Ein Buch über Heimwerker-Arbeiten und Hausrenovierungen würde ich mir normalerweise niemals kaufen — es sei denn, es handelt sich um originelle Urban Fantasy wie Charlaine Harris’ & Toni L. P. Kelners neue Anthologie “Home Improvement: Undead Edition“.
Die beiden, die bereits für einige ähnliche Anthologien verantwortlichen waren (wie z. B. das tolle “Werwölfe zu Weihnachten“), haben für ihre aktuelle Kurzgeschichtensammlung diverse Genre-Autoren eingeladen, Urban Fantasy-Geschichten zu erzählen, in denen Renovierungen am Eigenheim eine Rolle spielen. Unter den vertretenen Teilnehmern befinden sich auch namhafte Größen wie Patricia Briggs, Melissa Marr, Simon R. Green und Seanan McGuire. Auch Harris selbst hat eine Sookie Stackhouse-Geschichte beigesteuert.
Insgesamt war ich – wie bereits bei “Werwölfe zu Weihnachten” – sehr angetan, dass die Qualität der Geschichten überwiegend recht ansprechend war. Natürlich haben mir persönlich nicht alle Beiträge gefallen, “Home Improvement: Undead Edition” hat mir jedoch in seiner Gesamtheit echt Spaß gemacht – was auch an der gelungenen Lesung durch Amanda Ronconi gelegen haben könnte. (Ich habe mich – nicht nur – aus Kostengründen für die Hörbuch-Version der Anthologie entschieden). Ronconi teilt sich die Lesung der Geschichten auf mit einem Kollegen. Während die Leistung des männlichen Sprechers in Ordnung geht, ist Ronconi eine Wucht: Ihr gelingt es nicht nur, in die Haut der jeweiligen Protagonistinnen zu schlüpfen und mal schlagfertig, mal nachdenklich zu wirken, sondern sie trifft vor allem den jeweiligen Ton der durchaus sehr unterschiedlichen Beiträge. Da macht das Zuhören doppelt Spaß!
Jetzt aber zu den einzelnen Geschichten:
Charlaine Harris: If I had a hammer
Eine Geschichte aus dem Sookie Stackhouse-Universum. Sookie hilft ihrer besten Freundin Tara dabei, einen Umbau in deren Haus vorzunehmen. Dabei stoßen sie auf einen jahrzehnte alten Hammer, dem nicht nur getrocknetes Blut, sondern auch eine düstere Geistergeschichte anhaftet …
Mit Charlaine Harris ist das so eine Sache: Die HBO-Serie “True Blood”, die auf ihren Büchern berührt, hat mich überhaupt nicht angesprochen; die Sookie-Bücher selbst eigentlich auch nicht – und doch bin ich immer wieder, wenn ich etwas von ihr lese, sehr angenehm überrascht. Sowohl die Sookie-Geschichte in “Werwölfe zu Weihnachten” als auch der Sookie-Roman “Ein Vampir für alle Fälle” haben sich sehr gut weggelesen und waren ein unterhaltsamer Zeitvertreib. Das gilt auch für “If I had a hammer”. Die Geschichte ist sicher nicht die Beste der Anthologie, gehört jedoch ins oberste Drittel!
Wertung in Punkten: 7/10
Victor Gischler: Wizard Home Security
Von Victor Gischler habe ich zuvor nie gehört. Und nach dem Hören von “Wizard Home Security” bin ich versucht zu sagen: Das ist auch nicht schlimm. Ich habe die Kurzgeschichte passagenweise übersprungen. Es geht um einen Zauberer, der sein eigenes Heim von einer magischen Firma gegen Diebe sichern lassen will – ein Unterfangen, das natürlich nach hinten los geht.
Urteil: Muss man nicht gelesen haben!
Wertung in Punkten: 2/10
Patricia Briggs: Gray
Ich bin ein großer Mercy Thompson-Fan; und das “Home Improvement: Undead Edition” eine Geschichte aus der Feder der wunderbaren Patricia Briggs beinhaltet, hat stark dazu beigetragen, dass ich mir die Anthologie zugelegt habe.
Bei “Gray” handelt es sich nicht um eine Mercy-Geschichte, aber um eine, die in Mercys Welt spielt / spielen könnte. Im Mittelpunkt steht eine Vampirin, die nach ihrer – unfreiwilligen – Verwandlung nach vielen Jahren in das Zuhause zurückkehrt, wo sie die glücklichsten Jahre ihres Lebens verbracht hat an der Seite des Mannes, den sie über alles liebte.
