“Als ich acht Jahre alt war, sollten wir in der Schule aufschreiben, was wir später werden wollten. Lexi wollte Schauspielerin werden. Zac wollte Profi-Fußballer werden. Simon wollte unbedingt Harry Potter sein. Aber meine Hand schrieb: Ich möchte ein Mädchen sein.”
Der 14jährige David ist anders als die meisten seiner Mitschüler. Das spürt sein Umfeld – und lässt es ihn spüren. In der Schule wird er offen gemobbt, seine Schwester will sich nicht mit ihm auf dem Pausenhof sehen lassen und seine Eltern haben sich emotional bereits darauf vorbereitet, dass sich ihr einziger Sohn bald als schwul outet.
Wie anders er ist, ahnen sie allerdings nicht. David ist nicht schwul, sondern transgender: ein Mädchen, das im Körper eines Jungen auf die Welt kam. Akribisch – und entsetzt – beobachtet David Woche für Woche, wie die Pubertät seinen Körper immer mehr in den eines Mannes verwandelt.
Sein Geheimnis kennen nur Essie und Felix, seine besten Freunde, die bedingungslos zu ihm halten. Doch dieses Jahr soll alles anders werden: David will seinen Eltern endlich reinen Wein einschenken. Doch das kostet verdammt viel Mut.
“Zusammen werden wir leuchten” ist aber nicht nur Davids Geschichte, sondern die von Leo, dem Neuen an der Schule, der ziemlich grimmig dreinblickt und sich sehr zurückzieht.
David und Leo könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein. Ersterer kommt aus einer idyllischen Mittelschicht-Familie wie aus dem Bilderbuch mit Haus, Hund und Vorgarten; Leo hingegen lebt mit seinen beiden Schwestern und seiner alleinerziehenden Mutter (die ihre Jobs fast ebenso schnell verliert wie ihre Männer) in einer heruntergekommenen Sozialwohnung.
Und doch ist da etwas, dass sie verbindet, dass sie aneinander anzieht wie das Licht die Motten. Ihr Kennenlernen, ihre sich zaghaft anbahnende Freundschaft ist es, durch die sich ihrer beider Leben schließlich zum Besseren wendet – auch wenn ein steiniger Weg vor beiden liegt. Ihre Geschichten werden in alternierenden Kapiteln erzählt.
Deshalb passt der deutsche Titel “Zusammen werden wir leuchten” auch so perfekt zum Buch. Im Original heißt der Roman “The Art of Being Normal”, also: “Die Kunst, normal zu sein”, ein mehrdeutiger, ebenfalls passender Titel.
Obwohl Lisa Williamson für ihren Roman ein sehr ernstes, wichtiges und immer noch oft totgeschwiegenes Thema gewählt hat und ich den Roman nicht durchlesen konnte, ohne hier und da ein paar Tränen zu verdrücken, liest sich “Zusammen werden wir leuchten” nicht wie ein klassisches “Problem-Buch”.
Das liegt sicher zum einen an Williamsons lockerem Schreibstil, der sich schnell und flüssig wegliest, als auch daran, dass David nie damit hadert, im falschen Körper geboren worden zu sein. Er macht sich Sorgen darum, wie sein Coming Out laufen wird und hat Angst vor der Reaktion der Menschen, die ihn lieben, aber er zweifelt nie daran, dass er ein Mädchen ist.
Ich hoffe deshalb, dass das Buch seinen Weg in die Hände – und Herzen – vieler Leser findet. Mit 382 Seiten ist es für eine Schullektüre vielleicht ein bisschen zu lang, aber in die Schulbibliotheken und öffentlichen Büchereien gehört das Buch auf jeden Fall.
“Zusammen werden wir leuchten” ist ein einfühlsames, packend geschriebenes Jugendbuch vor allem, aber nicht nur zum Thema Transgender und Anderssein. Wenn ihr euch jetzt unschlüssig seid, ob euch das interessiert, gebt dem Buch einfach eine Chance. Zusammen werden wir leuchten!
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