Sie ist eine treibende Kraft hinter “6 auf einen Streich“, der Märchenreihe der ARD: Sabine Preuschhof vom rbb. Seit 2008 betreut sie die Reihe, für die sie gemeinsam mit Siegmund Grewenig (WDR) sogar für den Adolf-Grimme-Preis nominiert wurde.
In einem Telefoninterview habe ich mich anlässlich der neuen Märchenstaffel mit ihr über die Filme unterhalten: Wer entscheidet, welche Märchen adaptiert werden? Worin liegt der Erfolg der Filme begründet? Was sind wichtige Kriterien bei der neuen Produktion? Und wird es auch 2013 weiter gehen? Frau Preuschhof verrät das und einiges mehr erfreulich offen und ausführlich:
Interview mit Sabine Preuschhof zu den ARD-Märchen 2012
Worin liegt der Erfolg der ARD-Märchen begründet?
Der Hauptgedanke bei der Entwicklung der “Sechs auf einen Streich”-Reihe war: Wie locken wir besonders viele Zuschauer vor den Bildschirm mit Inhalten, die die ARD gut vertreten kann. Die Filme feiern ihre Premiere im Ersten, an Weihnachten zur besten Sendezeit am Nachmittag. So ein Stoff muss also ein großes Gemeinschaftspublikum ansprechen.
Ich bin überzeugt, dass unsere Märchen so gut laufen, weil sie gut gemacht sind! Und weil wir sie in großer Stückzahl produzieren. Jeder Film ist gleich lang und wir vermarkten die Filme unter einem Label, das als Paket an die Zuschauer geht: Drei Märchen laufen hintereinander am Nachmittag zu einem inzwischen etablierten Sendeplatz. Das spricht die Leute an.
Zudem spielt in jedem Film jemand aus der ersten Reihe der deutschen Schauspieler mit: Veronica Ferres in Das blaue Licht, Andrea Sawatzki in Brüderchen und Schwesterchen, Matthias Brandt in Des Kaisers neue Kleider, Karoline Herfurth in Die Gänsemagd , Friedrich von Thun im Froschkönig, Robert Stadlober als Rumpelstilzchen, Anna Maria Mühe in Die kluge Bauerntochter und und und …
Die Besetzungslisten lesen sich wie das Who is Who der deutschen Schauspielzunft.
Ganz wichtig ist uns: “Der König wird nicht zwei Mal besetzt!” Denn es würde die Kinder verwirren, wenn der böse König aus dem einen Märchenfilm auf einmal der gute König in einem ganz anderen Märchenfilm wäre. Manchmal laufen die Filme ja auch direkt hintereinander.
Schließlich zeichnet die Filme ein hohes „Production Value“ aus: Alle Filme werden an Originalschauplätzen gedreht. Wir achten darauf, dass sich auch die Schlösser und Burgen nicht doppeln! Die Kostüme sind toll und aufwändig und mit Liebe erstellt, ebenso die Kulisse.
Das Hexenhaus in “Hänsel und Gretel” dieses Jahr bestand zum Beispiel teilweise aus echten Keksen, die man essen konnte. Natürlich nicht komplett, aber hier und da waren richtige Süßigkeiten angebracht. Deshalb wurde es nachts auch mit einer Hülle überzogen. Das wäre sonst für die Tiere ein gefundenes Fressen gewesen und wir hätten mitten in den Dreharbeiten morgens festgestellt, dass Rehe unser Hexenhäuschen angenagt hätten.
Für Fernsehmaßstäbe ist das alles sehr hochwertig!
Wer entscheidet, welche Märchen als nächstes verfilmt werden soll? Und worauf kommt es Ihnen bei der Stoffauswahl an?
Inzwischen gibt es eine gemeinsame Runde, die wir “die Märchenrunde” nennen. Daran nimmt aus jedem Sender ein Mitarbeiter teil. Wir verständigen uns zunächst über Telefonkonferenzen und unterhalten uns über unsere Pläne für das kommende Jahr.
Die Kollegen machen Vorschläge und wir schauen, ob das passt und wer welches Märchen umsetzt, wenn zwei Sender auf die gleiche Idee kommen. Dabei ist es wichtig, dass ein Märchen entweder bekannt ist oder aber die Geschichte so gut ist, dass wir sie gern erzählen würden. Es gibt also A-Titel und B-Titel. Wir wägen ab, ob ein solcher Film als Einzeltitel sich später auch behaupten kann.