Auch “Gray” ist nicht die stärkste Geschichte der Sammlung, gehört aber dennoch zu den Besten. Patricia Briggs Schreibe unterhält wirklich sehr gut und die Geschichte ist spannend.
Wertung in Punkten: 7/10
Rochelle Krisch: Squatter’s Rights
Worum es geht? Ein junges, jüdisches Ehepaar zieht in eine neue Eigentumswohnung ein. Bereits in der ersten Nacht beginnt die Frau, seltsame Geräusche zu hören: Sind das Ratten in den Wänden? Und dann gibt es Stimmen, die ihr zuraunen, dass sie so schnell wie möglich gehen soll. Während ihr Mann nichts hört, wird sie Nacht für Nacht heimgesucht. Sie beginnt, unter dem Schlafmangel zu leiden und steigert sich immer mehr in ihre Phobie hinein – hat sie Wahnvorstellungen? Oder wird ihr Zuhause heimgesucht?
Rochelle Krischs Geschichte war eine der großen Überraschungen der Anthologie, weil sie ein unerwartetes Highlight war. Ich persönlich fand es originell, für das Urban Fantasy-Kolorit jüdische Mythen zu verwenden – und man, die Geschichte ist hochspannend und ziemlich heftig!
Wertung in Punkten: 9/10
Heather Graham: Blood on the Wall
Die Geschichte war einfach nicht mein Fall; ich habe sie abgebrochen. Deshalb verzichte ich hier auch auf eine Wertung.
James Grady: The Mansion of Imperatives
Das gleiche gilt leider auch für James Gradys Geschichte.
Melissa Marr: The Strenght inside
Melissa Marr hat sich bis dato vor allem als Autorin von Romantasy-Romanen für Jugendliche einen Namen gemacht. “Wicked Lovely” bzw. “Gegen das Sommerlicht” stammt aus ihrer Feder. Auch “The Strenght inside” ist eine Erzählung über das Feenvolk – richtet sich aber eindeutig diesmal an ein erwachsenes Publikum:
Zwei Feenschwestern tarnen sich als Menschen, um in einem kleinen amerikanischen Vorort ihre kleinen Geschwister aufzuziehen. Als sie um das Grundstück einen Zaun ziehen wollen, bekommen sie es mit der Vorsitzenden des Dorfverschönerungsvereins zu tun, die keine hässlichen baulichen Veränderungen dulden will!
Auch Marrs Geschichte war eine Überraschung, da sie ein Highlight der Anthologie ist: Sie ist in gleichem Maße extrem amüsant und witzig, wartet dann aber mit einem vollkommen unerwarteten und krassen Ende auf!
Wertung in Punkten: 8/10
E. E. Knight: Woosley’s Kitchen Nightmare
Leider noch eine Geschichte, die ich abgebrochen habe, ehe ich wirklich sagen könnte, worum es genau ging. Die Atmospähre war nicht mein Fall; vielleicht probiere ich es irgendwann später noch einmal.
Seanan McGuire: Through This House
Eine Toby Daye-Geschichte! Muss ich mehr sagen? Allein diese Geschichte hat für mich bereits den Ausschlag gegeben, dass ich mir “Home Improvement: Undead Edition” zulegen musste.
Die Halb-Fae October “Toby” Daye hatte ihren ersten Auftritt in Seanan McGuires Debütroman “Rosemary and Rue” (dt. “Winterfluch“) und hat sich schnell zu meiner derzeitigen Lieblings-Urban Fantasy-Serie gemausert.
“Through this House” spielt zwischen dem vierten und fünften Toby Daye-Roman und handelt davon, wie Toby ihr neues Zuhause in Goldengreen dazu bringt, sie anzuerkennen.
(Eine Bewertung gibt’s leider nicht, da ich noch immer nicht dazu gekommen bin, “Late Eclipses” zu lesen und ich mir deshalb die Kurzgeschichte aufspare!)
S. J. Rozan: The Path
Dies ist eine sehr ungewöhnliche Geschichte, denn sie beginnt in Asien und wird aus der Sicht eines Geistes erzählt: Nachdem ein Kurator ein Artefakt aus der Höhle entfernt hat, die der Geist hütet, hält letzterer Ratschlag mit dem Bergwind, was zu tun ist. Da der Geist das Artefakt unbedingt zurück haben muss, begibt er sich auf eine Reise nach Amerika.
