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1. Oktober 2018

N. K. Jemisin: Zerrissene Erde

Category: News – Darkstar – 12:30

Zerrissene ErdeDu bist eine Mutter, die durch eine sterbende Welt flüchtet.

Um dich herum droht der Kontinent auseinanderzubrechen; die Menschheit versinkt in Wahnsinn und Verzweiflung – aber du hast nur ein Ziel. Du willst den Mann zur Strecke bringen, der deine Tochter entführt hat und deinen kleinen, geliebten Sohn kaltblütig getötet hat: deinen Ehemann.

Bereits in Die Erbin der Welt, ihrem ersten veröffentlichten Roman, machte N. K. Jemisin deutlich, dass sie keine ist, die sich an schriftstellerische Konventionen hält. Sie unterbricht den Handlungsfluss zu Gunsten von Infodumps und durchbricht die Vierte Wand. In Zerrissene Erde geht sie noch einen Schritt weiter. Sie schreibt in der zweiten Person:

Du bist die Mutter von zwei Kindern, aber jetzt ist eines davon tot, und das andere wird vermisst. Das findest du heraus, als du eines Tages von der Arbeit nach Hause kommst. Das Haus ist leer und ruhig, und der winzige Junge auf dem Boden eures Familienzimmers ist blutverschmiert und voller blauer Flecken.

Die Kritiker sind von Jemisins Mut begeistert. Alle drei Teile ihrer Trilogie um die Zerrissene Erde wurden mit dem begehrten HUGO Award ausgezeichnet – ein bemerkenswerter Erfolg. Ein US-Sender hat sich die Rechte an einer Verfilmung gesichert.

Aber das lieg nicht nur an der – zugegeben – mutigen und packenden Erzählweise. Für mich hat sie übrigens sehr gut funktioniert; neben den Passagen in der Zweiten Person gibt es auch Abschnitte, die in der Dritten Person geschrieben sind.

Es liegt auch nicht (nur) an Jemisins Talent für ungewöhnliche Figuren. Vor allem liegt es vermutlich daran, dass sie sehr viel Arbeit in ihren Weltenbau steckt und ihrem Publikum dadurch eine Szenerie präsentiert, die auch für das Genre neuartig ist und so noch nicht da war.

Die Zerrissene Erde spielt auf einer Welt, die von einem einzigen, riesigen Kontinent dominiert wird. Eine Welt, in der eine vorangegangene Hochkultur untergegangen zu sein scheint, und in der Naturkatastrophen zum Alltag gehören. Eine Welt, in der neben gewöhnlichen Menschen auch Orogene und Steinesser leben. Als Orogene bezeichnet man jene, die die Fähigkeit besitzen, seismische Vorkommnisse zu beeinflussen. Da sie ihre Macht sowohl zum Guten als auch zum Schlechten einsetzen können, werden sie von der Gesellschaft gefürchtet. Die Gesellschaft selbst strukturiert sich in sogenannten Gems – in einer Gem hat jeder eine bestimmte Rolle zu erfüllen; Gemlose Menschen stehen hingegen ohne Schutz da. Selten wird in die Höhe gebaut, da die Erdbeben, die den Kontinent wieder und wieder erschüttern, diese ohnehin nur einstürzen lassen würden.

Die (divers gestaltete) Gesellschaft und der Schauplatz in Jemisins Roman ist so komplex, dass ich froh war, recht schnell auf den Anhang am Ende des Buches zu stoßen, wo die wichtigsten Begriffe erklärt werden.

Zerrissene Erde ist keine einfache Wohlfühl-Literatur, die man in der Bahn oder abends bei einer Tasse Tee nebenher liest. Das Buch fordert, konfrontiert den Lesern mit komplexen Systemen und Überlegungen, ambivalenten Figuren und es bemüht sich gar nicht, sich im Kanon des Großteils der F&SF-Veröffentlichungen einzuordnen. Es hat Ecken und Kanten, wie die Welt, auf der es spielt.

Und deshalb ist das Buch auch sicher nichts für jeden. Wenn ihr schon viele Fantasy-Bücher gelesen habt und Lust auf etwas habt, das Neuartig und Anders ist, probiert es mal mit dieser Endzeit-Saga.

 

 

 

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