Darkstars Fantasy News


14. Mai 2011

Libba Bray: Ohne. Ende. Leben

Category: Rezensionen,Romane – Darkstar – 12:00

Ohne. Ende. LebenDer schönste Tag in meinem Leben war der, an dem ich in Disney World fast gestorben wäre. Da war ich fünf. Jetzt bin ich sechzehn, und du kannst dir vorstellen, dass mir das ne Menge extrem beschissener Tage beschert.

Libba Bray ist wieder da. Nachdem ich vor ein paar Jahren von ihrer Trilogie „Der Geheime Zirkel“ sehr begeistert war, habe ich mich richtig auf ihr neues Buch gefreut. (Vor allem, nachdem ich gesehen habe, wie sie ihr Buch bewirbt; unbedingt anschauen: hier!). Jetzt, nachdem ich es zu Ende gelesen haben muss, muss ich sagen: Wow.

Es passiert selten, dass ich ein Buch finde, an dem mich sogar die Danksagung so begeistert wie Libba Brays „Ohne. Ende. Leben“.

Es ist übrigens ein ganz anderes Buch als „Gemmas Visionen“. Anstelle eines viktorianischen Internatmädchens mit magischen Kräften steht in „Ohne. Ende. Leben“ ein amerikanischer Teenager im Mittelpunkt, dessen ziemlich erbärmliches Leben noch beschissener wird, als bei ihm die Kreutzfeld-Jacob Krankheit diagnostiziert wird – zumindest zunächst. Cameron ist eigentlich ein ziemlicher Looser. Er ist ein übler Zyniker, das schwarze Schaf der Familie, hat kaum Freunde und weiß mit sich nicht wirklich etwas anzufangen. Als bekannt wird, dass er sich mit Rinderwahn angesteckt hat, wird er an der lokalen Highschool zu so etwas wie einer kleinen Berühmtheit – was ihm herzlich wenig nutzt, da er schon kurz darauf stationär ins Krankenhaus aufgenommen wird, wo man ihm unverblümt mitteilt, dass er schon in wenigen Wochen sterben muss.

Kurz bevor er allerdings in Selbstmitleid zerfließen kann, taucht Dulcie an seinem Krankenbett auf: ein Engel, der wie eine Punkerin aussieht, mit pinkfarbenem Haar, Springerstiefeln und der Angewohnheit, ihren Engelsflügeln ständig einen neuen Look zu verleihen. Halluzination oder Wirklichkeit? Das ist Cameron ziemlich egal, als er von ihr erfährt, dass es doch noch eine Möglichkeit gibt, sein Leben zu retten (und einen drohenden Weltuntergang aufzuhalten, sofern dazu auch noch Zeit bleibt). Er soll einen mysteriösen Wissenschaftler finden, eine Inuit-Band aufspüren und ein Wurmloch schließen. Gemeinsam mit Dulcie und seinem hypochondrischen Mitschüler Gonzo macht sich Cameron tatsächlich auf den Weg. Später gesellt sich zu dem bunten Trupp noch ein Gartenzwerg, der sich für den nordischen Lichtgott Balder hält. Was folgt, ist eines der schrägsten Roadmovies der Literaturgeschichte. Ein Roadmovie, bei dem Cameron – die eigene Sterblichkeit im Nacken – endlich erkennt, worauf es im Leben ankommt.

Libba Bray going BovineOhne. Ende. Leben“: das ist wie ein Drogentrip: Irrwitzig, schrill, aufregend, tragisch, gefährlich und emotional. Wer Videos und Blogeinträge von Libba Bray kennt, ist mit ihrem abgedreht-sympathischen Humor bereits vertraut, und genau diesen fängt sie in ihrem neuen Roman ein. Die Handlung gleicht einem verrückten Traum und wie Cameron fragt sich der Leser, ob sie das vielleicht auch ist: Was ist Realität? Was ist Wahn? Schlussendlich ist die Antwort darauf aber gar nicht wichtig. Was zählt ist, dass Cameron begreift, dass er sein eigenes Leben nur selbst leben kann – egal, wie lange es auch dauern mag. Libba Bray muss dieses Buch mit Herz und Seele geschrieben haben. Denn es gelingt ihr, die Emotionen ihrer Figuren auch für den Leser erlebbar zu machen: Spaß, Resignation, Trauer, der erste Sex, Wut, Freundschaft – ein Adrenalinrausch, der direkt, authentisch, frech geschrieben ist. Libba Bray lässt Cameron „Ohne. Ende. Leben“ in dessen unentschuldigter, jugendlicher Art sich auszudrücken erzählen:

Oh Scheiße, Mann. Das Blut pocht hinter meinen Schläfen und ich fühle mich ganz komisch. Soll ich die Cops rufen? Meine Eltern? Was ist, wenn ich nur bekifft bin und wahnsinnig? Bleib ruhig, Cameron. Check es erst mal aus!
Ich krieche die Treppe hinauf, nur mit einer Bratpfanne bewaffnet. Obwohl mein Herz bis zum Hals schlägt, kommt mir das Ganze irgendwie witzig vor. Willkommen, Mörder mit dem Hackebeil! Eben hab ich mich gefragt, wie Sie Ihre Eier m
ögen?

Das wirkt nie gekünstelt, sondern sehr echt und sorgt dafür, dass man schnell kapiert, wie Cameron tickt (ein Extra-Kompliment geht an dieser Stelle an Siggi Seuß, dem eine extrem passende Übersetzung gelungen ist!) Und was wäre eine irrwitzige Geschichte ohne irrwitzige Charaktere? Es dauert zwar ein bisschen, bis man mit Cameron warm wird, denn zu Anfang ist er wirklich ein übler Zyniker. Aber mit Voranschreiten der Handlung mausert er sich langsam vom Unsympathen in einen liebenswerten Typen. Und neben Dulcie mit ihren karierten Flügeln begeistert vor allem Gonzo: ein kleinwüchsiger Asthmatiker, der mächtig nerven kann, sich aber nach und nach zu einem echten Freund wandelt. Gemeinsam ziehen sie durch’s halbe Land, streiten sich in Restaurants, landen in einer Drag Queen Bar, stranden im Nirgendwo, nehmen an einer verrückten Game Show teil, verlieben sich und versuchen nicht abzukratzen.

Dieses Buch lebt: Es lässt einen schmunzeln, staunen ob diverser obskurer Einfälle, macht einen betroffen – und versetzt einem an so mancher Stelle einen Faustschlag in die Magengrube. Auch wenn es im Mittelteil ein paar Längen gibt: „Ohne. Ende. Leben“ ist definitiv eines der wichtigsten Bücher des Jahres, das berührt, zum Nachdenken anregt – und vor allem irre viel Spaß macht.

Fakten:

Titel:  Ohne. Ende. Leben.
Autorin:  Libba Bray
Originaltitel:  Going Bovine
Übersetzung:  Siggi Seuß
Verlag:  DTV; Mai 2011
Aufmachung:  Taschenbuch mit Klappbroschur; 559 Seiten
Preis: 14,90 €

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Meine Rezensionen zu den anderen Büchern von Libba Bray: hier!

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Ein Kommentar »

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