen weiß, ich hingegen von Toby Daye so angetan bin, bot es sich an, sich zusammen zu tun und Seanan McGuire über ihren Schreiballtag zu befragen, über die Notwendigkeit von romantischen Subplots, über den Stellenwert von Titelbildern und natürlich über ihre phantastischen Welten …

Interview mit Seanan McGuire

Liebe Seanan, du hast 2010 den Campbell Award als Beste neue Autorin gewonnen – herzlichen Glückwunsch! Inwiefern hat dieses Ereignis Dich und Deine Karriere beeinflusst?

Late EclipsesNun, dadurch sind natürlich ziemlich viele Leute, die bisher von mir noch nicht gehört hatten, über meinen Namen gestolpert. Inwiefern es tatsächlich Auswirkungen auf meine Karriere hatte kann ich nicht sagen – Late Eclipses ist meine erste Buchveröffentlichung, seit die Gewinner bekannt gegeben worden sind. Aber es hat definitiv nicht geschadet – und ich habe ein Krönchen bekommen!

Was ich an deinen Büchern besonders mag ist die frische Art und Weise, mit der du das Volk der Feen darstellst – und wie es mit uns und unserer Welt verbunden ist. Als du die October Daye-Serie geplant hast: Wodurch wolltest Du Dich von anderen Urban Fantasy-Serien abheben und welche traditionellen Elemente wolltest Du beibehalten?

Ehrlich gesagt gab es keinen Punkt, an dem ich mir sagte: „Ich sollte dies oder jenes lassen, weil das jeder macht” oder „Oh, das muss ich beibehalten, weil die Leute sonst enttäuscht sein werden”.

Ich habe versucht, der Folklore und den Märchen, die ich als Fundament meiner Geschichte nutzte, möglichst treu zu bleiben. Der Rest entwickelte sich dann irgendwie daraus. Es war eine sehr angenehme Überraschung festzustellen, dass das, was dabei dann heraus kam, nicht genau das war, das auch alle anderen machten.

Auf Deiner Website verrätst Du, dass Du derzeit für insgesamt sieben Toby Daye-Bücher unter Vertrag stehst (und dass es durchaus mehr werden könnten). October muss also eine Figur sein, über die du gerne schreibst. Was macht Toby für Dich selbst zu so einer außergewöhnlichen Heldin, dass du sie gern auf ihrem Weg begleiten möchtest?

NebelbannIch mag es, dass Toby die meiste Zeit nicht die Person ist, die sich am besten für eine bestimmte Situation, in der sie sich befindet, eignet. Sie ist nicht besonders mächtig, sie ist nicht die Klügste, sie ist nicht die am besten Ausgebildete. Ihr geht es wie den meisten Märchenheldinnen und -helden auch: Sie war zur falschen Zeit am richtigen Ort, und deshalb muss sie jetzt die Welt retten oder den Preis dafür zahlen. Das liebe ich an ihr: Sie versucht, das Richtige zu tun, auch wenn die Möglichkeit besteht, dass sie dabei draufgeht.

Wenn Du an einem neuen Roman oder einer neuen Welt arbeitest – was magst Du dabei am liebsten? Und was kannst Du nicht ausstehen?

Ich liebe – liebe (!) – es, die Welt zu entwerfen. Ich nehme mir viel Zeit und bemühe ich mich sehr, über Dinge zu recherchieren, die vermutlich niemand außer mich kümmert. Wie etwa eine funktionsfähige Biologie für empfindungsfähige menschliche Wespen.

Was ich hasse ist ironischerweise der Punkt, an dem ich aus all der Recherchearbeit etwas machen muss. Ich liebe den Schreibprozess, aber ich hasse es, damit zu beginnen!

In Deiner zweiten Buchreihe versuchst Du Dich am Horror-Genre. Feed ist eine großartige Kreuzung zwischen Polit-Thriller und Zombie-Horror – es sind allerdings deine wunderbar kaputten Charaktere, die das Ganze lebendig werden lassen. Könntest Du diese Serie für alle, die noch nichts darüber gehört haben, kurz vorstellen?

DeadlineDie Newsflesh-Trilogie ist die Geschichte einer Post-Zombie Welt. Die Auferstehung fand vor zwanzig Jahren statt; das war ganz schön übel; ziemlich viele Leute starben; wir sind darüber weggekommen. Es ist in gewisser Weise meine Kreuzung aus West Wing und Fear and Loathing in Las Vegas in einer von George Romero interpretierten Version.

Das erste Buch, Feed, ist 2010 erschienen, der zweite Band, Deadline, erscheint jetzt im Mai.

Ich liebe Deine Hauptfigur Georg(ia) Mason, die den Roman aus der Ich-Perspektive erzählt. Sie hat eine starke Persönlichkeit und trägt gleichzeitig so tiefe Wunden.