Auch wenn “The Path” nicht zu meinen Lieblingsgeschichten der Anthologie gezählt hat, so muss ich doch immerhin betonen, dass sie vom Setting her erfrischend ungewöhnlich war. Insgesamt hat die Autorin für durchschnittliches Hörvergnügen gesorgt:
Wertung in Punkten: 6/10
Stacia Kane: Rich the Brave
Über Stacia Kanes Namen bin ich jetzt bereits öfter gestolpert, habe aber noch nichts von ihr gelesen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich das nach dieser Kurzgeschichte ändern wird.
“Rich the Brave” war nicht schlecht, hatte aber auch nichts an sich, was in mir das Verlangen geweckt hat, mehr von Kane zu lesen. Die Kurzgeschichte spielt im “Downside”-Universum der Autorin: Der Elektriker Rick kann der Versuchung nicht widerstehen, gegen eine lukrative Bezahlung einen Auftrag in Downside anzunehmen, auch wenn er es eigentlich besser wissen sollte …
Wertung in Punkten: 5/10
Suzanne McLeod: Full-Scale Demolition
Mit McLeod ging es mir genau ander’s herum. Ich habe einige ihrer Titel in Vorschauen gesehen, diese aber (aufgrund der generischen Romantasy-Cover) bis dato ignoriert. Das könnte ein Fehler gewesen sein, denn “Full-Scale Demolition” war einfach nur großartig:
Genevieve “Genie” Taylor arbeitet für eine Organisation, die sich “Spellcrackers” nennt und aufräumt, wenn die Magie aus dem Ruder läuft. Sie wird – zu ihrer eigenen Unzufriedenheit – besonders dafür geschätzt, Pixie-Plagen zu beseitigen. In jüngster Zeit ist ihr dabei auch noch eine Stalkerin auf den Fersen und ein Kelpie macht ihr Avancen. Ihr neuer Auftrag scheint sich zunächst nicht sonderlich von den sonst üblichen zu unterscheiden – und in der nächsten Sekunde hat Genie alle Hände voll zu tun, sich gegen ein schreckliches Wesen aus der griechischen Mythologie zu behaupten!
Bereits inhaltlich ist McLeods Geschichte top. Zudem hat mir die Erzählstimme ihrer Heldin extrem gut gefallen. Ich denke, wer Mercy Thompson und Toby Daye mag, wird auch Genie mögen. “Full Scale-Demolition” gehört jedenfalls zu den stärksten Beiträgen der Anthologie:
Wertung in Punkten: 9/10
Simon R. Green: It’s all in the Rendering
Ein junges Ehepaar betreibt eine ungewöhnliche Pension: Sie sind die Hüter eines Hauses zwischen den Welten, das als Refugium für die Bewohner unserer Realität und anderer dient. Eines Tages tauchen sowohl ein Vertreter der menschlichen Baubehörte als auch ein Prinz des Feenvolks auf, um das Haus zu besichtigen und auf bauliche (und, im Fall des Feenprinzen, magische) Mängel zu untersuchen. Das Pärchen hat alle Hände voll zu tun, die beiden Inspekteure durch’s Haus zu manövrieren, ohne dass sie sich dabei über den Weg laufen – und die magischen Bewohner des Hauses nicht unbedingt als das erkennen, was sie sind.
Obwohl Greens Geschichte recht fad beginnt, steigert sie sich sehr schnell zu einer kurzweiligen, sehr unterhaltsamen Geschichte mit Gute Laune-Charme. Für das Hörvergnügen sorgt hier im besonderen die stimmliche Leistung von Ronconi, die sich hier selbst übertrifft.
Wertung in Punkten: 7/10
Toni L. P. Kelner: In Brightest Day
Stell Dir vor, du engagierst eine Voodoo-Königin, um deinen verstorbenen Ehemann in einen Zombie zu verwandeln, und du triffst nicht auf eine in dunkle Gewänder gehüllte, mysteriöse Gestalt, die bei Vollmond schauerliche Rituale wirkt, sondern auf eine gut gelaunte, sommersproßige Rotblonde, die sich nicht um irgendwelche Traditionen schert, sondern bei hellem Tageslicht einen Sarg aus einem Grab buddeln lässt …
Auch Kelners Geschichte erweist sich als sehr kurzweilig und sympathisch – auch oder vielleicht vor allem, weil sie nicht zu einer Romanserie zu gehören scheint, und dadurch die Hauptfigur der humorvollen Story eine für sie sehr wichtige Erfahrung macht. (Normalerweise sparen sich Serienautoren ja sowas für einen Roman auf). Fazit: Auch hörenswert!
Wertung in Punkten: 7/10.