Ich selbst lege dann die Programmschiene fest: Welcher Film soll als erstes ausgestrahlt werden, welcher folgt danach … Mit einem bekannten Märchen versuchen wir, die Zuschauer vor den Bildschirm zu locken; dann bleiben sie auch bei einem unbekannten Märchen, dass danach folgt, dabei.
Die Herstellungshoheit für die einzelnen Filme liegt bei den jeweiligen Landesrundfunkanstalten. Als erstes wird natürlich am Drehbuch gearbeitet. Danach kommt die Auswahl der Location und die Darstellersuche. Es dauert ungefähr ein Jahr von der Idee bis zur Ausstrahlung.
Wie die “Sterntaler” im Vorjahr so wurde “Allerleirauh” etwas früher gedreht als die anderen ARD-Märchen. Wollten Sie im Film eine besondere Winterstimmung einfangen?
Das hatte tatsächlich mit der Jahreszeit zu tun. Zum einen erzählt „Allerleirauh“ eine dunkle Geschichte, das sollte sich auch in den Bildern ausdrücken. Zum anderen liegt es in der Geschichte selbst begründet. Mit Hilfe der Köchin flieht Allerleirauh aus dem Schloss.
Sie trägt einen Umhang aus tausenderlei Fell – würde der Film im Hochsommer spielen, wäre das albern gewesen. Wir brauchten die kalte Jahreszeit, die blattlosen Wälder, um die Ästhetik des Märchens richtig einzufangen.
Überhaupt ist „Allerleirauh“ eine sehr dunkle Geschichte. Zu dunkel für einen Märchenfilm?
Tatsächlich haben wir uns mit dieser Frage beschäftigt. Aber wir haben das meiner Ansicht nach sehr gut gelöst. Wir halten uns nicht zu lange am Inzest-Thema auf, sondern konzentrieren uns sehr schnell auf die Quest der Heldin. Der Zuschauer folgt ihr in ihr Schicksal, fort vom Hof ihres Vaters.
Im Märchen kommen die unglaublichsten Paare zusammen: Der König heiratet das Bauernmädchen; die Prinzessin den Soldaten. Sehen wir auch mal ein ARD-Märchen, in dem sich die Prinzessin in die Küchenmagd verliebt oder der Prinz in den Jägersmann?
Wenn so etwas in einem Märchen stehen würde, würden wir das auch machen, aber in den Geschichten, die uns überliefert sind, kommt das nicht vor. Schlussendlich kommt in den Märchen und damit in den Filmen sehr viel vor, was Kinder verarbeiten müssen: Eine Frau verlässt ihren Mann, Eltern setzen ihre Kinder im Wald aus. Das ist sehr erschreckend für Kinder. Es ist wichtig, sich auf diese Dinge zu konzentrieren und diese richtig auszuarbeiten.
Bei “Hänsel und Gretel” war es uns zum Beispiel sehr, sehr wichtig, dass der Vater bereut und seine Kinder suchen geht. In der ursprünglichen Märchenfassung geschieht dies nicht – für Kinder ungeheuer schockierend, viel erschreckender als die Gefahr, die von der Hexe ausgeht. Deshalb ist das in unserer Version anders: Der Vater macht sich auf den Weg, sucht seine Kinder und – auch das ist ganz wichtig – er entschuldigt sich bei ihnen!
Sehr wichtig ist uns allerdings, die Mädchen und Frauen in unseren Märchen stark darzustellen: Sie verhalten sich nicht mehr nur nach der alten Moral „sei brav und redlich“, sondern sind sehr aktiv und suchen sich ihr Schicksal selbst.
Sehr schön sieht man das in diesem Jahr in “Schneeweißchen und Rosenrot” …
Ja, die machen von Kindesbeinen an als Schwestern alles zusammen, haben ein sehr enges Verhältnis – und trotzdem wachsen sie zu zwei individuellen jungen Frauen heran. Rosenrot träumt von der weiten Welt und am Ende des Films erkennen beide, dass sich ihr Lebensweg, auch wenn sie miteinander verbunden sind, doch trennen kann und darf. Und beide finden ihren Prinzen, nicht nur das brave Schneeweißchen!
Auch unsere Königinnen sind oft viel beeindruckender als unsere Könige, die in nicht seltenen Fällen eher lustige Gesellen sind.
Dürfen Sie bereits verraten, ob es auch nächstes Jahr mit den Märchen weiter geht?
Es sieht sehr gut aus.