Es ist faszinierend, wie du mit den Beziehungen in ihrem Leben umgegangen bist; die Art und Weise, in der du dich auf die nicht-romantischen konzentriert hast. Denn heutzutage scheint ein romantischer Subplot schon obligatorisch, wenn eine Autorin über eine weibliche Hauptfigur schreibt. Hast Du Druck verspürt, einen romantischen Subplot in deine Geschichte einzubauen oder hast Du Dich bewusst dagegen entschieden – und falls ja, warum?

Ich denke, auf Frauen wird tatsächlich viel Druck ausgeübt, Liebesgeschichten zu schreiben. Und manchmal beschwert man sich bei mir auch darüber, dass ich – bis jetzt – noch nicht viel in diese Richtung geschrieben habe. Die Leute lesen, dass ich eine Frau bin, oder sie sehen ein Bild von mir, und es scheint sich eine Erwartungshaltung einzustellen, dass sie [in meinen Büchern] Liebe und Romantik finden und heiße FeedSexszenen. Und all diese Dinge haben in die Bücher, die ich bis dato geschrieben habe, nicht reingepasst.

Es ist doch so – und das gilt vor allem für weibliche Autoren – sobald in einem Buch Romantik ein Thema ist, dann wird dieser Roman für viele Leute automatisch ein Liebesroman. Ich wollte nicht, dass es in Feed um Romantik geht. Ich wollte, dass es um die Wahrheit geht, und um Georgia und Shaun und wie hoch ein Preis sein muss, damit er zu hoch ist, um ihn zu bezahlen.

Als ich das erste Mal von deinen Gründen gelesen habe, warum Du Feed unter einem Pseudonym veröffentlicht hast, war ich überrascht. Für mich war Winterfluch der düstere, erwachsenere Roman der beiden. Geht das anderen Lesern, von denen du hörst, auch so?

Nein, wirklich nicht. Das liegt auch daran, dass hier in den USA die Toby Daye-Bücher bei all den anderen Urban Fantasy-Romanen einsortiert werden, und das definiert die Erwartungshaltung der meisten Leser. Ich glaube, das Pseudonym war hilfreich, und sei es auch nur, weil das den Leuten hilft, offen in beide Welten einzutauchen – ohne dass sie „das Übliche” von mir erwarten.

Der Tod spielt in Deinen Romanen eine große Rolle. In der Newsflesh-Reihe ist die Gefahr, die von den (Un-)Toten ausgeht allgegenwärtig, während es interessanterweise in der Toby Daye-Reihe gerade das unsterbliche Feenvolk ist, das sich mit dem Tod wieder und wieder auseinander setzen muss. Wie kommt das?

WinterfluchIch habe am College Folklore studiert und schlussendlich geht es doch überall in letzter Instanz um Leben und Tod.

Die meisten Märchen und Sagen aus Europa könnte man mit den Begriffen „Äpfel und Tod und Haferbrei und Bären” zusammenfassen.

Ich hatte keine Lust, über Haferbrei zu schreiben, deshalb geht’s bei mir hauptsächlich um Bären und Tod.

Du schreibst derzeit an drei unterschiedlichen Romanserien, bist Musikerin, Künstlerin und arbeitest auch an diversen anderen Büchern und Kurzgeschichten – wie schaffst Du das?! Hast Du einen Weg ins Sommerland gefunden, wo die Zeit anders verläuft als in unserer Welt?

Ich schlafe einfach nicht. Nun, ehrlich gesagt, das ist nicht wahr – ich schlafe sogar ziemlich viel. Ich arbeite einfach sehr effizient, wenn ich wach bin.

Hm, vielleicht stehle ich auch Zeit von meinen eigenen Klonen aus parallelen Universen.

Wenn Du einen fiktiven Charakter Deiner Wahl treffen könntest – wer wäre das und warum?

Ich würde gern den Doctor aus Doctor Who treffen. Ich liebe ihn seit ich ein kleines Mädchen bin.

Ich würde definitiv niemanden aus meinen eigenen Büchern treffen wollen, weil die meisten mich wahrscheinlich ermorden würden, sobald sie mich zu Gesicht bekämen – und dann würde ich Probleme mit meinen Deadlines bekommen.

Es gibt Autoren, die davor zurückzuschrecken scheinen, für sich selbst Werbung zu machen. Du zählst nicht dazu und Dein Enthusiasmus für Deine Arbeit ist ansteckend! Hältst Du Dich an bestimmte Regeln, wenn Du auf Deinem Blog Werbung für Deine Bücher machst und wie schaffst Du es, dabei nicht unsympathisch zu wirken?

Ich poste niemals einen Eintrag über etwas, für das ich nicht selbst starke Gefühle habe. Meine Bücher versetzen mich in Aufregung, weil es meine sind, und weil sie einen so großen Teil in meinem Leben einnehmen.

Ich versuche, nur etwas zu posten, wenn ich diese Aufregung angemessen ausdrücken kann, oder wenn etwas Neues und Aufregendes passiert, zum Beispiel wenn ich etwas verkaufe, oder wenn ein neues Titelbild veröffentlicht wird. Ich verlange nicht, dass die Leute meine Bücher kaufen. Ich versuche nur sicherzugehen, dass die Leute wissen, dass diese Möglichkeit besteht.