Die einzelnen Geschichten haben in der Hörbuchversion übrigens eine Laufzeit von jeweils ca. 1 Stunde – eine nette Länge, wenn man mal zwischendurch etwas hören will und keine Lust auf ein ganzes Hörbuch hat!
Wer Urban Fantasy und Anthologien mag, sollte nicht lange fackeln und hier zugreifen: Diese Kurzgeschichtensammlung gehört definitiv zu den gelungensten auf dem Markt in diesem Genre!
Laufzeit: über 14 Stunden
“Home Improvement: Undead Edition” bei Audible downloaden: hier!
Was für ein cooles Thema für eine Anthologie :)
Kommentar by Feenfeuer — 10. September 2011 @ 19:38
Ich musste kichern, als ich den Beitrag gesehen habe. Mir ist das Buch im August ja auch soweit aufgefallen, dass ich im Blog etwas darüber berichtet habe. Nur zum Lesen konnte ich mich bisher nicht überreden.
Schön übrigens, dass nun das Geheimnis der “fehlenden” Autoren gelüftet ist.
Herrn Gischler musste ich auch erstmal goo.glen und sah, dass er der Autor mit meinem Hasscover #1 ist.
Ich habe tatsächlich noch nie etwas von Frau Briggs gelesen und das obwohl ich drei Bücher von ihr im Regal stehen habe! Heather Graham hätte mich sehr interessiert, weil ich sie nicht in die Riege der anderen Autoren eingereiht hätte. Versucht sie sich an etwas Neuem? Oder wie kommt sie dazu?
“Gegen das Sommerlicht” habe ich recht gerne gelesen und die Autorin wäre, mit einigen anderen, ausschlaggebend gewesen, die Antho anzuschaffen.
Glaubst Du, sie könnte es in die dt. Übersetzung schaffen?
Kommentar by Soleil — 11. September 2011 @ 15:11
Ich denke, es könnte gut sein, dass sie es in die deutsche Übersetzung schafft, weil sie a) recht gut ist und b) “Werwölfe zu Weihnachten” ja auch übersetzt worden war.
Daumendrücken!
Ich würd sie mir gern auch noch als Buch zulegen, da warte ich ggf. noch auf die deutsche Übersetzung.
Du hast noch nichts von Patricia Briggs gelesen?! Ich empfehle entweder “Ruf des Blutes” (der zweite Mercy-Band) oder “Drachenzauber”, wenn es High Fantasy sein soll.
Ich hab gesehen, dass du das Buch erwähntest auf deinem Blog. Da war ich gerade mitten im Hören der zweiten Geschichte ,-)
Hast du schon was von Suzanne McLeod gelesen? Ich bin auf die SPELLCRACKER-Romane echt verdammt neugierig geworden!
Kommentar by Darkstar — 11. September 2011 @ 16:17
Daumen sind gedrückt!
Warum soll ich denn mit dem zweiten Mercy-Band anfangen? ;-) Ich hab’ den ersten hier rumliegen und auch den ersten der AlphaOmega.
McLeod steht auch seit Ewigkeiten im Regal. Immer diese Zeitprobleme, man will, kann aber nicht. Und wenn man irgendwann hat, gibts wieder dutzend neue.
Bei Hörbüchern bin ich etwas eigen was die Sprecher angeht, darum lieber Buch.
Kommentar by Soleil — 12. September 2011 @ 09:07
;-)
Weil der zweite Mercy-Band besser ist als der erste und man trotzdem mitkommt, denke ich. Ansonsten natürlich mit dem ersten anfangen, wenn du den ohnehin hast.
Die Mercy-Bücher gefallen mir ein ganzes Stück besser als die Alpha&Omega-Reihe, aber das ist auch Geschmackssache.
Ja, das Leid mit den vollen Regalen und den neu ankommenden “aktuellen” Büchern kenne ich (deshalb hab ich mich über deine Rezension vom “Lied der Weide” so gefreut). Ich habe 2008 hier das US-Original dazu rezensiert (und das Buch geliebt!)
Kommentar by Darkstar — 13. September 2011 @ 20:17
Ah, das kenne ich auch von Frau Moning, da habe ich Teil 1 auch nie gelesen und bin trotzdem super in die Serie reingekommen.
Oh, das Weidenbuch hat noch jemand gelesen außer mir? ;-) Ich dachte, dazu wäre es zu “alt”, das mag ja irgendwie keiner lesen. Immer nur das allerneueste, warum auch immer. Gut, dass Bücher kein Ablaufdatum haben! :)
Kommentar by Soleil — 13. September 2011 @ 21:31