Wir hatten vor kurzem eine Runde und uns über mögliche Filme unterhalten, die wir 2013 produzieren möchten. Bis dato haben wir 26 Filme gemacht: 22 davon basieren auf Grimms Märchen, zwei weitere (“Des Kaisers neue Kleider” und “Die Prinzessin auf der Erbse”) basieren auf Hans Christian Andersen.
Im nächsten Jahr wird es vermutlich drei bis vier neue Filme geben, die höchstwahrscheinlich ebenfalls alle aus der Feder von Grimm oder Andersen stammen. Eines davon könnte “Vom Fischer und seiner Frau” sein. Ein weiteres, sehr Themenverwandt, vielleicht “Die kleine Meerjungfrau”!
Vielen Dank!
(c) Bild “Logo: Sechs auf einen Streich”: ARD
(c) Bild Prinzessin aus “König Drosselbart”: HR/Jacqueline Krause-Burberg
(c) Bild “Set Hänsel & Gretel”: rbb/Hardy Spitz
(c) Bild Jäger aus “Rotkäppchen”: HR/Felix Holland
(c) Bild Szene aus “Allerleirauh”: NDR/Marion von der Mehden
(c) Bild Szene aus “Hänsel und Gretel”: rbb/Hardy Spitz
(c) Bild Hexen aus “Brüderchen & Schwesterchen”: MDR/Antje Dittmann
Vielen Dank für dieses tolle Interview! Besonders der Ausblick klingt vielversprechend. Es gibt noch so viele schöne Märchen, die man für “Sechs auf einen Streich” verfilmen könnte. Nach dem Erfolg der 5. Staffel freue ich mich schon auf das 6. Jahr von “Sechs auf einen Streich”.
Kommentar by Märchenfan — 1. Januar 2013 @ 04:30
Freut mich, dass es Dir gefällt. Ich bin regelmäßig auf deiner Seite, die mir auch echt gut gefällt!
Kommentar by Darkstar — 12. Januar 2013 @ 21:57
Nun, es ist wie damals bereits gesagt, nicht meine eigene Seite, aber ich helfe an der einen oder anderen Stelle mit, z.B. bin ich hauptverantwortlich für die Märchenfilmliste, die man jedes Jahr im Dezember auf der Homepage downloaden kann. Bereits über 400 Märchenfilme sowie zahlreiche Märchenserien und Adaptionen sind dort gelistet.
Ich bin sehr gespannt, ob es 2014 erneut vier Märchenfilme geben wird. Bisher habe ich nur herausgefunden, dass D. Ungureit ein Drehbuch für “Sechse kommen durch die ganze Welt” (Regie: Uwe Janson) schreibt.
Ich bin gerne auf deiner Seite unterwegs, denn hier erfährt man immer viel Märchenhaftes und Fantastischtes! Mach weiter so! =)
Kommentar by Märchenfan — 9. Januar 2014 @ 15:36
Hey “Märchenfan” — vielen Dank! Das Kompliment gebe ich gern zurück. Ich bin auch gern bei dir unterwegs und spicke immer, welche Filme wann laufen und was Neues an Verfilmungen geplant ist.
(Aber ich kommentiere nie, sorry! Muss ich mal machen!)
Danke für die Info von “Sechse kommen durch die ganze Welt”.
Da bin ich ja gespannt. Und die Nachricht, dass es wieder vier neue Filme gibt, die machen mich echt froh, denn so langsam hab ich ein wenig Angst, dass die “bekannten” Märchen alle schon verfilmt sind.
Andererseits, für ein paar Jahre dürfte es noch reichen. Ich persönlich hoffe ja auf Verfilmungen wie etwa Andersens
“Der Schweinehirt”
“Der Reisekamerad”
und ggf.
“Däumelinchen”
oder von den Grimms
“Die Gänsehirtin am Brunnen”
“Die sechs Schwäne”
“Die zwölf Jäger”
“Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen”
“Das singende, springende Löweneckerchen”
“Der Trommler”
und ach, was weiß ich noch alles …
Welche Märchen würdest du denn gern (neu) verfilmt sehen?
Kommentar by Darkstar — 9. Januar 2014 @ 16:17
Bzw. auf eurer Seite, dann!
Kommentar by Darkstar — 9. Januar 2014 @ 16:18
Hey, melde dich doch im Forum an, da kannst du deine Wünsche auch mit anderen teilen und diskutieren. Ich habe dort auch meine Wünsche bereits gepostet, an den RBB schrieb ich folgende Vorschläge:
Das singende, springende Löweneckerchen
Daumesdick
Der Bärenhäuter
Der treue Johannes
Die Gänsehirtin am Brunnen
Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen
Auch wenn ich mir durchwegs Grimm-Märchen wünschte, schlug ich dem RBB auch alternativ zwei Andersen-Märchen vor: “Der kleine Klaus und der große Klaus” und “Der Schweinehirt”.
