Kassel 1821:
Als eine abgelegte Mätresse des verstorbenen Kurfürsten auf schauderhafte Weise ums Leben kommt, hat Oberwachtmeister Blauberg einen potentiellen Täter schnell gefunden: Jacob Grimm hält er für den Mörder. Denn dieser ist nicht nur ein aus Blaubergs Sicht unangenehmer Zeitgenosse, sondern die Mätresse wurde zudem nach Vorbild eines Grimm’schen Märchens zur Strecke gebracht.
Um den Verdacht der hiesigen Polizei zu entkräften, sehen sich Jacob und Wilhelm gezwungen, selbst Ermittlungen aufzunehmen. Unliebsame Unterstützung erhalten sie von den Schwestern Jenny und Annette von Droste-Hülshoff. Denn von diesen beiden stammt das Märchen, nach dem der Mörder vorgegangen ist. Die Schwestern eilen zur Ehrenrettung der Grimms. Während sich Wilhelm und Jenny über das Wiedersehen freuen, gilt das gleiche nicht für Jacob und Annette, die von Anfang an eine große Abneigung füreinander verspüren. Die Ermittlung werden für alle Beteiligten in mehr als einer Hinsicht nervenaufreibend …
Mit Grimms Morde hat Tanja Kinkel ein weiteres Mal einen wunderbaren historischen Roman verfasst. Im Mittelpunkt steht nicht der Kriminalplot, sondern das Figurenensemble. Die Suche nach dem Mörder ist der Aufhänger des Romans, den Reiz machen jedoch sowohl seine Akteure als auch das Setting aus. Das alles erweckt die Autorin meisterhaft zum Leben. Sehr kurzweilig gelingt es ihr, die Biedermeier-Zeit heraufzubeschwören und zum einen Jacob und Wilhelm Grimm, zum anderen Annette und Jenny von Droste-Hülshoff lebendig werden zu lassen. Ob die historischen Figuren tatsächlich so waren, wie sie hier dargestellt wurden, werden wir zwar nie wissen. Die Autorin hat aus bekannten Fakten heraus ein glaubhaftes, schlüssiges Bild entwickelt.
Gerade Annette von Droste-Hülshoff erweist sich als spannende Protagonistin, was zum einen an ihrer Persönlichkeit liegt, zum anderen daran, dass ein großer Reiz des Romans davon ausgeht, dass er in der ersten Hälfte immer wieder auf ein Ereignis verweist, das einige Monate zurück liegt und Annette heftig mit genommen und verändert hat. Worum es sich dabei handelt, das erfährt man erst nach und nach, und ich gebe gern zu, dass mich die Auflösung dieses Geheimnisses noch mehr gereizt hat als der eigentliche Mord-Plot.
Wie man es von Tanja Kinkel gewohnt ist, hat sie intensiv recherchiert. Das merkt man dem Buch an und das zahlt sich auch aus. Wer sich für die Zeit nach der französischen Besetzung Kassels interessiert, für das Intrigenspiel bei Hofe und die gesellschaftlichen Schranken, mit denen Adelige wie Bürgerliche zu kämpfen hatten, erfährt hier auf unterhaltsame Weise viele Details. Geschickt verwebt Kinkel historische Fakten mit einer fiktiven Erzählung, denn den Kriminalfall hat es so nie gegeben.
Was das Hörbuch nochmal so gut macht ist die großartige Lesung von Vanida Karun. Den Hörer auf über 13 Stunden bei der Stange zu halten, ist kein leichtes Unterfangen, egal wie gut die Geschichte ist. Karun findet sowohl für die von Droste-Hülshoff-Schwestern als auch für die Grimms den richtigen Ton, denn Grimms Morde wird abwechselnd aus Sicht dieser Beteiligten erzählt.
Interesse am Beginn des 19. Jahrhunderts und an den Personen sollte man schon haben, wenn man sich auf diesen historischen Roman einlässt. Dann wird man reich belohnt. Wer hingegen vor allem anderen einen spannenden Kriminalplot erwartet, für den eignen sich Grimms Morde nur bedingt. Ich für meinen Teil bin vollauf zufrieden!
Das Hörbuch kann direkt bei Audible heruntergeladen werden; es gibt auch eine Hörprobe.