England 1348. Die Pest, die auf dem europäischen Kontinent bereits zahllose Opfer gefordert hat, hat auch England erreicht. In einem der verregnetsten Sommer seit Menschengedenken bahnt sie sich unaufhaltsam ihren Weg von den Küsten aus ins Landesinnere. Es sind schwere Zeiten für Reisende, die auch ohne eine verheerende Seuche auf den Fersen bereits ein gefährliches Leben führen. Um sich gegenseitig Schutz zu bieten und es so bis zu einem sicheren Ort zu schaffen, ehe die Pest sie erreicht, beschließen neun Menschen, die sich zufällig treffen, zusammen zu reisen:
Der mit falschen Reliquien handelnde Camelot, Ich-Erzähler des Romans; der cholerische Händler Zophiel, der in seinem Wagen den Leichnam einer Meerjungfrau transportiert; der venezianische Musiker Rodrigo und sein Lehrling Jofre mit der Stimme eines Engels; die Maler Osmond und seine schwangere Frau Adela; die Kräuterkundige Pleasance; der Geschichtenerzähler Cygnus, der anstelle eines Armes einen Schwanenflügel besitzt – und das unheimliche, weishaarige Mädchen Narigorm, das aus ihren Runen die Zukunft zu lesen vermag.
Gemeinsam ziehen sie quer durch England und aus Fremden wird bald eine kleine Gemeinschaft, die sich abends an den Lagerfeuern gegenseitig Geschichten erzählt zum Zeitvertreib. Doch friedlich und idyllisch geht es unter ihnen nicht zu, denn schnell entwickelen sich aus Misstrauen kleine Feindschaften und Dinge kommen an die Oberfläche, die besser auf ewig verborgen geblieben worden wären. Denn jeder in der Gemeinschaft verbirgt ein dunkles Geheimnis vor den anderen. Und eines dieser Geheimnisse scheint der Grund dafür zu sein, weshalb das Unglück die kleine Reisetruppe verfolgt und ein Mitglied nach dem anderen einen grauenvollen Tod bereitet. Erst als es beinahe zu spät ist, erkennt Camelot, dass er nicht nur herausfinden muss, was seine Weggefährten vor ihm verbergen, sondern auch, dass dieses Wissen nicht in die falschen Hände geraten darf.
Darkstar meint dazu:
Karen Maitlands Historienschinken „Der Fluch der Gaukler“ ist packend von der ersten bis zur letzten Seite. Das liegt nicht nur an der wahnsinnig spannenden Geschichte, innerhalb der sie geschickt mit den Erwartungen der Leser spielt und sie zum Rätselraten mit einlädt. Sie besticht auch durch Glaubhaftigkeit, mit der sie das Mittelalter zum Leben erweckt und durch einen außerordentlich angenehmen Stil, der weder zu blumig, noch zu trocken ausfällt.
Warum der Roman auch etwas für Fantasy-Fans ist:
Obwohl „Der Fluch der Gaukler“ kein Fantasy-Roman ist, versteht es Karen Maitland Maitland geschickt, ihrer Erzählung einen Anstrich des Geheimnisvollen, Mystischen und Mysteriösen zu verpassen. Durch die Geschichten, die die Reisenden sich gegenseitig erzählen – mal sind es Wolfsmärchen, mal Schwanenmärchen, mal realistische Abenteuer – verstärkt sich dieser Eindruck nur. Dadurch, erklärt sie auf Ihrer Website, wollte sie für den Leser den tief in den Menschen des Mittelalters verwurzelten Aberglauben greifbarer, verständlicher machen. Wie gut ihr das gelingt! Auch wenn sich schlussendlich auch vieles rational erklären lässt, fröstelt der Leser, wenn Narigorm wieder ihre Rune wirft.
Das Grauen der Erzählung liegt aber nicht nur im phantastischen Element – oder in der erbarmungslos realistischen Brutalität, in der Maitland vom Tod ihrer Hauptcharaktere berichtet – sondern vor allem darin, wie es ihr geschickt über die Handlung gelingt, greifbar zu machen, welche Angst und Kompromisslosigkeit die Pest vor einigen hundert Jahren unseren Vorfahren abgezollt hat. Beinahe ganz nebenbei entsteht beim Leser eine Vorstellung vom Leben in einem von der Pest gezeichneten England. Mit Camelot und seinen Weggefährten nimmt man an schonungslosen Bräuchen wie etwa einer Hochzeit der Krüppel teil und beobachtet, wie die Außenseiter der Gesellschaft für die wütende Krankheit verantwortlich gemacht werden.
Glaubhafte Figuren und überzeugende zwischenmenschliche Beziehungen
Der eigentliche Reiz des Romans liegt aber dennoch in der Dynamik der Beziehungen der Mitglieder der Reisegruppe untereinander. Karen Maitland hat sehr glaubhafte Charaktere entworfen, die man mal liebt, hasst, beschützen möchte oder verabscheut. Während einige Geheimnisse bis zum letzten Moment verborgen bleiben, gelingt es der Autorin, durch Hinweise in der Handlung den Leser selbst auch immer wieder auf Spuren zu locken und ihn zum Raten einzuladen, was wohl das Geheimnis dieses oder jenes Mitglieds der Gruppe ist.
Alles in allem gehört „Der Fluch der Gaukler“ zur Gruppe der überdurchschnittlich gut gelungenen historischen Romane. Er ist unheimlich, schauderhaft, realistisch, manchmal ein bisschen phantastisch, spannend – und in erster Linie großartig! Unbedingt lesenswert!
Fakten:
Titel: Der Fluch der Gaukler
Autorin: Karen Maitland
Originialtitel: Company of Liars
Verlag: Scherz
Aufmachung: Hardcover mit Schutzumschlag, 528 Seiten
Preis: € 19,95
Bei Amazon bestellen: hier!
Diese Rezension erscheint mit freundlicher Genehmigung des Fantasyguide!
Nachdem ich vor zwei Jahren die englische Version verschlungen habe,
freue ich mich darüber, daß nun die deutsche Übersetzung erschienen
ist und ich eines der besten Bücher der letzten zehn Jahre an Lese-
ratten verschenken kann, die des Englischen nicht hinreichend mächtig
sind.
Die Tatsache, daß man bis zum Ende nicht weiß, ob Übernatürliches im
Spiel ist oder ob lediglich mit den Ängsten und dem Aberglauben der
beteiligten Figuren gespielt wird, ließ mich den Roman nicht mehr aus
den Händen legen. Liebe Karen, ich erwarte weitere Großtaten!!!
Ganz klare 10 Punkte (aus 10 möglichen!).
Kommentar by Captain Friendly — 25. November 2009 @ 10:20
[…] … den besten historischen Roman 2009 geht an Karen Maitland für das großartige “Der Fluch der Gaukler“ […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Darkstars Highlights 2009 | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy — 5. Januar 2010 @ 21:19