Außerdem poste ich auch Bilder von süßen Kätzchen, das macht doch vieles wieder wett, nicht wahr?

Auf Deinem Blog schreibst Du nicht nur über Deine Romane, A Local HabitationDeine Mein Kleines Pony-Kollektion und Deine Katzen, sondern auch über sehr ernste und zutiefst persönliche Themen wie etwa die Armut, in der du aufgewachsen bist, wie du als Kind schikaniert wurdest und wie du mit OCD umgehst.

Ich kann mir kaum vorstellen, wie viel Mut es bedarf, über diese Dinge so offen und unmissverständlich zu schreiben, aber ich bin nicht die einzige, die das sehr schätzt. Vor allem Dein Post über das Fertigmachen hat mich zum Nachdenken angeregt.

Bitte verrate uns, wieso Du Dich dafür entschieden hast, über diese Themen zu schreiben und wie Du die Reaktionen auf Deine Posts erlebt hast.

Ich blogge schon viel länger als ich professionelle Autorin bin. Und eines der Dinge, das ich dabei gelernt habe ist die Tatsache, dass Leute unglaubliche Erfahrungen gemacht haben, die sie teilen müssen. Weil wir nur dann die Ansichten anderer schätzen lernen können, wenn wir sie vollständig verstehen. Ich poste nicht mehr so viel Persönliches wie ich das früher einmal getan habe. Teilweise, weil mein Publikum jetzt so viel größer geworden ist, und teilweise, weil ich möchte, dass die Male, an denen ich solche Dinge poste, ungewöhnlich genug sind, um sie für andere Leute ebenso wichtig erscheinen zu lassen wie sie es für mich sind.

Tatsächlich hat mich eine Mutter kontaktiert, bei deren Kind vor kurzem OCD diagnostiziert wurde. Sie wollte, dass ich weiß, dass meine Posts es für ihn leichter gemacht haben, seine Diagnose zu akzeptieren. Wenn ich ein glücklicher, funktionsfähiger Mensch sein könnte, dann könne er das auch. Das ist wichtig. Das ist genau die Art von Sache, von der ich glaube, dass wir sie füreinander tun sollten.

Und übrigens, was die Mein Kleines Pony-Sache angeht, ihr habt schon mitbekommen, dass Deutschland andere Ponies bekommen hat als der Rest von uns, nicht wahr? Darf ich rüber kommen?!

Dein deutscher Verlag ist bekannt für seine fabelhaften Titelbilder und Deine im Speziellen sind großartig. Warum glaubst Du, dass Sie in den Staaten nicht funktionieren würden?

One Salt SeaDie Kunst des Coverdesigns fasziniert mich. Titelbilder müssen den Inhalt des Romans charakterisieren und das Auge verführen. Meine deutschen Cover sind unglaublich und ich liebe sie. Aber ich glaube, hier in den USA würde man die Bücher durch sie als Jugendbücher wahrnehmen, nicht als Urban Fantasy. Das liegt einfach daran, wie sich die aktuellen Graphic-Trends entwickelt haben. Ich schätze aber sehr, dass sie sich von den US-Covern so unterscheiden. Dadurch fühle ich mich besonders.

Gibst Du uns zum Schluss noch einen Ausblick auf Tobys Zukunft?

Im dritten Buch muss Toby sich einem echten Kinderschrecken stellen – dem Blinden Michael, Anführer von einer von zahlreichen Wilden Jagden und Kindsentführer. Für Toby wird diese Konfrontation zu einer persönlichen Angelegenheit, als er die Kinder ihrer besten Freundin Stacy entführt. Sie versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen. Dabei werden Leute, die sie sehr mag, unerwartete Dinge enthüllen. Es wird Verluste geben, sowohl kleine als auch große – und nicht annähernd genug Schlaf für alle Beteiligten.

Im vierten Buch findet Toby heraus, dass die Königin der Nebel etwas plant, das ganz und gar nicht gut ist. Schlimmer noch, einige ihrer Gefährten bekommen einige üble Schläge ab und es scheint möglich, dass Oleander de Merelands – jene Frau, die für Tobys Gefangenschaft im Teich verantwortlich war – in die Nebel zurück gekehrt sein könnte. Diesmal steht viel mehr auf dem Spiel als jemals zuvor – und als sich die Aufregung legt, hat sich alles verändert.

Vielen Dank!

Seanan McGuires Website & Blog findet ihr hier!

Meine Rezensionen zu den Toby Daye-Romanen findet ihr hier!

hwm’s Rezension zu Flesh findet ihr hier!

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  1. […] Interview mit Seanan McGuire findet ihr hier! Tags: « Sagaverse: Eintauchen in die Welt der WikingerInterview mit Sagaverse-Macher Nils […]

    Pingback by Darkstars Fantasy News » Seanan McGuire und die Welt der Unterwasser-FeenDer fünfte Toby Daye-Roman ist in den USA erschienen! | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 8. September 2011 @ 21:25

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