Meine Ideen im Forum reichen aber viel weiter, ich habe dort jeweils vier Märchen für die kommenden Jahre (2014-2020) gepostet:
2014 – 7. Staffel
Die Schneekönigin
Der kleine und der große Klaus
Daumesdick
Das Märchen von einem, der auszog das Fürchten zu lernen
2015 – 8. Staffel
Der Schweinehirt
Die wilden Schwäne
Hans im Glück
Die Gänsehirtin am Brunnen
2016 – 9. Staffel
Der standhafte Zinnsoldat
Die Nachtigall
Das singende klingende Löweneckerchen
Die goldene Gans
2017 – 10. Staffel
Der Reisekamerad
Die Galoschen des Glücks
Der treue Johannes
Der Bärenhäuter
2018 – 11. Staffel
Der Wolf und die sieben Geißlein
Das Wasser des Lebens
Der süße Brei
Sechse kommen durch die Welt
2019 – 12. Staffel
Der Eisenhans
Der Gevatter Tod
Hase und Igel
Der goldene Vogel
…
Im Grunde sind aber alle diese Märchen schon verfilmt worden. Irgendwie musste ich mich ja orientieren. Natürlich würde ich mich daher freuen, wenn auch noch nicht verfilmte Stoffe hinzukommen würden.
Kommentar by Märchenfan — 15. Januar 2014 @ 08:45
“Und die Nachricht, dass es wieder vier neue Filme gibt, die machen mich echt froh…”
Es gibt dazu noch keine Nachricht. Ich schrieb: “Ich bin sehr gespannt, ob es 2014 erneut vier Märchenfilme geben wird.”
Ob es so sein wird, erfahren wir also erst in den kommenden Monaten. Spätestens im Mai wissen wir dann, was uns Weihnachten erwartet. Theede und sein Team sind 2014 ja für den Weihnachts-Zweiteiler “Till Eulenspiegel” verantwortlich, sodass der NDR wohl keinen Märchenfilm drehen wird. Mal schauen!
Kommentar by Märchenfan — 15. Januar 2014 @ 09:45
Dein und mein Vorschlag “Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen” wird nun tatsächlich realisiert. Radio Bremen und MDR und NDR verfilmen den Stoff. RBB und SR setzen den bereits angesprochenen Grimm-Titel “Sechse kommen durch die ganze Welt” um und der HR verfilmt das Bechstein-Märchen “Siebenschön”. Märchenhafte Zeiten stehen uns bevor, denn das ZDF zeigt an Weihnachten ja “Das kalte Herz” und “Die Schneekönigin”.
Kommentar by Märchenfan — 17. März 2014 @ 22:09
Ui! Interessant! Danke für die Info.
Das mit dem Kalten Herz und der Schneekönigin hab ich auch schon gelesen.
Aber heißt das dann, dass es dieses Jahr “nur” drei ARD-Märchenfilme geben wird und nicht vier?!
Kommentar by Darkstar — 17. März 2014 @ 23:09
An ein Bechstein-Märchen hatte ich auch schon gedacht, tatsächlich sogar schonmal an Siebenschön. Aber gerechnet hätte ich nun nicht damit. Da hätte ich eher das “Nusszweiglein” vermutet.
Kommentar by Darkstar — 17. März 2014 @ 23:10
Ja, scheinbar sind es nur drei Märchen dieses Jahr. Das ist schon etwas schade. Trotzdem freue ich mich, dass alle drei Märchen ziemlich unbekannt sind und es kaum Filme bisher dazu gibt.
Ich hoffe ja nun, dass die ARD noch ein paar Jahre weitermacht, denn nun wurde ja mit Bechstein erneut ein weiteres Kapitel geöffnet.
Kommentar by Märchenfan — 18. März 2014 @ 18:44
[…] Jahr wird es rechtzeitig zur Weihnachtszeit neue Märchenfilme im deutschen Fernsehen geben. In den Kommentaren zu meinem Interview mit Sabine Preuschhof, der treibenden Kraft hinter der ARD-Reihe “Sechs auf einem […]
Pingback by Darkstars Fantasy News » ARD und ZDF Märchen 2014 | News & Interviews aus der wunderbaren Welt der Fantasy - ein Fantasy Blog — 8. April 2014 @ 12:00