So recht begeistert ist Fabio nicht davon, dass er seine Sommerferien gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Tom in Reykjavik vebringen muss. Vor allem, weil hier alle TT – den “tollen Tom” – für seinen Zwillingsbruder halten, weil Fabio selbst für sein Alter verdammt klein geraten ist. Als dieser sich ausgerechnet noch mit der rotzfrechen Elín anfreundet, der elfjährigen Tochter ihrer Gastgeberin, und Fabio dafür vernachlässigt, hat der endgültig die Nase voll.
Deshalb ist auch niemand bei ihm, als er mitten in der Stadt einen Jungen entdeckt, der einen weißen Wolfskopf wie einen Helm trägt, und später ein seltsames Mädchen, das wie aus dem Nichts erscheinen kann. Ist an dem Aberglauben der Stadtbewohner, dass es überall auf der Insel Elfen gibt, gar etwas drann?
Falls ja, dann sind die ganz anders als die hochgewachsen, ätherischen Lichtgestalten aus dem “Herrn der Ringe”: Sie tragen T-Shirts von Metal-Bands, haben kesse Sprüche auf den Lippen und surfen im Internet. Als Fabio bei seinen heimlichen Recherchen ausgerechnet den Laptop eines Elfenjungen schrottet, hat er ein Problem und braucht die Hilfe von Tom und Elín – aber als die Elfen auf Elín aufmerksam werden, geht der Ärger erst richtig los …
Gammelhai schmeckt schlimmer als Krötensuppe,
aber als Gäste müssen wir höflich sein, also esst gefälligst!
Island ist Schauplatz von Nina Blazons neuem Jugendbuch für Leser ab 10. Nach einem Ausflug nach Venedig (in “Laqua – Der Fluch der schwarzen Gondel“) und nach Dänemark (in “Lillesang – Das Geheimnis der dunklen Nixe“) verortet die Autorin ihr phantastisches Abenteuer diesmal auf die Insel der Gletscher und Vulkane.
Und der Schauplatz spielt in “Silfur – Die Nacht der silbernen Augen” eine ebenso große Rolle wie die eigentliche Handlung selbst – das Buch lebt von den plastischen Beschreibungen der Stadt Reykjavik und Orten wie den Hraunfossar-Wasserfällen, wo sich Fabios Abenteuer abspielt. Man merkt dem Werk an, dass Nina Blazon ausführlich vor Ort recherchiert hat. (Auf ihrer Website gibt’s übrigens auch ein Fotoalbum mit zusätzlichen visuellen Eindrücken der Handlungsorte; sehr empfehlenswert!)
Die Geschichte ist ein ganz und gar modernes Abenteuer, im Hier und Jetzt verwurzelt und gelungen mit Popkultur-Verweisen garniert, auch wenn Motive aus der nordischen Sagenwelt eine große Rolle spielen. Diesen hat die Autorin ein ordentliches Update verpasst: Isländische Mythologie 3.0 sozusagen. Nina Blazon zeigt zudem, dass es nicht immer um germanische Götter, den Weltuntergang oder den Kampf mit der Midgard-Schlange gehen muss, wenn man sich mit dieser Thematik beschäftigt.
Gelungen ist auch die glaubhafte Figurenzeichnung der jungen Helden des Buchs: sowohl in der ersten Hälfte von “Silfur”, wenn zwischen Fabio und Tom auf der einen und der chaotischen Elín mit ihren irrwitzigen Ideen die Fetzen fliegen, als auch in der zweiten, wenn die drei mitten in einem magischen Abenteuer stecken, das sie zusammenschweißt.
Insgesamt ist “Silfur – Die Nacht der silbernen Augen” eine freche Geschichte mit toller Botschaft, die dem jungen Zielpublikum sicher den Atem raubt, aber an der auch ich als erwachsener Leser, der ich bereits viele von der nordischen Mythologie inspirierte Geschichten verschlungen habe, meinen Spaß hatte.