Rachel Morgan: Hexe, Kopfgeldjägerin – und die erfolgreichste Romanfigur der amerikanischen Autorin Kim Harrison. Sie gilt als eine der erfolgreichsten Urban Fantasy-Protagonistinnen weltweit und hat es in den USA bereits auf elf Romane und diverse Kurzgeschichten und Novellen gebracht. Zehn Bände der Reihe sind bereits auf Deutsch erschienen – und mit „Blutwelten“ liegt nun auch ein über dreihundert Seiten starker Hintergrundband zur Rachel Morgan-Serie hierzulande vor.
Ein Hintergrundband für eine Romanserie? In der Regel kennt man solche fiktiven Sachbücher vor allem für Fernsehserien und Filme. In Amerika gibt es sie bereits seit vielen Jahren immer mal wieder auch vereinzelt zu Buchreihen – und in den letzten Jahren nimmt ihre Beliebtheit noch zu. Sie sammeln Fakten rund aus dem Serienkosmos sowie oftmals auch Hintergrundinformationen zum Autor, manchmal Interviews und Charakterprofile usw. Dadurch erlauben sie zum einen Fans einen detaillierten Einblick in ihr Fandom und sammeln zahlreiche „Fakten“ in einem praktischen Nachschlagewerk. Zum anderen bieten sie, wenn sie gut gemacht sind, auch Lesern, die mit der Serie nicht oder nur wenig vertraut sind, Einblick in einen fiktiven Kosmos und helfen dabei, nachzuvollziehen, wie ein Autor beim Schaffen eigener Welten vorgegangen ist. Das macht freilich nur Sinn (und Spaß), wenn die Welt, um die es im Hintergrundband geht, ausreichend komplex ist. Etwas, dass auf das Rachel Morgan-Universum definitiv zutrifft:
Seit nach einer globalen Seuche – ausgelöst durch eine genmanipulierte Tomate – die Menschheit erschreckend dezimiert wurde, hat sich das Antlitz der Welt grundlegend verändert: Nicht nur, dass Gentechnik und biologische Forschungen seither aufs Ärgste verpönt sind (und unter Strafe stehen), die nichtmenschlichen Rassen, die diese Welt bevölkern, haben ihr Schattendasein aufgegeben und sich sozusagen geoutet: Denn die „Inderlander“ – so der Oberbegriff für sämtliche Nicht-Menschen wie Werwesen, Vampire, Kobolde, Hexen, Fairys und und und – waren und sind gegen das tödliche Gen immun. Diese Outing hat allerdings massive Folgen nach sich gezogen.
Da menschliche Behörden selbstredend nicht gegen die dunklen Mächte so mancher Inderlander ankamen – wie etwa den missbräuchlichen Einsatz von Magie – wurden neue Institutionen ins Leben gerufen, die für Recht und Ordnung sorgen sollen. Die Erdhexe Rachel Morgan arbeitete für solch eine Behörde. Sie war ein Runner – praktisch ein Feldagent, der schwarze Hexen, wildgewordene Werwölfe oder assoziale Vampire Dingfest machen sollte – bis sie sich selbstständig machte, und im Prinzip jetzt genau das gleiche tut. In ihrem Garten leben Pixies, sie pflegt eine Hassliebe zu einem Elfen und steht bei einem Dämon in der Kreide. Ach ja, und ihre Mitbewohnerin ist ein lesbischer Vampir.
Die Welt, in der die Romane spielen, ist so detailreich angelegt, die Charaktere sind so vielschichtig gestaltet, dass sich Harrison nicht nur ausreichend Potential für zahlreiche Bände geschaffen hat, sondern dass das Lesen von „Blutwelten“ auch zu einem wahren Vergnügen macht. Hintergrundbücher zu fiktiven Universen werden meist von unabhängigen Schriftstellern geschrieben. Es kommt selten vor, dass ein Autor einer Reihe selbst zum Stift greift und ein solches Nachschlagewerk verfasst. Kim Harrison allerdings hat sich die Zeit genommen, genau das zu tun – und konnte dadurch „Blutwelten“ zu mehr als nur einem netten Nachschlagewerk machen! Sie kennt die Details ihrer Welt besser als jeder andere. Dadurch kann sie auch interessante Fakten zu Figuren präsentieren, die in den Romanen bis dato noch nicht im Mittelpunkt standen. Anstatt zudem das Material trocken aufzuarbeiten, kommt es in Form von fiktiven Überwachungsakten, Magazinartikeln, Notizbucheinträgen, Briefen usw. daher. Zaubertrank-Rezepte werden ebenso abgedruckt wie Tagebucheinträge und die Krankenakte von Rachel Morgan aus ihrer Schulzeit. Wichtige Informationen wechseln sich dadurch also mit unwesentlichem ab, was aber den Eindruck einer komplexen Welt sehr erhöht und zumindest Freunden der Erdhexe viel Spaß macht.
Das einzige, was an „Blutwelten“ sauer aufstoßen mag, ist der saftige Preis von rund 20,- Euro für ein Taschenbuch. Wäre es da nicht sinnvoller gewesen, den Preis noch einmal etwas zu erhöhen und eine Hardcover-Ausgabe herauszubringen? Für eine solche ist man etwas eher geneigt, mehr Geld auszugeben und da es sich bei dem Buch auch um ein Nachschlagewerk handelt, hätte das durchaus Sinn gemacht. Andererseits bietet „Blutwelten“ nicht einfach nur die üblichen Textseiten, sondern ein sehr liebevoll aufgemachtes Layout: zahlreiche Zeichnungen (Portraits, Landkarten u. ä.) und Textabdrucke, die nicht nur inhaltlich, sondern auch gestalterisch sehr unterschiedlich sind. Da gibt es abgedruckte Seiten aus der fiktiven Tageszeitung „Hollow Gazette“, vollständig mit Artikeln und Fotografien, Liedtexte, die graphisch wie in Schreibschrift in ein Notizbuch geschrieben aussehen, Rezepte aus Rachel Morgans Hexenküche sowie vor allem der „Abdruck“ von Memos und Akten der Inderlander Security. Man ist mit wirklich viel Liebe zum Detail ans Werk gegangen! Man liest das Buch mit Spannung, blättert es immer wieder gern durch und kehrt zu ihm zurück.
„Blutwelten“ ist ein spannender Hintergrundband, nicht nur für alle, die bereits Fans von Rachel Morgan sind, sondern auch für alle, die für komplexe Urban Fantasy-Welten etwas übrig haben. Und wer vor dem Lesen noch kein Fan von Rachel & Co. ist, wird es nach dem Lesen von „Blutwelten“ sicher sein.
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Diese Rezension erscheint auch bei Media Mania!
Meine Rezension zum ersten Roman der Reihe: hier!
[…] Es gibt vermutlich schlechtere Begleitbücher zu Serien, sicher aber auch wesentlich bessere (z. B. der von Kim Harrison zu ihren Rachel Morgan-Romanen). Die Novelle um Sookie und Sam dürfte für Fans sicher das […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » Die Welt der Sookie Stackhouse | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy - ein Fantasy Blog — 11. November 2013 @ 12:01